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FRAUEN/523: Sri Lanka - Für die Frauen geht der Krieg weiter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. November 2013

Sri Lanka: Für die Frauen geht der Krieg weiter

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Srilankische Frauen beim Brunnenbau
Bild: © Amantha Perera/IPS

Batticaloa/Killinochchi, Sri Lanka, 11. November (IPS) - Auch wenn der Bürgerkrieg in Sri Lanka bereits seit vier Jahren vorbei ist, für die Frauen in den ehemaligen Konfliktgebieten im Norden und Osten des Inselstaates hat der Kampf noch kein Ende. Sie, die oftmals ihre Familien allein ernähren müssen, leiden nicht nur unter der großen wirtschaftlichen Not, sondern auch unter Ausbeutung, sexueller Belästigung und Ausgrenzung.

Während des 26-jährigen Krieges zwischen der Regierung und der Rebellenbewegung der 'Befreiungstiger von Tamil Eelam' (LTTE) wurden zwischen 1983 und 2009 viele Männer getötet, verletzt oder verschleppt. Eine große Zahl von Frauen sah sich damit dazu gezwungen, sich und die Familie aus eigener Kraft durchzubringen.

Ihre schwierige wirtschaftliche Situation macht Frauen anfällig für Ausbeutung. "Weibliche Haushaltsvorstände sind oft verzweifelt, weil sie zu wenig Geld haben", heißt es in dem Report 'Living with Insecurity: Marginalisation and Sexual Violence against Women in North and East Sri Lanka', der kürzlich von der britischen Organisation 'Minority Rights Group' (MRG) veröffentlicht wurde. Prostitution sei die Folge.

Wie das von der Anglikanischen Kirche geleitete Zentrum für ganzheitliche Heilung in Kilinochchi berichtet, haben sich vor vier Monaten 15 Frauen, die Hilfe in dem Zentrum gesucht hatten, mit Arbeitsvermittlern aus anderen Landesteilen getroffen. Seitdem sie den Bezirk verlassen haben, verliert sich ihre Spur. Das Zentrum befürchtet, dass sie zwangsprostituiert wurden.


Sexuelle Gewalt nimmt zu

Wie das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) bei einer im Juni durchgeführten Untersuchung herausfand, lassen viele Männer den Frust über den Verlust ihrer Arbeit zunehmend an ihren Frauen aus. "Wir erfuhren, dass sexuelle Gewalt gegen Frauen immer häufiger vorkommt. Zudem nimmt die häusliche Gewalt zu. Gründe sind unter anderem Alkoholmissbrauch und Frustration durch Arbeitslosigkeit", heißt es in dem Bericht, den OCHA nach Besuchen in sieben Distrikten in den nördlichen und östlichen Provinzen Sri Lankas erstellte.

Das UN-Büro hat außerdem in Erfahrung gebracht, dass immer mehr Frauen frühzeitig verheiratet und vergewaltigt werden. In der 19-seitigen Untersuchung wird wiederholt auf die Gefahren hingewiesen, denen Kinder, Behinderte, ältere Menschen und weibliche Haushaltsvorstände in den ehemaligen Bürgerkriegsgebieten ausgesetzt sind.

Laut dem MRG-Bericht leben in den Provinzen im Norden und Osten, deren Einwohnerzahl etwa 2,5 Millionen erreicht, mindestens 80.000 Witwen. In der Nordprovinz, in der einige der schwersten Gefechte in den letzten Kriegstagen 2009 stattfanden, gibt es ungefähr 40.000 weibliche Familienvorstände, wie das in Jaffna ansässige Zentrum für Frauen und Entwicklung mitteilte.

"Für die Frauen ist das Leben sehr hart", meint die Institutsleiterin Saroja Sivachandran. "Sie müssen ihre Familien in Regionen ernähren, in denen selbst Männer, die nicht im Krieg verletzt wurden, kaum Arbeit finden."

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) ermittelte bei einer Untersuchung im Juli, dass lediglich neun Prozent der zurückgekehrten 138.651 Familien in der Nordprovinz eine feste Beschäftigung haben. "Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei umgerechnet 17 US-Dollar und damit unterhalb der Armutsgrenze, die im April 2013 bei 28 Dollar festgelegt wurde", geht aus dem Bericht hervor.


Patriarchalische Gesellschaft

Farah Mihlar, Südasien-Expertin bei MRG, kritisiert, dass in der Region keine Erwerbsmöglichkeiten für alleinstehende Mütter geschaffen werden. Sivachandran weist außerdem darauf hin, dass Frauen, die keine gesunden männlichen Verwandten haben, in der patriarchalisch ausgerichteten tamilischen Gesellschaft diskriminiert würden. Das soziale System habe sich nicht verändert, obwohl Frauen im Krieg als Kämpferinnen in den Reihen der LTTE eine wichtige Rolle gespielt hätten.

Auch die Tamilin Kaleiwani, die heute Mitte 30 ist, war an vorderster Front an den Gefechten beteiligt. "Als ich ein Gewehr trug, hatten alle vor mir Respekt", sagt sie. "Heute bin ich dagegen ein Niemand, weniger als ein streunender Hund." Kaleiwani kämpfte von 1998 bis Anfang 2009 für die Tamilen-Tiger.

Nach einer Handverletzung hatte die LTTE jedoch keine Verwendung mehr für sie. Nach Kriegsende verbrachte sie einige Zeit in einem Rehabilitierungszentrum, bevor sie in ihr Heimatdorf im Distrikt Batticaloa im Osten der Insel zurückkehrte.

Doch selbst die eigene Familie wollte mit Kaleiwani nichts mehr zu tun haben. Ihre Schwester, die inzwischen einen Regierungsbeamten geheiratet hatte, bat sie, nicht mehr zu Besuch zu kommen, da sie sich nicht verdächtig machen wolle. Als sie sich um Hilfe an die Behörden wandte, musste sie sich sexistische Bemerkungen gefallen lassen.

Andere Frauen in der gleichen Situation haben ähnliche Erfahrungen gemacht. "Ich hätte ihn am liebsten geohrfeigt", sagte eine Witwe, die von einem Beamten belästigt wurde. "Wegen meiner drei Kinder, für die ich sorgen muss, habe ich aber lieber nichts gesagt." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.minorityrights.org/12117/press-releases/minority-women-in-sri-lanka-facing-increasing-levels-of-sexual-violence-and-insecurity.html
http://www.unocha.org/
http://www.ipsnews.net/2013/10/women-battle-on-after-lanka-war/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2013