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GENDER/038: "African Pride" und Hassverbrechen gegen sexuelle Minderheiten in Südafrika (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 135, 1/16

Überwindung der Opferrolle

"African Pride" und Hassverbrechen gegen sexuelle Minderheiten in Südafrika

Interview mit der Filmemacherin Laura Fletcher von Digital Development Debates [1]


Verbrechen, die aus Hass gegen sexuelle Minderheiten begangen werden, sind noch immer ein global verbreitetes Phänomen. Nationale Regierungen sind oft nicht gewillt, sich gegen Homophobie und Intoleranz auszusprechen. Südafrika gilt innerhalb Afrikas als Vorbild in Bezug auf seine relativ liberale Gesetzgebung gegenüber Homosexuellen und Lesben. Doch die Praxis schaut anders aus: Gewalttätige Übergriffe nehmen zu. Die Filmemacherin Laura Fletcher behandelt in ihrer Dokumentation "African Pride" diese Diskrepanz. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen als Filmemacherin in Südafrika und darüber, wie Aktivist_innen gegen Homophobie ankämpfen.

Die Rechtsprechung in Südafrika bietet sexuellen Minderheiten kaum Schutz, obwohl die Gesetzgebung wie auch die Verfassung in Südafrika lesbischen und homosexuellen Bürger_innen eine Reihe von Rechten zuspricht. Nichtsdestotrotz sind aus Hass motivierte Verbrechen gegen Lesben in den Townships alltägliche Realität. Anstatt darüber zu schweigen, haben betroffene Frauen begonnen, sich zu organisieren, ihre Stimmen zu erheben und dagegen anzukämpfen.

Die irische Filmemacherin Laura Fletscher hat einige dieser Aktivistinnen getroffen und ihnen ihre Dokumentation "African Pride" gewidmet. Der Film hat gerade die "Green Rose for Best Documentary with a Global Message" des Jaipur International Film Festivals in Indien gewonnen. Digital Development Debates (DDD) hat mit Laura Fletscher (L. F.) gesprochen.


DDD: Homophobie wird oft mit afrikanischen Ländern wie Nigeria oder Uganda assoziiert. Südafrika wird kaum kritisiert, sondern aufgrund der Gesetzgebung eher als Vorbild gesehen. Wie steht es mit Homophobie in Südafrika?

L. F.: Mein Film handelt nicht so sehr von Homophobie. Es geht eher darum zu zeigen, wodurch sich Menschen mobilisieren lassen und wie sie versuchen, Veränderungen herbeizuführen. Die Personen, die ich im Film porträtiere, waren diesem Hass und der Gewalt ungeschützt ausgesetzt, obwohl die Gesetze des Landes sie eigentlich schützen müssten. "African Pride" zeigt, dass Südafrika in Bezug auf gleichgeschlechtliche Paare eine vorbildliche Gesetzgebung hat. Es ist das erste und einzige Land in Afrika, das Gesetze zugunsten gleichgeschlechtlicher Ehen erlassen hat.

Als ich in Südafrika gelebt und gearbeitet habe, wurde ich auf Berichte aufmerksam, die von aus Hass motivierten Übergriffen auf lesbische Frauen berichteten. Interessant dabei war, dass Stimmen aus der Regierung laut wurden, die forderten, dass etwas innerhalb Südafrikas gegen sexualisierte Gewalt getan werden müsse, ebenso war ein Widerwille gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen hörbar.

DDD: Im Film geht es vor allem um Gewalt in den Townships. Ist das nur ein Problem der Gay Community, oder gibt es ein generelles Gewaltproblem?

L. F.: Die Gründe, wieso Menschen gewalttätig werden, sind vielfältig und stehen im Kontext von Armut, Bildung, Geschichte, Patriarchat und Kultur. Eine Organisation, mit der ich gearbeitet habe - "Sonke Gender Justice" -, die von Männern gegründet wurde, versteht geschlechtliche Gewalt als neue Apartheid. Deshalb organisieren sie Workshops für Männer zu diesem Thema. Während der Apartheid war Gewalt ein Werkzeug des Machterhalts. Von daher ist es schwierig, diese in der Gesellschaft verankerte patriarchale Gewalt abzubauen.

Was mir oft zu verstehen gegeben wurde, war, dass Lesben in einem Township, das von hoher Arbeitslosigkeit, sexualisierter Gewalt und patriarchalen Geschlechterbeziehungen geprägt ist, einen Backlash auslösen können. Menschen, die mit ihrer eigenen Armut und unsicheren Lebensbedingungen zurechtkommen müssen, haben für diejenigen, die aufgrund ihres Andersseins ins Visier genommen werden, wenig Solidarität und Mitgefühl. Was ich auch oft gehört habe, war, dass Lesben, Schwule und Transgender etwas Unafrikanisches, eine Art westliches Konstrukt seien.

DDD: Arbeiten Lesben auch mit Schwulen, Transgender oder anderen Minderheiten zusammen? Und wie beeinflussen diese problematischen Aspekte das alltägliche Leben in der LGBTQI-Community? Wie kann man sich das Leben Homosexueller und Lesben in den Townships vorstellen?

L. F.: Es gibt "homosexuelles und lesbisches Leben", vor allem in den Lesben-, Schwulen-, Transgender-Netzwerken innerhalb der Townships: Schwarze lesbische Organisationen, wie das "Forum for the Empowerment of Women" oder "Free Gender", aber auch schwule, lesbische, bisexuelle, transgender und intersexuelle Organisationen, wie "Wkurhulene Pride Organizing Committee" (EPOC). EPOC wurde gegründet, weil drei Lesben aus der Community innerhalb von vier Jahren getötet worden waren. EPOC hat sich dieser Fälle angenommen, ging vor Gericht, hat Märsche und Prides organisiert und inkludiert nun auch Transgender. Wie eine Aktivistin gesagt hat: "Es ist hart, eine Schwarze Lesbe im Township zu sein." Trotzdem müssen wir bedenken, dass es manchmal auch hart sein kann, eine Lesbe in einer konservativen Stadt in den USA zu sein.

DDD: Die Dokumentation stellt vor allem Schwarze Organisationen in den Townships in den Fokus. Wie ist die LGBTQI-Community in Südafrika organisiert? Wie interagieren diese mit Weißen Organisationen?

L. F.: Es gibt große City Prides - Johannesburg hat die längste Geschichte an afrikanischen Prides, dann gibt es noch die in Kapstadt und in Durban. Manche Aktivist_innen hinterfragen diese Events. Sie meinen, dass der andauernde alltägliche Kampf im Widerspruch zu diesen Feiern steht. Zu diesen Prides kommen nicht nur Schwarze Aktivist_innen, sondern unterschiedlichste LGBTQI-Aktivist_innen. Es gab auch Initiativen, um die verschiedenen Gruppen zusammenzubringen - wie die von Eugene Brockman gestaltete Gay Pride-Flagge von Südafrika. Außerdem wurde eine Art "Priscilla-Königin der Wüste"-Tour gemacht, bei der kostümierte Drag-Künstler_innen in einem Minibus durch Südafrika reisten. Homophobie gibt es natürlich auch in den Weißen Gemeinden, und auch Übergriffe. Aber die Leute sind sicherer, hinter Zäunen, in Autos ... Leider spielt Geld auch hier eine Rolle.

DDD: Wie haben Sie die Aktivist_innen überzeugt mitzumachen? Wurden Sie als Journalistin und Weiße mit Vorbehalten konfrontiert?

L. F.: Da war eindeutig Skepsis, und ich verstand das. Wenn du als Journalist_in oder Dokumentarfilmemacher_in eine Geschichte erzählen willst, dann brauchst du jemanden, der die Geschichte erzählt. Ich dokumentierte eine Bewegung, wo Menschen sich entschlossen haben, sich öffentlich zu zeigen und zu sprechen. Ich wollte diesen Menschen eine Plattform bieten, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Ich dachte auch, dass es wichtig sei, nicht mit Repräsentant_innen dieser Gruppen zu sprechen, sondern den Aktivist_innen selbst eine Stimme zu geben. Aus diesem Grund gibt es auch keine Kommentare im Film.

DDD: Danke für das Interview!


Anmerkung:
[1] Dieser Artikel erschien erstmalig auf Englisch in Digital Development Debates (www.digital-development-debates.org).

Übersetzung aus dem Englischen: Angelika Derfler

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 135, 1/2016, S. 12-13
Medieninhaberin und Herausgeberin:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2016

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