Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

INTERNATIONAL/154: Asien - "Rosa Tourismus", sexuelle Minderheiten stoßen vielerorts auf mehr Akzeptanz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. September 2013

Asien: 'Rosa Tourismus' im Aufschwung - Sexuelle Minderheiten stoßen vielerorts auf mehr Akzeptanz

von Sudeshna Sarkar


Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Lesbisches Paar aus den USA lässt sich in Nepal trauen
Bild: © Sudeshna Sarkar/IPS

Kolkata, 4. September (IPS) - Als Naomi Fontanos 2002 in Boracay auf den Philippinen Urlaub machte, reagierten Hotels, Restaurants und Geschäfte abweisend auf Angehörige sexueller Minderheiten. Der beliebte Ferienort südlich der Hauptstadt Manila habe die "Engstirnigkeit" der damaligen philippinischen Gesellschaft gespiegelt, sagt die Gründerin von 'Gender and Development Advocates Filipinas', einer lokalen Transsexuellenvereinigung. In den folgenden zehn Jahren hat sich jedoch eine Menge getan.

Bei ihrer Rückkehr im November 2012 sah Fontanos vor ihrem Hotel eine regenbogenfarbige Flagge wehen - ein Zeichen dafür, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle (LGBT) dort willkommen sind. Auch andere Tourismuseinrichtungen öffnen ihnen inzwischen demonstrativ die Türen.

"LGBT-Leute nehmen mehr Urlaub und reisen mehr", bemerkt Tris Reid-Smith, Chefredakteur der britischen Nachrichtenwebsite 'Gay Star News', die über internationale Themen berichtet. Der 'rosa Dollar' werde für die Touristikbranche zunehmend wichtig. "In Zeiten der Rezession in Europa und Nordamerika können sich immer weniger Familien Urlaube leisten. Zuerst müssen sie für Essen, Gas und die Schulausbildung der Kinder zahlen. LGBT-Familien sind kleiner und können daher leichter Reisen bezahlen."

Die Touristikbranche hat längst erkannt, dass sie diesen Kundenkreis umwerben müssen, um ihre Einnahmen zu steigern. Auch die Reisebranche in Neuseeland ist auf diesen Zug aufgesprungen, nachdem sie zuvor vor allem Gäste aus Australien und China, zwei der größten Märkte, im Blick hatte.


Auch Neuseeland erlaubt jetzt Homo-Ehen

Ein großer Anreiz ist das neue Gesetz über Eheschließungen, das seit dem 19. August die Heirat gleichgeschlechtlicher Paare in dem Land legalisiert. Offiziellen Angaben zufolge wurden bereits am folgenden Tag mehr als 1.000 Antragsformulare für Eheschließungen aus dem Internet heruntergeladen.

Die neuseeländische Tourismusbehörde TNZ hat eine dieser Trauungen ausgerichtet. Die Wahl fiel auf den australischen Tierarzt Paul McCarthy und seinen Partner Trent Kandler. Die Fluggesellschaft 'Air New Zealand' sponserte die Hochzeit eines Lesbenpaars aus Auckland, die an Bord stattfand.

Der 'rosa Tourismus' wird auch durch die liberale Haltung von US-Präsident Barack Obama und Papst Franziskus gefördert. "Viele Länder, etwa Großbritannien, und mehrere US-Bundesstaaten haben kürzlich Eheschließungen von Paaren gleichen Geschlechts genehmigt", sagt Reid-Smith. "Innerhalb Asiens wird darüber in Thailand und Vietnam beraten. Und in Indien werden Gesetze aus der Kolonialzeit angefochten. All dies hat der Community Hoffnung gemacht."

Noch vor zehn Jahren sträubten sich viele Hotels dagegen, schwule und lesbische Paare in Doppelzimmern unterzubringen. "Da inzwischen Gesetze gelten, die sie anderen Paaren vollständig gleichstellen, erwarten sie mehr Respekt", erklärt Reid-Smith.

Das Internet und die sozialen Netzwerke haben bei dieser Entwicklung eine Schlüsselrolle gespielt. "Social Media haben den Menschen gezeigt, was auf der Welt vor sich geht. Daraus sind Beziehungen, Vertrauen und eine globale Gemeinschaft gegen Homophobie entstanden."

Als der Schwulen-Aktivist Eric Ohene Lembembe im Juli in Kamerun ermordet wurde, kam es in London zu Protesten. Und als sich die russische Regierung ablehnend gegen Homosexuelle zeigte, wurde in vielen Teilen der Welt gefordert, die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi zu boykottieren.

"Es ist wichtig, dass Homosexuelle ihre Entschlossenheit zeigen, Veranstaltungen, Länder oder Menschen zu meiden, die ihnen gegenüber feindselig eingestellt sind", sagt Jean Chong, der die LGBT-Plattform 'Sayoni' in Singapur gründete. Der Stadtstaat gilt als toleranter als die mehrheitlich von Muslimen bewohnten Nachbarländer Malaysia, Indonesien und Brunei.

In Singapur finden Schwulen-Filmfestivals statt, und der Oppositionelle Vincent Wijeysingha war der erste Politiker, der sich als Homosexueller outete. Bei der jährlichen Schwulen-Parade 'Pink Dot' wurde in diesem Jahr die Rekordzahl von 21.000 Besuchern registriert. Dennoch ist Sex unter Männern dort nach wie vor gesetzlich verboten. Überwachung und Zensur sind weiterhin an der Tagesordnung.

"LGBT-Touristen werden es bald satt haben, in Länder zu fahren, in denen sie nicht willkommen sind", sagt Chong. "Eine Politik der Diskriminierung ist zudem ein Hindernis für Veranstaltungen, die die Öffentlichkeit für die Situation sexueller Minderheiten sensibilisieren sollen."


Schwule in China lange Zeit als geisteskrank geschmäht

"Fortschritte bei der Anerkennung der Rechte Homosexueller werden nun entscheidend davon abhängen, wie sich die bevölkerungsreichsten Länder Indien und China in dieser Hinsicht entscheiden", meint der nepalesische Aktivist Sunil Babu Pant. Insgesamt leben in beiden Staaten rund 2,5 Milliarden Menschen.

In China wurde Homosexualität sogar bis 2001 als Geisteskrankheit gebrandmarkt. Zudem wurde das 'Beijing Queer Film Festival' bereits mehrmals von den Behörden verhindert. In Indien hat sich die Lage hingegen entspannt, seit 2009 das Oberste Gericht ein gegen Homosexualität gerichtetes Gesetz teilweise aufhob. Davor war Sex unter Männern eine Straftat.

Nepal, einst ein konservatives und von der Außenwelt abgeschottetes Königreich, erkannte Homosexuelle 2008 als natürliche Personen an. Das Oberste Gericht forderte die Regierung auf, Gesetze einzuführen, die die Rechte Homosexueller schützen und ihnen eine Eheschließung ermöglichen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.gaystarnews.com/
http://www.sayoni.com/
http://www.ipsnews.net/2013/09/pink-dollars-emerge-as-new-currency/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. September 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2013