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KIND/049: Somalia - Ein neues Handy für jeden Kämpfer, Al-Schabab rekrutiert schon Neunjährige (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Oktober 2011

Somalia: Ein neues Handy für jeden Kämpfer - Al-Schabab rekrutiert schon Neunjährige

von Grit Porsch


Berlin, 20. Oktober (IPS) - Auch wenn offizielle Zahlen fehlen, ist es nach Ansicht von Beobachtern der Zivilgesellschaft nicht zu übersehen, dass die islamistischen Al-Shabab-Milizen in der Umgebung der somalischen Hauptstadt Mogadischu seit dem Sommer tausende Minderjährige als 'Gotteskrieger' rekrutieren. Vor allem in den Flüchtlingslagern haben die Anwerber leichtes Spiel.

Angehörige und Kinderrechtsaktivisten berichteten der UN-Presseagentur IRIN über die dabei angewandten Methoden. "Sie schicken Jugendliche in die Camps, deren Imponiergehabe die armen Jungen beeindruckt, zumal sie ihnen neue Handys und ein bisschen Geld versprechen", berichtete Halimo Hassan. Sie lebt mit Mutter und Geschwistern in einem Flüchtlingslager in Mogadischu und sucht seit drei Monaten vergeblich nach ihrem 14-jährigen Bruder. "Wir konnten ihn nicht zur Schule schicken, und eines Tages war er verschwunden", sagte sie.

Ein Aktivist, der auf Anonymität bestand, berichtete: "Die Al-Schabab-Milizen rekrutieren neue Kämpfer nicht nur mit Gewalt. In den Lagern locken sie Jungen, die nicht zur Schule gehen und nichts zu tun haben, mit Geld und Mobiltelefonen." Sie vermitteln den Heranwachsenden aber auch das Gefühl, zu einer großen Gruppe zu gehören, wenn sie sich ihnen anschließen. "Wer diesem Treiben ein Ende setzen will, muss diesen Sumpf trocken legen und in die Kinder investieren", forderte er.

Gedow Ali, der ebenfalls in einem Flüchtlingscamp lebt, hat zwei Söhne an Al-Schabab verloren. "Wir konnten es uns nicht leisten, die Jungen zur Schule zu schicken", berichtete er. Der 16-Jährige ließ sich vor einem Jahr mit der Aussicht auf Geld, ein Handy und eine Waffe ködern, den Elfjährigen zwang ein Koranlehrer vor drei Monaten Mudjahedin (Gotteskrieger) zu werden. Der Vater suchte sogar die Al-Schabab-Ausbildungslager auf, um seine Söhne zurückzuholen - vergeblich.


Hohe Bereitwilligkeit

Wie ein in Mogadischu arbeitender Journalist gegenüber IRIN betonte, lassen sich in den vielen Flüchtlingslagern rund um die somalische Hauptstadt viele Jugendliche bereitwillig von der Al-Schabab anwerben, um, wie sie glauben, für ihr Land und ihre Religion zu kämpfen.

Laut dem Weltkinderhilfswerk UNICEF, das seit 2005 in Somalia die Rekrutierung von Kindersoldaten beobachtet, sind die meisten jungen Kämpfer zwischen 14 und 18 Jahre alt. Es gebe aber auch Berichte, dass schon Neunjährige als Kämpfer eingesetzt werden. "Tausende Kinder und junge Leute lernen in Trainingscamps nicht nur den Umgang mit der Waffe, sondern werden auch auf technisch schwierigere Aufgaben vorbereitet", berichtete Iman Morooka, Pressesprecher des UNICEF-Somalia-Hilfszentrums in Nairobi. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.unicef.org/
http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=93998

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2011