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FRAUEN/814: Mexiko - Große Fortschritte für Frauenrechte in Oaxaca (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko
Große Fortschritte für Frauenrechte in Oaxaca

Von Knut Hildebrandt und Miriam Flores


(Oaxaca, 14. Januar 2020, npla) - Was Gewalt gegen Frauen betrifft, ist Mexiko das gefährlichste Land Lateinamerikas: Sieben Frauen werden täglich Opfer der als Feminizide bezeichneten Frauenmorde. Gut 95 Prozent dieser Morde bleiben straffrei. Das südmexikanische Oaxaca zählt zu den Bundesstaaten mit der höchsten Feminizid-Rate des Landes.


Direkter Zusammenhang zwischen Gewalt gegen Frauen und Machismo

Für Daniela García besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Gewalt gegen Frauen und Mexikos allgegenwärtigem Machismo. García ist Psychologin und Feministin. Zu Beginn ihrer Seminare stellt sie den Teilnehmerinnen immer die Frage, wann ihnen bewusst wurde, eine Frau zu sein. Und meist handeln die Antworten von Gewalt und Diskriminierung. Es gibt Formen von Gewalt und Diskriminierung, die Schlüsselerlebnisse für die Frauen sind. Das sind zum Beispiel Verbote und Einschränkungen: Sie dürfen nicht rennen, nicht auf Bäume klettern. Oder eben nicht studieren.

Dem alltäglichen Machismo Mexikos stellen sich eine Vielzahl feministischer Initiativen mit Anklagen und Forderungen entgegen. Einen großen Sieg errangen sie am 10. Juli 2019. An diesem Tag wurde in Oaxaca das so genannte Ley Olimpia verabschiedet. Laut dem neuen Gesetz werden diejenigen mit vier bis acht Jahren Gefängnis bestraft, die ohne Zustimmung intime, erotische oder sexuelle Inhalte über eine Person verbreiten.


Kampf gegen sexuelle Gewalt in sozialen Medien

Im Jahr 2014 wurde Olimpia Coral Melo Opfer solcher digitalen Gewalt. Als sie ein von ihr gemachtes Video erotischen Inhalts im Netz entdeckte, wurde ihr klar, dass sie etwas tun müsse. Und dann begannen sie ihren Kampf: "Wir sagten, dass unser Körper nicht für das Vergnügen in den sozialen Netzen da ist." Heute trägt das neue Gesetz Olimpia Corals Namen. Denn dank ihrer Initiative ist es bereits in der Hälfte der mexikanischen Bundesstaaten in Kraft getreten.

Maritrini Aicra ist Menschenrechtsverteidigerin und kämpft für die Stärkung der Rechte von Frauen. Als feministische Aktivistin setzte sie sich für die Verabschiedung des Ley Olimpia in Oaxaca ein. Aicra berichtet von den Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, um ein geschlechtsspezifisches Gesetz wie das Ley Olimpia durchzusetzen.

Sie brachte feministische Anwältinnen und Spezialistinnen zusammen. Gemeinsam entschieden sie, dass die Rechte der Frauen im Mittelpunkt stehen sollen. Denn die Darstellung intimer Details betrifft zwar Frauen und Männer gleichermaßen, aber Frauen sind von dieser Form von Gewalt stärker betroffen.


Abtreibungen in Oaxaca legalisiert

Nur wenige Monate nach diesem großen Sieg für die Frauenrechte folgte ein weiterer: Das Parlament Oaxacas entschied, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche straffrei sind. Darüber hinaus verpflichtete es den Staat sicherzustellen, dass Kliniken Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Damit ist Oaxaca der zweite Bundesstaat Mexikos, in dem Abtreibungen legal möglich sind. Vor über zwölf Jahren wurden sie bereits in Mexiko-Stadt legalisiert.

Als Vorsitzende der Gruppe für Frauenstudien "Rosario Castellanos" begleitete Ángelica Ayala den Gesetzgebungsprozess. Für Ayala gibt es noch viel zu tun, damit das Recht auf Schwangerschaftsabbruch auch praktisch umgesetzt wird. Denn es wird noch dauern, bis die nötige Infrastruktur geschaffen und das Personal geschult sein wird. Die Zivilgesellschaft muss deshalb das Thema weiter im Auge behalten.


Konservative bekämpfen die neuen Gesetze

Trotz, oder vielleicht gerade wegen der Fortschritte bei der Gesetzgebung zur Garantie der Rechte von Frauen versuchen konservative Gruppen alles, um die Anwendung der Gesetze zu verhindern. Anfang Dezember 2019 klagte eine Gruppe von Medizinern für ein Recht auf Verweigerung von Abtreibungen.

Das scheint insofern wenig Sinn zu haben, da das mexikanische Gesetz bereits eine Verweigerung aus Gewissensgründen garantiert. Angélica Ayala sieht hinter der Klage weitergehende Ziele. Sie weiß, dass konservative Kreise Druck machen, damit das Gesetz nicht angewendet wird. Die Konservativen stellen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Frage. Ayala geht aber davon aus, dass der Oberste Gerichtshof Mexikos diese bestätigen wird.


Ein Wandel, weil Frauen sich gegen Gewalt organisieren

Für Daniela García sind die Fortschritte des letzten Jahres ein Zeichen dafür, dass sich die mexikanische Gesellschaft im Wandel befindet. Sie spricht von einer Übergangsgeneration, die dabei ist zu lernen, sich der strukturellen Gewalt gegen Frauen entgegen zu stellen. Doch großen Teilen der Gesellschaft, allen voran den Männern, gefällt es nicht, dass Frauen selbständig werden.

Und da kommen die Schuldgefühle ins Spiel. Die Schuld ein eigenes Sexualleben zu haben, die Schuld Erfolg zu haben oder einfach etwas nur für sich selbst zu machen. Diese Schuldgefühle sollen die Frauen einschränken und an ihre traditionelle Rolle binden.

Um der strukturellen Gewalt etwas entgegenzusetzen und die Wahrung ihrer Rechte einzufordern, organisieren sich immer mehr Frauen in feministischen Gruppen. Eine dieser Gruppen trifft sich jeden Donnerstag in Oaxaca. Unter Anleitung von Daniela García tauschen sich die Frauen über ihre Gefühle und Probleme aus und unterstützen sich gegenseitig.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2020

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