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FRAUEN/568: Diskriminierende Gesetze in Dutzenden Ländern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Februar 2015

Frauen: Diskriminierende Gesetze in Dutzenden Ländern - Jährliche Führungszeugnisse sollen Staaten an ihren Taten messen

von Thalif Deen


Bild: © Richard Mulonga/IPS

Frauen in Sambia auf einer Kundgebung für politische Gleichstellung
Bild: © Richard Mulonga/IPS

New York, 19. Februar (IPS) - In Dutzenden Ländern der Welt halten sich frauenfeindliche Gesetze, obwohl sie mit internationalem Recht unvereinbar sind. Darauf hat 'Equality Now', eine Frauenrechtsorganisation mit Sitz in New York, in einem Bericht hingewiesen und die Weltgemeinschaft aufgefordert, Abhilfe zu schaffen.

Durch viele dieser Gesetze werden Frauen ihrer elementaren Menschenrechte wie dem Schutz vor Gewalt, Vergewaltigung und innerfamiliärer Gewalt beraubt. In Malta müssen Männer, die eine Frau entführen, keine strafrechtliche Verfolgung fürchten, wenn sie ihre Opfer heiraten. Nigerianer dürfen ihre Frauen zu 'Erziehungszwecken' körperlich züchtigen. Im Kongo sind Frauen verpflichtet, mit ihren Ehemännern zusammenzuleben und ihnen dorthin zu folgen, wo sie sich niederlassen wollen. Frauen in Guinea ist es erlaubt, einen anderen Beruf auszuüben als ihr Mann, es sei denn, er ist dagegen.

Ein indisches Gesetz von 2013 stuft sexuelle Handlungen von Männern, die mit Mädchen über 15 Jahren verheiratet sind, nicht als sexuellen Missbrauch ein. Auf den Bahamas definiert ein Gesetz von 1991 Vergewaltigungen als außereheliche sexuelle Gewalt und erlaubt damit indirekt Vergewaltigungen in der Ehe. Saudi-Arabien wiederum hat 1990 eine Fatwa ausgesprochen, die den Frauen des Landes das Autofahren mit der Begründung untersagt, dass sich Situationen für lasterhaftes Verhalten bieten könnten.


Lebenslanges Leid

Wie Antonia Kirkland, Rechtsberaterin von Equality Now, erläutert, gibt der neue Bericht einen tiefen Einblick in das oftmals lebenslange Leid und Unrecht, das Frauen in Staaten erleiden müssen, die an diskriminierenden Gesetzen festhalten. "Wir fordern alle Staaten auf, in Übereinstimmung mit der Pekinger Aktionsplattform von 1995 für die Abschaffung solcher Gesetze zu sorgen."

Die Juristin erinnert daran, dass die UN-Vollversammlung bereits im Jahr 2000 die Dringlichkeit einer solchen Maßnahme betont hatte, indem sie den Staaten für die Abschaffung sexistischer Gesetzesregelungen eine Frist bis 2005 setzte. "Auch wenn das Ziel nicht erreicht wurde, ist seine fortgesetzte Priorisierung auch in der Entwicklungsagenda nach 2015 ermutigend."

Im September, 20 Jahre nach der historischen Frauenkonferenz von 1995 in Peking, werden die Vereinten Nationen bisherige Erfolge und Misserfolge Revue passieren lassen.

Im Umgang mit Frauenrechten seien Heuchelei und doppelte Standards weit verbreitet, und zwar nicht nur mit Blick auf die Versäumnisse bei der Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), des Pekinger Aktionsplans und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die alle Länder unterzeichnet haben, so Sanam Anderlini, Geschäftsführerin und Mitbegründerin von ICAN, einem globalen Netzwerk der Zivilgesellschaft.

Das eigentliche Problem bestehe darin, dass es grundsätzlich keine Geschlechtergleichheit gebe. So würden auch in den Industriestaaten Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als männliche Kollegen. Dass sich viele Staaten nicht an eingegangene Verpflichtungen hielten, bedeute, dass die Messlatte auch weiterhin niedrig gehalten werde.

"Wir sollten die Dinge beim Namen nennen", meint Anderlini, die erste Gender- und Inklusionsberaterin des UN-Standby-Teams aus Schlichtungsexperten (2011-2012). "Wir haben es mit einem universell sanktionierten Sexismus zu tun. Kulturelle Argumente werden vorgeschoben, um entsprechende Gesetzesänderungen zu verhindern."

Tatsächlich hielten Geschichte, Religionen und Traditionen bemerkenswerte Lehren für die Menschheit bereit. Sie seien oftmals fehlinterpretiert und - von Männern - zu Ungunsten der Frauen ausgelegt worden. Ein Beispiel sei die Lehre des Islams, demzufolge Männer und Frauen als Gleiche geschaffen wurden.

"Wir sollten auch nicht vergessen, dass es die viktorianischen Kolonialisten waren, die Ländern mit Kollektivbesitzverhältnissen und matrilinearen Systemen ihre Erbfolgeregelungen aufgedrückt haben, die den erstgeborenen Sohn begünstigen", so die ICAN-Chefin.

In diesem Zusammenhang kritisiert der Equality-Now-Bericht das neue kenianische Ehegesetz, das Polygamie auch ohne Zustimmung der Erstfrau erlaubt. Mali wiederum hat 2011 bei der Revision seines Familienrechts die Chance vertan, die Klausel zur Gehorsamspflicht von Ehefrauen zu entfernen. Und das neue iranische Strafrecht von 2013 hält an der Regelung fest, dass die Zeugenaussage von Männern mehr Gewicht hat als die von Frauen.


Doppelter Standard

Die gleichen Staaten, die die Gleichstellung der Frau als ausländische, westliche, koloniale oder unmoralische Forderung ablehnten, hätten andererseits kein Problem damit, westliche Errungenschaften und Produkte wie Medikamente, Waffensysteme, Technologien, Bildung, Medien und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Viagra und Pornografie anzunehmen", unterstreicht Anderlini. Diese westlichen 'Exporte' seien sicherlich weit weniger mit der Kultur, Religion und Tradition dieser Länder vereinbar, als die Gleichstellung der Frau in Fragen des Landbesitzes, der Bezahlung, der Staatsbürgerschaft und der Mobilität.

Derzeit tagt in Genf der UN-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, um sich mit einem weiteren Schwung von Berichten einiger der 188 CEDAW-Vertragsstaaten zu befassen, die deren Einhaltung des internationalen Vertragswerks belegen sollen. Zu den Staaten, die diesmal überprüft werden, gehören Aserbaidschan, Dänemark, Ecuador, Eritrea, Gabun, Kirgisistan, die Malediven und Tuvalu.

Nach Ansicht von Anderlini ist die Zeit für die Einführung eines alljährigen Führungszeugnisses reif, das den Grad der Heuchelei von Staaten im Umgang mit Frauenrechten messe. Ohne konkrete Maßnahmen seien Zusagen, Versprechen und sogar Ratifizierungen bedeutungslos. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/02/sexist-laws-still-thrive-worldwide/

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IPS-Tagesdienst vom 19. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2015

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