Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

FRAUEN/442: Sierra Leone - Parlamentarierinnen verschleppen Gleichstellungsgesetz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. November 2012

Sierra Leone: Wenige Frauen kandidieren für Wahlen - Parlamentarierinnen verschleppen Gleichstellungsgesetz

von Mohamed Fofanah


Navo Kai-Kai von der Volkspartei in Sierra Leone - Bild: © Mohamed Fofanah/IPS

Navo Kai-Kai von der Volkspartei in Sierra Leone
Bild: © Mohamed Fofanah/IPS

Freetown, 7. November (IPS) - Bei den Parlamentswahlen in Sierra Leone am 17. November werden sich lediglich 38 Frauen unter insgesamt 586 Kandidaten für Mandate bewerben. Barbara Bangura von der Frauenorganisation 'Grassroots Empowerment for Self Reliance' gibt daran einer Gruppe von weiblichen Abgeordneten die Schuld.

Der Urnengang in dem westafrikanischen Staat wird der dritte seit Ende des Bürgerkriegs 2002 sein. Zum ersten Mal wird eine Frau, Kadi Sesay von der oppositionellen Volkspartei Sierra Leones (SLPP), für das Amt des Vizepräsidenten kandidieren. Ansonsten sieht es an der Frauenfront düster aus. So finden sich unter den 1.283 Kandidaten für die Besetzung der Lokalräte nur 337 weibliche Bewerber.

Bangura macht die amtierenden Parlamentarierinnen dafür verantwortlich, dass ein Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter zugunsten einer Quotenregelung von 30 Prozent nicht verabschiedet wurde, für das sie und die Frauenbewegung des Landes hart gekämpft hatten. "Wir hefteten uns zwar an ihre Fersen, doch sie zeigten kein Interesse, Unterstützung für das Gesetz zu mobilisieren", erklärt sie. "Viele von ihnen werden nun nicht mehr ins Parlament zurückkehren. Ich hoffe, sie haben ihre Lektion gelernt."

Banguras Kritik richtet sich vor allem gegen den parlamentarischen Frauenausschuss. Mitglieder, die für Lobbyarbeit zugunsten der Quotenregelung zuständig gewesen seien, hätten kein Interesse gezeigt. Hinzu kam ein Streit darüber, welche Institution für die Umsetzung zuständig sein sollte, wäre das Gesetz rechtzeitig vor Ablauf der fünfjährigen Legislaturperiode am 25. September verabschiedet worden. "Keine der vorgeschlagenen Institutionen wurde gegründet, und wir haben Zeit verloren", beschwert sich die Frauenrechtlerin.


Kaum Frauen in Führungspositionen

Die politische Partizipation von Frauen in dem Staat mit 5,9 Millionen Einwohnern ist ohnehin sehr niedrig. Als das Parlament zu seiner letzten Sitzung zusammenkam, waren nur 17 der 124 Abgeordneten weiblich. 18,9 Prozent der Ratsmitglieder in den Lokalregierungen sind Frauen und keine davon ist eine Vorsitzende. Unter den leitenden Angestellten der öffentlichen Verwaltung machen sie gerade einmal zehn Prozent aus.

Henry Sheku von der Menschenrechtskommission Sierra Leones (HRCSL) zufolge hätte die Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes die Entwicklung seines Landes sicherlich positiv beeinflusst. "Es gibt sehr viele Frauen mit den erforderlichen Kenntnissen und Erfahrungen für Führungspositionen. Aufgrund eines schlechten Systems sind diese Frauen aber absichtlich ausgegrenzt worden", kritisiert er.

Navo Kai-Kai von der SLPP sieht aber noch andere Gründe für die abnehmende Zahl von Frauen, die sich bei der kommenden Wahl um hohe Ämter bewerben. Sie selbst sei von ihrem männlichen Herausforderer in der Partei, der auf das Amt des Vorsitzenden des Bezirksrats von Kailahun im Osten des Landes spekuliere, bedroht worden, nachdem er die parteiinternen Vorwahlen gegen sie verloren habe. "Ich war gezwungen, Kailahun unter Polizeischutz zu verlassen", berichtet sie. Da sie ihre Kandidatur somit nicht von der Partei bestätigen lassen konnte, war sie aus dem Rennen.

Mehrere Frauen schieden zudem aus, nachdem die Nationale Wahlkommission die Gebühren für die Nominierung drastisch erhöht hatte. "Ich zog meine Kandidatur sofort zurück, weil ich wusste, dass ich diese Mittel nur schwerlich auftreiben könnte und meine Partei mir nicht helfen würde. So habe ich meine Chance aus Mangel an Geld und Unterstützung eingebüßt", sagt Memuna Sapateh, die für die Volksbefreiungspartei antreten wollte.


Gebühren für Kandidaturen drastisch erhöht

Die Gebühren wurden für Präsidentschaftskandidaten von umgerechnet 250 US-Dollar auf etwa 250.000 Dollar heraufgesetzt, und für Parlamentarier und Stadträte von 25 Dollar auf 250 Dollar. Zivilgesellschaftliche Gruppen und die meisten der neun registrierten Parteien übten scharfe Kritik an dem Vorgehen der Wahlkommission.

Das Parlament gab allerdings am 10. September grünes Licht für die Erhöhung. Erst als Parteien mit einem Wahlboykott drohten, gestattete die Regierung den Kandidaten, die Gebühren nach dem Stand von 2007 zu zahlen, und sagte zu, die Differenz auszugleichen. (Ende/IPS/ck/2012)


Link:
http://www.ipsnews.net/2012/11/sierra-leone-women-shoot-themselves-in-the-foot-in-elections/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. November 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2012