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FRAUEN/737: Argentinien - Geschafft! Tausende Aktivist*innen feiern die Legalisierung der Abtreibung (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Argentinien

Von außen: Geschafft! Tausende Aktivist*innen feiern die Legalisierung der Abtreibung



Begeisterte Demonstranten auf der Straße - Foto: Emergentes

Foto: Emergentes

(Buenos Aires, 14. Juni 2018, lavaca) - Die Partie zwischen der Gesellschaft und dem Kongress wurde auf mehreren Spielfeldern ausgetragen, und zwar gleichzeitig und ohne Atempause. Es war eine lange und intensive Partie mit dramatischen Momenten. Und es war die wichtigste der letzten Jahrzehnte. (...) Seitdem die grüne Flut auf ihr Spielfeld - die Straße - gegangen ist, war klar, dass sie zahlenmäßig überwältigend ist - genau wie in ihrer Überzeugung und Stärke. Nicht nur in Bezug auf die farblosen Aktionen der fundamentalistischen Gegner*innen der Abtreibung, sondern auch gegenüber den Hauptgegner*innen im Parlament, die nicht daran gewöhnt sind, die Forderungen der Gesellschaft zu vertreten.

Zelte, Bühnen und Pavillons breiteten sich ab dem Mittag über Callao bis Corrientes aus und weiter über die Avenida de Mayo hinweg. Auf der Protestmeile vereinte sich die gesammelte Energie und Leidenschaft und ein endloses Gewirr aus Stimmen, die alle das gleiche riefen. (...)

Die Losung war Gegenstand der politischen Analyse geworden: "Jetzt wo wir zusammenstehen, jetzt sehen sie uns." Was haben die Abgeordneten gesehen? Einige sahen die Kraft, andere die Gefahr, was sich auch in der nicht enden wollenden Liste der Redner*innen im Abgeordnetenhaus widerspiegelte (...). Während auf den Gängen und in einigen Büros Druck erzeugt, Strategien zurechtgelegt und Aufrufe sortiert wurden, trotzte die in Decken eingehüllte Masse auf der Straße allen politischen Windungen.

Später informierten die Abgeordneten, dass es eine lange Nacht werden würde. Es sollte auch die bisher kälteste des Jahres werden. Keine der beiden Nachrichten sorgte für Überraschung, die grüne Flut war vorbereitet. Sie zeigte Ausdauer und hatte Cumbia dabei, um die Morgendämmerung aufzuheizen.


Zahlreiche Menschen verfolgen gespannt die Debatte auf einer großen Leinwand - Foto: Emergentes

Foto: Emergentes

Im Abgeordnetenhaus versuchte man die Redner*innenliste zu kürzen, zum ersten Mal mit dem Verweis auf die Jugendlichen, die draußen in der Kälte ausharren. Die eigentliche Absicht war aber eine andere, eine schlechte. Das wurde deutlich, als sich die ersten Wasserwerfer am Kongress positionierten und sich Sicherheitskräfte im verwaisten Bereich der Gegendemonstrant*innen in Stellung brachten.

Es gibt Momente, in denen sich die Geschichte unsichtbar macht und das war einer. Man musste schon auf der Straße zu sein, um zu sehen, wie sie ihre Magie entfaltete. Auf dem Asphalt sitzend, mit Decken über den Schultern und dem grünen Tuch - nicht mehr um den Hals, sondern im Gesicht -, mit den glitzergeschminkten Wangen - nicht mehr für die Party, sondern als Kampfbemalung - starrten hunderte junge und sehr junge Menschen auf den Kongress. Es entstand eine gemeinsame Stille, die die eiskalte, durchwachte Nacht zum Glühen brachte.

Wie lange dauerte diese Spannung? - Zu lange.

Die Morgendämmerung hatte die Farbe von Stahl. Auf der Straße kam weitere Verstärkung an: Sie kamen zu zweit, zu zwanzigst, alleine, zu dreißigst, und schlossen sich dem Protest an, mit der gleichen starken und entschlossenen Haltung. (...)

Der Presse-Bereich im Kongress erwachte und sie machten dort mit ihren Übertragungen weiter, wo sie aufgehört hatten: Das Ergebnis ist immer noch nicht abzusehen. Die letzten Manöver wurden auf dem schlammigsten Spielfeld ausgetragen: Die Medien veröffentlichten die ersten Nachrichten und diese waren schlecht. Wenn sie damit eine Reaktion auf der Straße hervorrufen wollten, um die Abstimmung zu erschüttern, haben sie es wieder einmal nicht geschafft, denn die grüne Flut war wieder einmal vorbereitet: Sie glaubt den Medien nicht und verlässt sich auf die sozialen Netzwerke und weiß, wie sie sich vor Manipulation schützen kann.

Um 8.11 Uhr veröffentlichte der Abgeordnete aus La Pampa, Sergio Zillotto, dass die drei Abgeordneten aus seiner Provinz für den Gesetzesentwurf stimmen würden. Das wischte die letzten Zweifel weg und die grüne Masse stand auf mit dem Blick Richtung Kongress.

Bevor es zehn Uhr schlug, verabschiedete das Parlament die legale, sichere und kostenlose Abtreibung, mit Tränen, Umarmungen und Gesängen auf der Seite der Abgeordneten, die mit Ja gestimmt hatten. Die grüne Flut feierte diese Entscheidung und noch viel mehr. Sie feierte, dass wir diesen Berg, genannt Demokratie, bewegt haben.

Ein kurzes Video über diese Aktion findet sich hier [1].


Anmerkung:
[1] https://www.npla.de/poonal/von-aussen-geschafft-tausende-aktivistinnen-feiern-die-legalisierung-der-abtreibung/


URL des Artikels:
https://www.npla.de/poonal/von-aussen-geschafft-tausende-aktivistinnen-feiern-die-legalisierung-der-abtreibung/


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2018

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