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REDE/044: Dr. Kristina Schröder zum Haushaltsgesetz 2010, 18. März 2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 18. März 2010 in Berlin


Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gut ist ein Kompromiss ja angeblich dann, wenn jeder glaubt, er hätte das größte Stück vom Kuchen bekommen. Dies mit Blick auf den Einzelplan 17, der ein Gesamtvolumen von 6,54 Milliarden Euro hat, zu behaupten, wäre sicherlich etwas gewagt. Für die Familien und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft haben wir dennoch gute Ergebnisse erzielt. Der Einzelplan 17 zeigt: Diese Koalition stärkt Familien den Rücken, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, und diese Koalition investiert in den Zusammenhalt der Gesellschaft, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Ich danke allen, die sich dafür in den Haushaltsverhandlungen der letzten Wochen eingesetzt haben. Mein Dank gilt den Mitgliedern des Familienausschusses und den Berichterstattern für die bisher konstruktive Zusammenarbeit.

Herr Schwanitz, Sie haben gerade einige Punkte angesprochen. Zu Paragraf 14 c des Zivildienstgesetzes werde ich später noch etwas sagen. Was das Thema Zivildienst angeht, scheint mir allerdings wirklich ein Missverständnis vorzuliegen. Die Vorschläge, die der Bundesverteidigungsminister gestern präsentiert hat, besagen, dass die Verkürzung der Dienstzeit schon für die wirken soll, die zum 1. Oktober 2010 eingezogen werden. Ihr Dienst endet also nicht am 30. Juni 2011, sondern am 31. März 2011. Auf den Haushalt 2010 hat die Verkürzung also keinerlei Auswirkungen. Alles das, was Herr zu Guttenberg gestern vorgeschlagen hat, wird erst 2011 wirksam. Deswegen ging Ihre Kritik an diesem Punkt leider ins Leere.

Beginnen wir mit dem größten Posten im Einzelplan 17, nämlich dem Elterngeld. Mit den knapp 4,5 Milliarden Euro, die wir für das Elterngeld ausgeben, reagieren wir auf ein Bedürfnis junger Mütter und junger Väter. Wir treffen damit den Nerv der heutigen Elterngeneration. Das zeigt vor allen Dingen das hohe Interesse an den Partnermonaten, die mit 80 Millionen Euro mehr zu Buche schlagen als im letzten Jahr. Mit dem Elterngeld haben wir ein tiefes Bedürfnis von jungen Familien getroffen: das Bedürfnis, Zeit für familiäre Verantwortung zu haben, ohne den Beruf an den Nagel hängen zu müssen. Das ist ein Bedürfnis von jungen Männern und von jungen Frauen. Deshalb werde ich bald, sehr zügig, einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem sowohl das geplante Teilelterngeld umgesetzt als auch eine Ausweitung der Partnermonate auf den Weg gebracht wird.

Kinder wiederum haben vor allen Dingen das Bedürfnis, behütet und geborgen aufzuwachsen und teilzuhaben am Wohlstand und an den Chancen unserer Gesellschaft. Das darf kein Privileg der Kinder starker Eltern sein. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung investieren wir gerade in die Bildungschancen derjenigen, denen diese Chancen nicht in die Wiege gelegt wurden. Insofern sehe ich in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder auch einen familienpolitischen Auftrag, nämlich jedem Kind eine faire Chance zu geben. Es geht nicht nur um das finanzielle Existenzminimum - Nahrung, Wohnen, Kleidung, medizinische Versorgung - , es geht auch um faire Chancen auf Bildung und damit auch auf gesellschaftlichen Aufstieg.

Auch wir mussten einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erbringen. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir versucht haben, ausschließlich dort nach Einsparpotenzialen zu suchen, wo Kinder und Familien möglichst wenig betroffen sind. Die Einsparungen, die im Einzelplan 17 realisiert wurden, werden überwiegend durch Einsparungen beim Zivildienst bestritten. Die Ausgaben für den Zivildienst sinken wegen der geplanten Verkürzung der Wehrpflicht, die beim Zivildienst nachvollzogen wird, ohnehin.

Weil wir aber unabhängig vom Zivildienst den Dienst junger Menschen am Gemeinwohl für sehr wichtig halten, werden wir auch die Förderung der Jugendfreiwilligendienste neu strukturieren. Junge Frauen und Männer wollen sich engagieren, und die Gesellschaft ist auf dieses Engagement angewiesen. Deshalb ist es das Ziel der Bundesregierung, die Freiwilligendienste erheblich auszubauen. Den finanziellen Spielraum dafür eröffnet uns, insbesondere ab 2011, die geplante Streichung des Paragrafen 14 c Absatz vier des Zivildienstgesetzes. Statt einer gesonderten Förderung für anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die als Ersatz für den Zivildienst ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr ableisten wollen, wollen wir FSJ und FÖJ insgesamt besser fördern. Die dadurch frei werdenden Mittel von über 30 Millionen Euro sollen ab 2011 in vollem Umfang in die Förderung der Jugendfreiwilligendienste fließen.

Wichtig war mir dabei, dass die Träger der Freiwilligendienste in den Bereichen Sport, Ausland und Kultur nicht die Leidtragenden dieser Neustrukturierung sind; denn diese Träger sind zur Refinanzierung der Plätze besonders auf Paragraf 14 c Zivildienstgesetz angewiesen.

Herr Schwanitz, deshalb haben wir immer gesagt, dass wir hier keine Übergangsregelungen, sondern eine Sonderregelung schaffen müssen. In der letzten Woche ist es uns mit den Trägern der Freiwilligendienste gelungen, in den Bereichen Sport und Ausland eine solche Sonderregelung zu treffen, mit der ihr Platzangebot auf hohem Niveau abgesichert wird. Diese Mittel für 2010 stammen aus den Mitteln gemäß Paragraf 14 c des Zivildienstgesetzes. Insofern sind das exakt die Mittel, die uns der Haushaltsausschuss für genau diesen Bereich gewährt hat.

Mit den Trägern im Kulturbereich sind wir noch in Gesprächen, aber ich bin mir sicher, dass wir auch hier eine gute Lösung finden werden.

Wenn wir über Investitionen in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft reden, dann sollten wir aber nicht nur an Geld denken, sondern für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wird Zeit mehr und mehr zur zweiten Leitwährung. Deshalb wird allein mit Blick auf die Haushaltslage schon eines klar: Wenn wir unserer Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen gerecht werden wollen, dann werden wir im nächsten Jahr nicht jedes Problem allein nur mit mehr Geld lösen können.

Neue Wege sind gefragt, um auf die Bedürfnisse von Kindern, von Eltern und vor allen Dingen auch von älteren Menschen reagieren zu können. Die Familien-Pflegezeit, für die ich mich einsetze, ist ein solcher neuer Weg. Ich möchte den Menschen damit Zeit für Verantwortung geben.

Wir wissen, dass kranke und ältere Menschen so lange wie möglich zu Hause bei der Familie bleiben möchten. Wir wissen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen demografiebedingt rasant ansteigen wird. Wir wissen, dass viele Menschen ihre betagten Angehörigen aus Verantwortung, aber vor allen Dingen auch aus Liebe zu Hause pflegen. Wir wissen, dass diese Menschen dabei ein großes Opfer bringen und dabei oft auch die Grenzen ihrer Belastbarkeit überschreiten. Wir wissen auch, dass die meisten dieser Menschen berufstätig sind, dass sie ihr Einkommen brauchen und dass es mit Mitte/Ende Fünfzig ein sicherer Weg in die Arbeitslosigkeit wäre, länger oder ganz aus dem Beruf auszusteigen.

Weil wir all das wissen, dürfen wir die Menschen, die diese Doppelbelastung schultern, nicht alleinlassen. Menschen, die ihr Leben lang viel gearbeitet haben, verdienen einen würdigen Lebensabend, und Menschen, die ihnen diesen würdigen Lebensabend schenken, verdienen unsere Unterstützung.

Deshalb hoffe ich auch auf Ihre Unterstützung und Ihre konstruktive Kritik, wenn ich diesen Vorschlag in die parlamentarischen Gremien einbringen werde, und ich hoffe, dass nicht nur solche Vorwürfe geäußert werden, wonach dem ein veraltetes Familienbild oder ein veraltetes Frauenbild zugrunde liegt; denn ich sage Ihnen eines: Diese Menschen, die zu Hause ihre Angehörigen pflegen, brauchen unsere Unterstützung, aber bitte nicht den anmaßenden Vorwurf, sie hätten ein veraltetes Familienbild oder ein veraltetes Frauenbild.

Es stimmt: Durch die Familien-Pflegezeit wird mehr Flexibilität von uns allen und insbesondere auch von den Arbeitgebern verlangt. Ich denke aber, dass die Unternehmen ein Interesse daran haben, nicht auf dem Höhepunkt des Fachkräftemangels auf ihre erfahrensten Mitarbeiter verzichten zu müssen.

Mit der Familien-Pflegezeit gewinnen wir auf jeden Fall Zeit für Verantwortung. Damit tragen wir den unterschiedlichsten Bedürfnissen, die ich gerade aufgezählt habe, Rechnung. Diese Bedürfnisse werden wir mit Geld allein nie erfüllen können.

Ich finde, gerade auch in einer Haushaltsdebatte können wir auch von der Opposition erwarten - das gehört zur Ehrlichkeit dazu -, dass sie ehrlich sagt, dass wir nicht alle Probleme mit Geld werden lösen können. Das erwarte ich gerade von einer Opposition, die in dieser Woche so wortreich einen konsequenten Sparkurs angemahnt hat.

Der Austausch mit denjenigen, die von der Familien-Pflegezeit unmittelbar betroffen sind, ist mir sehr wichtig. Das gilt auch bei anderen Themen. Denn ich glaube, dass wir in der Gesellschaftspolitik nur dann etwas bewegen können, wenn wir den Dialog mit allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen suchen. Angesichts der schockierenden Fälle von Kindesmissbrauch habe ich mich deswegen dafür eingesetzt, dass wir ein Gespräch mit Vertretern aller Institutionen führen, denen wir unsere Kinder anvertrauen. Meines Erachtens können wir nur so ein wirksames Konzept für die Zukunft entwickeln.

Vielleicht sollte man aufgrund des Verlaufs dieser Debatte Folgendes sagen: Ob es um wirksamen Kinderschutz, um Pflege oder um gesellschaftliches Engagement geht: Neue Wege finden wir nur dann, wenn viele danach suchen. Neue Wege finden wir nicht, wenn einer sucht und die anderen damit beschäftigt sind, Barrieren aufzubauen. Deshalb sollten gerade wir Familienpolitiker mit unserem vergleichsweise kleinen Etat, mit dem wir auf eine Vielfalt von gesellschaftlichen Problemen reagieren müssen, offen sein für einen konstruktiven und sachlichen Austausch und eine konstruktive, sachliche sowie vertrauensvolle Zusammenarbeit.


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Quelle:
Bulletin Nr. 28-4 vom 18.03.2010
Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dr. Kristina Schröder, zum Haushaltsgesetz 2010
vor dem Deutschen Bundestag am 18. März 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2010