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INTERNATIONAL/085: Papua-Neuguinea - Kleinkriminelle resozialisieren sich als Imker (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. April 2012

Papua-Neuguinea: Bienen läutern Gangster

von Catherine Wilson



Goroka, Papua-Neuguinea, 11. April (IPS) - Im östlichen Hochland von Papua-Neuguinea hat die Bienenzucht Dutzende Kriminelle 'resozialisiert'. Aus den vorwiegend jungen Leuten, die mit Raubüberfällen, Erpressungen und Autodiebstählen ihr Umfeld terrorisierten, sind Imker geworden, die sich und ihrem Heimatdorf eine Zukunft bieten.

Kamanabe, in dem etwa 4.000 Menschen leben, liegt am Ende eines unbefestigten Weges, der von der Hauptstraße abzweigt. Der nächste Erste-Hilfe-Posten ist erst in sechs bis sieben Stunden erreichbar. Die meisten Menschen in dem Ort erwirtschaften gerade das, was sie dringend zum Leben brauchen.

Da die Böden für den Ackerbau ungeeignet sind, wird in Kamanabe viel Marijuana angebaut. Das hat dem Dorf, in dem es an vielem fehlt, Einkünfte gebracht. Der Handel mit der Droge und ihr Konsum haben in Verbindung mit der verbreiteten Armut kriminellen Aktivitäten Vorschub geleistet. Es kam zur Gründung einer 'Raskol', wie in Papua-Neuguina Gangs bezeichnet werden, die Autos knacken, von Überfällen leben oder Gelder erpressen.


Armut als Nährboden der Kriminalität

2006‍ ‍hatte das von dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP unterstützte unabhängige Forschungsprojekt 'Small Arms Survey' des Genfer Hochschulinstituts für internationale Studien eine Untersuchung über bewaffnete Kriminalität in Papua-Neuguinea durchgeführt. Dabei kam heraus, dass die wirtschaftlichen und beruflichen Entwicklungschancen für die rasch zunehmende Bevölkerung äußerst gering sind. Die Experten folgerten, dass diese Realität zusammen mit der sozialen Ungleichheit die Kriminalität vorangetrieben hat.

Laut einem Bericht des 'National Research Institutes' liegt die durchschnittliche Lebenserwartung im östlichen Hochland bei nur 55 Jahren. UNDP hat dagegen einen landesweiten Durchschnittswert von 62 Jahren ermittelt. Lediglich 51 Prozent aller Männer und 36,5 Prozent der Frauen können lesen und schreiben. Im nationalen Durchschnitt sind hingegen beide Geschlechter zu 60 Prozent alphabetisiert.

Die meisten Einwohner der Provinz haben kaum Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Die Hälfte von ihnen lebt in einem Umkreis von fünf Kilometern von einer Nationalstraße entfernt. Ein Sprecher der Polizeiwache in Goroka, der nächstgelegenen größeren Stadt, weist aber darauf hin, dass die Zahl der Verbrechen entlang der Straße nahe Kamanabe deutlich zurückgegangen sei. Seit Januar dieses Jahres seien keine nennenswerten Vorfälle bekannt geworden.

Diese Entwicklung hängt sicherlich damit zusammen, dass Felix Masi, der frühere Chef der Verbrecherbande von Kamanabe, inzwischen Vorsitzender der Jugendgruppe 'Herave' ist. Ihr gehören ehemalige Mitglieder seiner Gang an, die der Kriminalität den Rücken gekehrt haben. Sie alle wollen dem Dorf nun mit der Zucht von Honigbienen ein besseres Auskommen sichern.

"Wir haben uns entschieden, unser Leben zu ändern, um uns in die Dorfgemeinschaft einzubringen und etwas Sinnvolles mit unserem Leben anzufangen", sagt Masi. "Der Boden ist nicht gut und eignet sich nicht für den Ackerbau. Deshalb denken wir, dass wir mit der Honigproduktion gute Einkünfte erzielen können."

Elizabeth Kelly, Koordinatorin des von Papua-Neuguinea und der australischen Regierung getragenen Entwicklungsprojekts 'Strongim Pipol Strongim Nesen' (Stärkt das Volk, stärkt die Nation), hilft den Jugendlichen dabei, ihre Projektidee weiterzuführen und Finanzierungsmöglichkeiten zu finden.

"Der Gruppe gehören Menschen an, deren Lebensführung der Dorfgemeinschaft nicht gefiel", sagt Kelly. "Der Vorteil des Projekts ist, dass sich die Mitglieder damit ihren Unterhalt verdienen und für sich selbst sorgen können." Die neuen Imker hätten erkannt, dass sie wenig Land und Ressourcen benötigten, erklärt sie. Die Arbeit halte sich ebenfalls in Grenzen. Und die Marktchancen würden als gut beurteilt.

Die Honigproduktion ist für das südostasiatische Land kein wichtiger Wirtschaftszweig. Doch ist das Klima der Bienenzucht sehr förderlich. Während der vergangenen zwei Jahre haben die Provinzbehörde für Landwirtschaft und Viehzucht und eine Vereinigung zur Förderung der Viehzucht den jungen Geschäftszweig aktiv gefördert - vor allem mit Blick auf den Inlandsmarkt.

Die Herave-Jugendgruppe besteht derzeit aus etwa 100 Mitgliedern, die nach Zahlung einer Aufnahmegebühr an dem Projekt mitarbeiten und an den Einkünften beteiligt werden. Etwa 35 Familien in Kamanabe profitieren direkt von der Honigproduktion. Jeder Bienenstock kann bis zu 30 Kilo Honig hervorbringen. Die Mitglieder der Jugendgruppe können somit umgerechnet bis zu sechs US-Dollar an einem Kilo Honig verdienen.


Gleiche Chancen für Frauen

Wie Kelly betonte, kam die Idee von den Jugendlichen selbst. "Wir erleichtern ihnen nur die Durchführung", erklärte sie. Auch auf die Gleichbehandlung der Geschlechter wird geachtet. Männer arbeiten hier Seite an Seite mit ihren Frauen. Die Zugehörigkeit zu der Gruppe stärke den Familienzusammenhalt, meint sie.

Wie Masi betont, erwerben Männer und Frauen die gleichen Fähigkeiten und treffen gleichberechtigt Entscheidungen für das Projekt. Das ist von besonderer Bedeutung für ein Land, über das die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) festgestellt hat, "dass Frauen keinen gleichberechtigten Zugang zu Bildung haben und auf dem Arbeitsmarkt gegenüber Männern im Nachteil sind". Frauen in Papua-Neuguinea haben demnach erhebliche Schwierigkeiten, sich finanziell auf eigene Beine zu stellen.

Die Aussicht auf ein besseres Auskommen hat in dem Dorf bereits Harmonie gestiftet. "Das Projekt macht die Menschen glücklich", meint Masi. "Mit dem Drogenmissbrauch und anderen Delikten ist es nun vorbei. Und wir haben ein Auskommen." (Ende/IPS/ck/2012)

Links:
http://www.smallarmssurvey.org/
http://www.ausaid.gov.au/country/trans-png/democratic-governance-init1.cfm
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=107338

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2012