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FRAUEN/536: Gambia - Mehr Frauen in die Politik, parteienübergreifende Kampagne gestartet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. April 2014

Gambia: Mehr Frauen in die Politik - Parteienübergreifende Kampagne gestartet

von Saikou Jammeh


Bild: © Saikou Jammeh/IPS

Isatou Touray, Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation 'Gambia Committee on Traditional Practices Affecting the Health of Women and Children', sieht in der starken Präsenz von Frauen in der gambischen Politik eine Voraussetzung für Entwicklung
Bild: © Saikou Jammeh/IPS

Banjul, 1. April (IPS) - In Gambia hat eine Frauengruppe eine Kampagne gestartet, die Politikerinnen aller Parteien zusammenbringen soll, damit sie Reformen zugunsten einer größeren politischen Beteiligung von Frauen voranbringen.

"Um es so auszudrücken: Wir wollen uns unser eigenes Wasser holen und mit den Männern aus dem gleichen Brunnen trinken", meinte Isatou Touray von der Frauenvereinigung 'Gambia Committee on Traditional Practices Affecting the Health of Women and Children' (Gamcotrap). Unterstützt wird die Gruppe vom 'National Endowment for Democracy', einer US-amerikanischen Non-Profit-Organisation.

"Was wir wollen, hat nichts mit Parteipolitik zu tun", versichert Touray. "Und ebenso wenig liegt uns daran, Männer zu entmachten. Es geht um Entwicklung und um eine Frauenpolitik, die zwar unterschiedliche Blickwinkel berücksichtigt, aber gemeinsam gefördert wird."

Wie aus den vorläufigen Ergebnissen der gambischen Volkszählung von 2013 hervorgeht, stellen Frauen mehr als 51 Prozent der fast 1,8 Millionen Gambier. Einer Untersuchung von 2011 zufolge stellen Frauen 58 Prozent der nationalen Wählerschaft. Genaue Zahlen, wie viele Frauen in Regierungs- und Führungspositionen zu finden sind, liegen weder auf nationaler noch lokaler Ebene vor - ungeachtet der Tatsache, dass Isatou Njie Saidy seit 1997 Vizepräsidentin von Gambia ist.

"In der 53 Mitglieder zählenden Nationalversammlung sind gerade einmal fünf Frauen anzutreffen. Vier wurden gewählt, eine weitere Frau wurde ernannt. Das ist ein Frauenanteil von nur neun Prozent", kritisiert Amie Sillah, Aktivistin und Politikerin, gegenüber IPS. "Und von 1.873 Dorfvorstehern sind gerade einmal fünf weiblich. Wir haben nicht eine einzige Gouverneurin und keine Bezirkschefin."


Frauen auf der Ersatzbank

Die innerparteilichen Strukturen weisen Frauen bestenfalls die Rolle der Stellvertreterin zu. Entscheidungspositionen bekleiden sie lediglich in den weiblichen Flügeln ihrer Parteien. Und die Mehrheit der politisch aktiven Frauen wendet ihre Zeit dafür auf, um Stimmen und Spenden für ihre männlichen Kollegen zu sammeln.

"In dem Auswahlgremien der Parteien bestätigt sich selbst dann, wenn die Frauen den Vorsitz führten, das Sprichwort: 'Sie (Männer) geben dir zwar den Kopf, aber nehmen dir die Zunge.' Männer geben dir nicht wirklich die Macht. Du verbreitest lediglich das, was sie wollen, das du verbreitest", betont Sillah.

Die Verfassung räumt Frauen das Recht auf politische Partizipation ein und verbietet jede Form einer geschlechtsbedingten Diskriminierung. Und obwohl in den vergangenen vier Jahren mindestens drei Gesetze zugunsten von Frauen verabschiedet wurden - das Frauenschutzgesetz von 2010 sowie die beiden von 2013 gegen häusliche Gewalt und gegen Sexualdelikte - bleiben Gambias Frauen auch weiterhin marginalisiert.

Aktivistinnen zufolge wurden die Gesetze verwässert, weil die Männer in der Politik das Sagen haben. "Die meisten wichtigen Frauenthemen wurden nicht in nationales Recht überführt. In den wenigen Fällen, in denen dies geschah, wurden die kritischen Passagen entfernt", berichtet Touray.

Sillah stimmt zu. "Sie haben alle Passagen, die in dem Frauenschutzgesetz tatsächlich wichtig waren, die mit Heiraten und Erbschaften zu tun haben, einfach gestrichen. Außerdem haben sie sich geweigert, das Gesetz gegen weibliche Beschneidung zu erlassen." Sillah ist für die Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent. "Es ist an der Zeit, dass Frauen die Stellen besetzen, die Gesetze machen, damit sie endlich für den Schutz der Rechte der Frau eintreten können."

Haddy Nyang-Jagne ist eine der vier einzigen weiblichen Abgeordneten. Sie sitzt für die regierende Allianz für patriotische Reorientierung und Aufbau (APRC) in der Nationalversammlung. Wie sie erklärt, hat die Regierung viel unternommen, um die Partizipation von Frauen in der Politik zu stärken. Die geringe Zahl weiblicher Abgeordneter führt sie vor allem auf kulturelle Barrieren zurück.

"Die Regierung hat das Umfeld geschaffen, hat Frauen sensibilisiert. Sieht so etwa eine Stigmatisierung aus?", fragt sie. Ihrer Meinung nach trauen sich viele Frauen einfach nicht, in die Öffentlichkeit zu treten, weil sie Angst haben, dass die Leute schlecht von ihnen sprechen könnten. Auch am Geld liege es nicht. In der APRC beispielsweise würden die Kandidaten mit Geld ausgestattet.

Nyang-Jagne zufolge verhindern auch religiöse Schranken ein politisches Engagement von Frauen. "Es gibt Personen, die dir weismachen, dass nach unserer Religion des Islams Frauen nicht politisch aktiv werden dürfen. Doch wir wissen, dass derartige Einwände jeder Substanz entbehren", meinte sie.


Schwere Zeiten für Oppositionspolitikerinnen

Oppositionspolitikerinnen wenden jedoch ein, dass sich der demokratische Spielraum für eine viel versprechende Mehrparteienlandschaft verringert habe. Festnahmen von politischen Gegnern seien zur Norm geworden.

Laut Mariama B. Secka, Generalsekretärin des Frauenflügels der oppositionellen Vereinigten Demokratischen Partei, ist es kein Zuckerschlecken, Teil der gambischen Opposition zu sen. Das Land ist seit 1996 ein Einparteienstaat. Damals gründete der Armeechef und heutige Staatschef Yahya Jammeh die APRC, nachdem er sich 1994 an die Macht geputscht hatte.

"Ich wurde von einer Frauengruppe zu einem Forum eingeladen. Als ich mich als Mitglied der Oppositionspartei vorstellte, wurde ich gleich von Buhrufen unterbrochen und beschimpft. Das ist wirklich nicht so einfach", schildert Secka. "Die einzigen Menschen, die daran etwas ändern könnten, wären die Wählerinnen, die in der Mehrheit sind."

Doch sei es gang und gäbe, dass noch nicht einmal die gebildeten Frauen wählen gingen, so Touray. Dennoch schließt sie die Möglichkeit nicht aus, dass eine Frau als Präsidentschaftskandidatin bei den Wahlen 2016 antreten könnte. "Natürlich ja! Warum denn nicht?", meint sie. "Die politische Landschaft ist für alle da. Frauen haben ein Recht, sich darin aufzuhalten. Uns geht es darum, gewählt und nicht nominiert zu werden." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/03/gambias-women-demand-seat-political-table/

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IPS-Tagesdienst vom 1. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2014