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GENDER/007: Zum Stand der Lesbenbewegung in Namibia (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 108, 2/09

Alle Menschenrechte für alle!
Zum Stand der Lesbenbewegung in Namibia

Von Liz Frank


Ein Jahr vor der nationalen Unabhängigkeit im Jahr 1990 gründeten feministische Frauen unterschiedlichster Herkunft die Organisation Sister Namibia in Windhoek - mit dem Ziel, durch eine Zeitschrift die Stimmen von Frauen in die Staatsbildung und die demokratische Entwicklung miteinzubeziehen. Die Autorin blickt auf 20 Jahre erfolgreiche Aufbauarbeit zurück und gibt einen Einblick in die momentanen Herausforderungen.


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Obwohl lesbische Frauen führend bei der Gründung der Zeitschrift Sister Namibia dabei waren, dauerte es einige Jahre, bevor das Thema Lesben darin aufgegriffen wurde. Lesben begannen langsam zueinander zu finden. Zum fünfjährigen Bestehen veröffentlichten wir eine Anthologie mit Kurzgeschichten und Gedichten - lesbische Liebesgedichte füllten ein Kapitel, und wir trugen sie auf einem Frauenkulturabend stolz vor, in dem naiven Glauben, Freiheit für Namibia bedeute auch Freiheit für Lesben in diesem Land.


Allianzen

Ein Jahr später fielen wir aus allen Wolken. Kaum hatte Präsident Robert Mugabe 1995 die Gays and Lesbians of Zimbabwe aus der internationalen Buchmesse in Harare mit den Worten "They are worse than pigs and dogs!" verbannt, schon bliesen namibische Staatsminister ins selbe Horn. Sister Namibia stellte sich der rapiden Politisierung des Themas mit Artikeln im eigenen Heft und Leserinnenbriefen und Presseerklärungen an andere Medien. Als Staatsoberhaupt Nujoma und Innenminister Ekandjo zur Verhaftung, Deportation und Eliminierung von Lesben und Schwulen aufriefen, meldeten sich unsere schwulen Brüder und wollten bei Sister Namibia für die Verteidigung unserer Menschenrechte mitarbeiten. Wir beschlossen stattdessen, gemeinsam das Rainbow Project zu gründen, das nun seit über zehn Jahren für die Rechte sexueller Minderheiten in Namibia kämpft.

Eine unserer ersten gemeinsamen Aktionen war eine Podiumsdiskussion an der Technischen Hochschule, an der meine Lebenspartnerin Elizabeth Khaxas, damals Schulleiterin, teilnahm, und deren Beitrag per Rundfunk ins ganze Land getragen wurde. War das ein Coming-out! Nachdem sie 1999 die Projektleitung bei Sister Namibia übernommen hatte, fanden viele junge Lesben ihren Weg zu uns. Wir veranstalteten mehrere nationale und lokale Workshops zum Thema Feminismus, Frauenrechte, Lesbenrechte.

Unsere Zusammenarbeit in Sister Namibia war einigen PolitikerInnen ein Dorn im Auge, vor allem als wir es wagten, vor Gericht meine Aufenthaltsberechtigung einzuklagen aufgrund unseres Familienlebens - Elizabeth's Sohn Ricky war knapp sechs Jahre alt, als wir zusammenzogen. Gleichzeitig bauten wir eine Bewegung für mehr Frauen in der Politik auf - da schlugen die Wellen hoch, und allen voran versuchte die damalige Frauenministerin, Sister Namibia aus der Frauenbewegung herauszuspalten, ohne Erfolg. Die vielen Frauen landauf landab, die wir durch nationale und lokale Trainings zur Beteiligung an der Politik mobilisiert hatten, hielten zu uns, und wir forderten gemeinsam im "Namibian Women's Manifesto" die Anerkennung der Menschenrechte von lesbischen Frauen.

Den Gerichstfall haben wir letztendlich verloren, da die Herren Richter im Verfassungsgericht sich nicht genötigt sahen, aufgrund der vorliegenden Gesetzeslage die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Familien zu unterstützen. Meine Aufenthaltsberechtigung bekam ich aber dennoch - aufgrund meiner "Gender"-Arbeit bei Sister Namibia.


Lebensgeschichten und politische Analysen

2004 nahm Elizabeth an einem regionalen Projekt teil, das biographische Interviews mit lesbischen Frauen in verschiedenen Ländern zusammentrug und das auf der Konferenz "Sex and Secrecy" in Johannesburg dabei war. Die Ergebnisse sind in dem Band "Tommy Boys, Lesbian Men and Ancestral Wives" veröffentlicht. Durch diese Zusammenarbeit entstand die Idee einer afrikaweiten Lesbenorganisation. Realisiert wurde die Coalition of African Lesbians (CAL) durch die Zusammenarbeit dreier namibischer Organisationen: durch Sister Namibia, das Womens Leadership Centre und das Rainbow Project. Wir luden Lesbenorganisationen aus elf Ländern nach Windhoek zur Projektplanung und veranstalteten hier ein Jahr später das erste Lesbian Leadership Institute, auf dem feministische Ansätze für Lesbenpolitik diskutiert wurden, wo eine Einführung in Interviewtechniken zur biographischen Forschung dargeboten wurde und wo wir kreatives Schreiben erprobten, um das persönlich Erlebte politisch zu analysieren. Interviews und Texte aus den verschiedenen Ländern sollen in einer CAL-Publikation veröffentlicht werden.

Inzwischen hat CAL ein Sekretariat mit vier Mitarbeiterinnen in Johannesburg. Zweimal im Jahr fahren sie nach Banjul, Gambia, dem Sitz der African Human Rights Commission, um die CAL-Mitgliedsorganisationen dabei zu unterstützen, dass die offiziellen Regierungsberichte ihrer Länder zur Realisierung der Menschenrechte auch die Erfahrungen von Lesben aufnehmen. So langsam beginnen sich die Mitglieder der Kommission für das Thema zu interessieren und erbitten sich weitere Unterlagen. Auch die Nichtregierungsorganisationen, die sich jedesmal vor der Kommissionssitzung zum dreitägigen Erfahrungsaustausch treffen, werden offener für unsere Parole: All human rights for all!


Rückschläge überwinden

CAL unterstützt auch Gerichtsverhandlungen in einzelnen Ländern wie jüngst in Uganda, wo zwei Transgender-Personen einen Prozess gegen den Staat gewannen, nachdem sie auf einer Polizeistation zur Feststellung ihres Geschlechts zur körperlichen Untersuchung gezwungen worden waren. Dieser Sieg hat leider zu einem großen backlash geführt: Rechts-religiöse Gruppen aus den USA "bekehren" schwule Männer, die nun öffentlich behaupten, sie hätten Gelder von internationalen Organisationen bekommen, um Schulkinder zum Schwulsein zu rekrutieren. Und ParlamentarierInnen rufen nach einem Gesetz, das Homosexualität verbieten soll.

Auch in Namibia kann sich das politische Klima wieder gegen uns richten, wenngleich zur Zeit relative Ruhe herrscht. Vor allem in Wahljahren werden verschiedene Minderheiten zu Sündenböcken gemacht, allen voran wir Lesben, da wir durch unsere regelmäßige Berichterstattung zu diesem Thema in unserer Zeitschrift auffallen - jede Ausgabe wird an alle Staatsminister verteilt, an alle ParlamentarierInnen, Regional- und KommunalvertreterInnen und an die traditionellen Stammesführer als "Hüter der Kultur".

Die Spannung zwischen modernem und traditionellem/feudalem Rechtsverständnis wird größer, je mehr wir zentrale Bereiche patriarchaler Machtverhältnisse wie die Kontrolle weiblicher Körper und ihrer Sexualität durch Männer in Frage stellen. Mit unserer neuen Kampagne "Women claiming their sexual rights" decken wir diverse Kulturpraktiken auf, die Mädchen und Frauen sexuell unterdrücken und HIV/AIDS verbreiten. Wir erarbeiten gerade die Broschüre "Sexual rights are human rights" zur politischen Aufklärung und wollen nächstes Jahr ein Buch zur Sexualaufklärung für Mädchen und Frauen in den sieben Haupt-Landessprachen entwickeln, das zum Widerstand gegen harmful cultural practices auffordert. Selbstverständlich werden wir die Rechte von lesbischen Frauen auf sexuelle Selbstbestimmung und Autonomie in diese Materialien mit einschließen.


Arbeit trägt Früchte

Sister Namibia feiert dieses Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum und wir blicken mit Stolz zurück auf das, was wir erreicht haben. Wir sind wahrscheinlich die einzige feministische Frauenorganisation in Afrika, die von Anfang an offene Türen für Lesben hatte und offen für Lesbenrechte eingetreten ist. Wir haben sowohl im Rainbow Projekt wie auch in CAL eine feministische Grundlage gelegt, die weiterlebt. In Namibia gibt es jetzt viele junge Lesben, die offen leben wollen und sich für Frauenpolitik interessieren. In unserer Zeitschrift und den Publikationen des Women's Leadership Centre melden sie sich selbstbewusst zu Wort.

Auch verschiedene Institutionen werden offener: Kirchengemeinden und das Paulinum (Institut für Pastoralausbildung) laden uns zum Thema Lesbenrechte ein, und manche HochschullehrerInnen der University of Namibia bauen einen Besuch von Sister Namibia in ihren Lehrplan ein. Dennoch ist viel mehr Aufklärungsarbeit nötig, vor allem in Schulen, in der Elternschaft, in den teacher training colleges und unter StudentInnen. Wir planen in den kommenden Jahren, die sexual rights campaign an diese Gruppen und Institutionen heranzutragen. Jedoch schrumpfen die finanziellen Mittel und wir verbringen immer mehr Zeit damit, neue FörderpartnerInnen zu finden, damit die Arbeit weitergehen kann. Wir haben vor, im August auf der Out-games-Konferenz in Kopenhagen über die Arbeit von Sister Namibia und das Women's Leadership Centre zu berichten - vielleicht begegnen wir uns da!


Anmerkung:
(1) Die Zeitschrift Sister Namibia und das Buch Tommy Boys, Lesbian Men and Ancestral Wives liegen in der Bibliothek der Frauensolidarität auf.


Zur Autorin:
Liz Frank ist Leterin von Sister Namibia und Chefredakteurin der gleIchnamigen Zeitschrift. Sie lebt seit 20 Jahren in Namibia mit ihrer namibischen Lebenspartnerin Elizabeth Khaxas und deren Sohn Ricky.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 108, 2/2009, S. 12-13
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Berggasse 7, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-355
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Inland 20,- Euro; Ausland 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2009