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KRIMINALITÄT/074: Honduras - Vom Drogendurchgangs- zum -produzentenland (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. März 2014

Honduras: Vom Drogendurchgangs- zum -produzentenland

von Thelma Mejía


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung der honduranischen Nationalpolizei

Polizisten bei der Entdeckung von Cannabis- und Schlafmohnkulturen in einem Treibhaus in La Cumbre im honduranischen Bezirk La Iguala Ende Januar 2014
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung der honduranischen Nationalpolizei

La Iguala, Honduras, 17. März (IPS) - Die Entdeckung und Zerstörung einer riesigen Treibhausanlage mit Schlafmohn- und Cannabispflanzen in der Nähe der westhonduranischen Ortschaft La Cumbre haben Befürchtungen neue Nahrung gegeben, dass sich das zentralamerikanische Land längst von einem Drogenumschlagsplatz zu einem Drogenproduzentenland gewandelt hat.

Innerhalb Zentralamerikas stand Guatemala bisher allein da, was den illegalen Anbau von Schlafmohn betrifft, den Rohstoff für die Heroinherstellung. Dort hatte man in der Region Petén mehrere Felder entdeckt. Doch spätestens seit dem 31. Januar, als die honduranischen Behörden die Entdeckung eines High-Tech-Treibhauses in La Cumbre im Bezirk La Iguala bekanntgaben, ist klar, dass das Rauschgift auch in Honduras hergestellt wird.

Der enge und nass-schlammige Weg nach La Cumbre ist beschwerlich und nur mit modernen Geländewagen, mit Pferden, per Flugzeug oder zu Fuß zu erreichen. Er führt durch fünf Dörfer, Wälder und Kaffeeplantagen - eine Natur, die für die gesamte Provinz Lempira typisch ist. Sobald im Mai die Regenzeit beginnt, ist er unpassierbar.

Das 100 Meter lange und 50 Meter breite Treibhaus, auf das die Drogeneinheit der Nationalpolizei gestoßen war, verfügte über eine Belüftungsanlage, einem Generator, ein modernes Bewässerungssystem und andere High-Tech-Geräte. Es hatte insgesamt 1.800 Schlafmohn- und 800 Cannabispflanzen Platz geboten.

Wie Carlos Mejía, Vizesuperintendant der Nationalpolizei in Lempira und Leiter der Razzia, gegenüber IPS berichtete, geht man von der Existenz weiterer Plantagen in der Region aus und werde deshalb die gesamte Gebirgsregion durchkämmen.


Laufende Ermittlungen

Bei dem Einsatz wurden der Kolumbianer Rubén Darío Pinilla und sein mutmaßlicher Helfershelfer, der Honduraner Orlando Jacinto Miranda, festgenommen, der zur Tarnung Gemüse angebaut hatte. Auch richten sich Ermittlungen zudem gegen den Landeigentümer, der als Strohmann agiert haben könnte. Einem Polizisten zufolge sollen die Pflanzen bereits abgeerntet gewesen sein.

Ein Lehrer aus El Matazano, einem Dorf am Fuß des La-Cumbra-Berges, berichtete gegenüber IPS, dass die Festnahmen lange überfällig gewesen seien. Seit geraumer Zeit habe man beobachten können, wie Fahrzeuge mit Vierradantrieb den Berg hochgefahren seien, um ihrem illegalen Geschäft nachzugehen. "Wir wussten vom Marihuana-Anbau", erklärte der Mann, der aus Sicherheitsgründen seinen Namen nicht nennen wollte. "Doch dass dort auch Mohn gepflanzt wurde, war uns neu."

Dem Bürgermeister von La Iguala, Marcio Orlando Miranda, zufolge war Pinilla bereits im Juli 2013 festgenommen worden, nachdem er die Wälder in der Nähe des Treibhauses abgeholzt habe. Doch sei er auf wundersame Weise wieder freigekommen, "offensichtlich, nachdem es zu zweifelhaften Absprachen gekommen ist".

Pinilla wird nun wegen Drogenhandel vor Gericht gestellt. Außerdem müssen auch diejenigen mit einem Verfahren rechnen, die Pinillas Freilassung im letzten Jahr zu verantworten haben. Dazu gehört ein Staatsanwalt, der bereit vom Dienst suspendiert wurde.

In La Iguala leben insgesamt 27.000 Menschen, die in diesen verlassenen Teil des Landes vorwiegend Mais, Bohnen und Kaffee anbauen. Dort gibt es eine einzige Polizeistation, in der fünf armselig ausgestattete Beamte für die Sicherheit von 26 Dörfern und 86 Weilern zuständig sind.

Die Razzia, die zur Zerstörung der illegalen Drogenkulturen führten, war von der Anti-Drogen-Abteilung der Nationalpolizei von der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa aus organisiert worden. Doch auch diese Einheit ist personell unterbesetzt und kaum in der Lage, es mit der mächtigen und gut ausgestatteten Drogenmafia aufzunehmen.

Doch sind die Endeckungen nicht die einzigen Hinweise dafür, dass Honduras vom Drogendurchgangsland seit den 1970er Jahren zu einem Land avanciert ist, dass Drogenpflanzen anbaut, weiterverarbeitet und in einem geringem Umfang verkauft.

Die Behörden gehen davon aus, dass in Nachbarprovinzen wie Ocotepeque und Copán an der Grenze zu Guatemala und El Salvador ebenfalls Schlafmohnkulturen angebaut werden. Im Februar entdeckten die Sicherheitskräfte in der Region Nueva Arcadia in Copán ein geheimes Labor zur Kokainherstellung sowie unterirdische Tunnel, schwere Landmaschinen und einen Hubschrauberlandeplatz. Nueva Arcadia und La Iguala sind wirtschaftlich rückständige Gebiete, die von drei bewaldeten Bergen umgeben sind.


Drogenproduktion von Mexiko nach Honduras verlagert

Laut dem Soziologieprofessor Eugenio Sosa steht zu befürchten, dass der Drogenhandel im Land viel tiefer verwurzelt ist, als bisher angenommen wird. Zudem sei die Drogenproduktion nur eine Form des organisierten Verbrechens, das in Honduras um sich greift.

"Die Behörden versuchen die Razzien als Erfolge darzustellen. Doch wäre es wichtig, die Frage zu klären, ob mehr Drogen gefunden werden, weil mehr gehandelt, produziert und weiterverarbeitet wird oder weil die Behörden effizienter gegen die Drogenhändler vorgehen. Die letztere Option halte ich für die unwahrscheinlichere."

Nach Ansicht der Sicherheitsexpertin Mirna Flores ist die Ausweitung der Drogenkriminalität in allen ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen in Honduras auf die Verlegung der Drogenhandelsrouten seit der Militarisierung des Rauschgifthandels in Mexiko zurückzuführen. "Die geografische Lange von Honduras ist für die Kartelle interessant, die inzwischen über ausgeklügelte Expansionsstrategien einschließlich Bestechung verfügen", erläuterte sie.

Das Atlantik-Kartel an der nordkaribischen Küste und das Valle-Kartell im Westen sind die größten Rauschgiftringe, die in dem 8,5 Millionen Menschen zählenden Honduras aktiv sind. Analysten zufolge wird es notwendig sein, effektiver gegen diese Gangs und deren politische und wirtschaftliche Helfershelfer vorzugehen. Nach offiziellen Angaben sind 80 Prozent der illegalen Drogen, die die zentralamerikanischen Länder passieren, für den US-Markt bestimmt.

Honduras gehört zu den gewalttätigsten Ländern der Welt. Im Durchschnitt sterben dort jeden Tag 19 Menschen eines gewaltsamen Todes. Dem UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zufolge ist Honduras das Land mit der welthöchsten Mordrate. Im Jahr 2012 wurden dort statistisch gesehen 81,9 Personen pro 100.000 Menschen umgebracht. Die Opfer sind zumeist junge Leute. Die Art und Weise, wie sie ermordet wurden, lässt auf Revierkämpfe und private Abrechnungen schließen. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/03/el-narcotrafico-cambia-una-peor-piel-en-honduras/
http://www.ipsnews.net/2014/03/drug-trade-takes-turn-worse-honduras/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2014