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KIND/107: Schlimmste Formen von Kinderarbeit in den meisten Staaten tabu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Oktober 2014

Menschenrechte: Schlimmste Formen von Kinderarbeit in den meisten Staaten tabu

von Jim Lobe


Bild: © Sujoy Dhar/IPS

Kinder wie diese werden an der Grenze zwischen Indien und Pakistan häufig als Schmuggler eingesetzt
Bild: © Sujoy Dhar/IPS

Washington, 9. Oktober (IPS) - Die meisten Staaten der Welt ergreifen Maßnahmen, um die schlimmsten und gefährlichsten Formen von Kinderarbeit zu unterbinden. Wie aus dem neuen Jahresfortschrittsbericht des US-Arbeitsministeriums hervorgeht, hat etwa die Hälfte von mehr als 140 untersuchten Ländern und auswärtigen Territorien in diesem Bereich "moderate" Fortschritte vorzuweisen.

13 Staaten, die meisten davon in Lateinamerika, sind dabei laut dem Report '2013 Findings on the Worst Forms of Child Labour' im vergangenen Jahr sogar "signifikant" vorangekommen. In weiteren 13 Ländern und Territorien, insbesondere in der Demokratischen Republik Kongo, in Eritrea, Usbekistan und Venezuela, seien hingegen keinerlei Fortschritte festgestellt worden.

"Der Bericht wirft ein Schlaglicht auf die Situation von Kindern auf dieser Welt, die ihrer Zukunft beraubt werden. Sie verbringen die Tage und oft auch die Nächte mit der mörderischsten Arbeit, die man sich vorstellen kann", sagte Arbeitsminister Thomas Perez bei der Vorstellung des Reports. "Ich spreche hier von Kindern, die große Lasten auf dem Rücken tragen, auf Farmen Macheten schwingen, Müllhalden durchstöbern und in unterirdischen Minen nach wertvollen Mineralien suchen, aus denen andere Profit ziehen können. Kinder mit Munitionsgürteln um den Leib werden als Kombattanten in bewaffneten Konflikten eingesetzt. Andere werden Opfer von Menschenhandel oder kommerzieller sexueller Ausbeutung."


Staaten können Handelsvorteile entzogen werden

Der 2002 vom US-Parlament in Auftrag gegebene Bericht konzentriert sich auf Aktionen zur Bekämpfung von Kinderarbeit, die von denjenigen Staaten vorangetrieben werden, die von dem Allgemeinen Präferenzsystem (GSP) der USA oder anderen Handelsförderprogrammen profitieren. Der Report empfiehlt auch Maßnahmen, mit denen Regierungen ihr Vorgehen gegen Kinderarbeit verbessern können.

Arbeits- und Kinderrechtsaktivisten in den USA nutzen den Bericht dazu, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und Druck auf Regierungen auszuüben. Das Arbeitsministerium in Washington kann selbst keine Strafmaßnahmen gegen Staaten verhängen, die den Empfehlungen nicht Folge leisten. Der Bericht kann jedoch Einfluss auf andere US-Behörden wie das Büro des US-Handelsvertreters nehmen, das in der Lage ist, bei gravierenden Verstößen gegen internationale Arbeitsabkommen Handelsvorteile teilweise oder ganz zu streichen.

"Der Bericht ist ein fantastisches Instrument für Aktivisten", meint Reid Maki von der 'Child Labour Coalition' (CLC), der mehr als 20 Arbeits-, Religions-, Verbraucherschutz- und Menschenrechtsvereinigungen angehören. "Anhand des Reports können wir jedes Jahr Fortschritte messen."

Auch Brian Campbell vom 'International Labor Rights Forum' (ILRF) in Washington sieht den Report als "wichtige Errungenschaft". Er würdigte vor allem die Kritik an Usbekistan, dessen Regierung seit langem dafür kritisiert wird, Schüler zur Teilnahme an der Baumwollernte zu zwingen. Der Bericht habe verdeutlicht, dass nicht nur Kinder am Schulbesuch gehindert wurden, "sondern das gesamte System auf von der Regierung verordneter Zwangsarbeit basiert", sagte er. "Nun liegt es an anderen US-Behörden, die Analyse fortzusetzen. Vom Zoll beispielsweise wird erwartet, dass er den Import von Produkten verbietet, die durch Zwangsarbeit hergestellt werden."

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) fasst unter den schlimmsten Formen der Kinderarbeit unter anderem Schuldknechtschaft, Kinderhandel und Zwangsrekrutierung Minderjähriger während bewaffneter Konflikte und die Ausbeutung von Kindern zu Zwecken der Prostitution und Pornografie zusammen. Auch der Einsatz von Kindern bei Drogenhandel und Aktivitäten, die das "physische, mentale und moralische Wohlergehen" eines Kindes gefährden, werden verurteilt.


Jedes zehnte Kind auf der Welt betroffen

Laut Daten von ILO ist die Zahl derjenigen, die zu den schlimmsten Formen von Kinderarbeit gezwungen werden, im Zeitraum von 2000 bis 2012 von 246 Millionen auf 168 Millionen gesunken. Dennoch ist weltweit immer noch etwa jedes zehnte Kind zwischen fünf und 18 Jahren betroffen. ILO zufolge hat sich in demselben Zeitraum die Zahl der Kinder, die 'gefährliche Arbeiten' verrichten müssen, von 170 Millionen auf 85 Millionen halbiert.

Der Bericht unterscheidet zwischen Ländern, die 'signifikante', 'moderate', 'minimale' oder 'gar keine' Fortschritte bei der Beseitigung von Kinderarbeit verzeichnen. Der Fortschritt wird anhand mehrerer Kriterien gemessen. Dazu gehören die Erlassung von Gesetzen, Bemühungen bei der Kontrolle der Einhaltung von Regelungen, die Einführung gezielter Strategien und die Umsetzung von Sozialprogrammen.


Fortschritte in lateinamerikanischen Staaten

Zu den 13 Staaten, die 'signifikante' Fortschritte vorweisen können, gehören Albanien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Côte d'Ivoire, Ecuador, El Salvador, Kolumbien, Peru, die Philippinen, Südafrika, Tunesien und Uganda.

Maki, der auch für die 'National Consumers League' arbeitet, betrachtet die Liste als "sehr ermutigend". Die meisten dieser Länder hätten sich in der Vergangenheit problematisch verhalten. Vor allem in den letzten Jahren sei jedoch ein "stetiger Fortschritt" verzeichnet worden, so Maki. Die Zahl der Staaten, die besonders gut gegen Kinderarbeit vorangekommen seien, habe sich seit 2011 von zwei auf 13 erhöht. Die Zahl der Länder, die 'moderate' Fortschritte vorweisen könnten, sei von 47 auf 72 gestiegen.

Die Zahl der Staaten, die sich im Kampf gegen Kinderarbeit wenig oder gar nicht hervorgetan haben, ist von 82 auf 50 gesunken. Zu ihnen gehören etwa Anguilla, Barbados, Tonga, Tuvalu sowie die Falkland-Inseln/Malwinen mit einer kleinen Bevölkerung. Länder wie Algerien, Irak, Kasachstan, Mosambik, Serbien, Südsudan, Uruguay, Jemen und Simbabwe hinkten stark hinterher.


Privatwirtschaft in Bericht ausgeklammert

Campbell kritisiert indes, dass der Bericht nicht darauf eingeht, inwieweit der Privatsektor, darunter einflussreiche multinationale Konzerne, zu dem Problem der schlimmsten Formen der Kinderarbeit beitragen. "In dem Kapitel über Malawi wird beispielsweise ausführlich dargestellt, wie die Regierung gehandelt hat. Das Vertragssystem bei der Tabakproduktion, das bei US-Unternehmen und ihren Tochtergesellschaften gang und gäbe ist, wird hingegen nicht untersucht. Dabei ist dies eine der entscheidenden Ursachen für Kinderarbeit." (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/10/most-nations-reducing-worst-forms-of-child-labour/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2014