Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

REDE/054: Kristina Schröder zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes, 15.12.10 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
"REGIERUNGonline" - Wissen aus erster Hand

Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 und zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes vor dem Deutschen Bundestag am 15. Dezember 2010 in Berlin:


Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Bundeskabinett hat heute die Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes beschlossen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir zum Ersten die Einsatzkräfte, die durch die Aussetzung des Zivildienstes wegfallen, soweit es irgend geht kompensieren.

Zum Zweiten werden wir mit diesem Gesetzentwurf einen Auftrag des Koalitionsvertrages umsetzen, nämlich die Stärkung der Freiwilligendienste der Länder.

Die Debatte über den Wegfall des Zivildienstes wurde in den letzten Monaten von Bürgern, Trägern und Verbänden mit großem Interesse verfolgt. Es wurde deutlich, dass sich sehr viele Menschen Gedanken darüber machen, was es bedeutet, wenn der Zivildienst wegfällt. Jeder von uns hat Erfahrungen aus seinem Wahlkreis und weiß um die besondere Bedeutung der Leistung der Zivis für die Humanität unserer Gesellschaft. Hier geht es um Dinge wie "Essen auf Rädern", um behinderte Jugendliche, die von Zivis in die Schule begleitet werden, oder um die alte Dame, die nur mithilfe ihres Zivis auch einmal in den Garten kommt und frische Luft schnappen kann. Angesichts der Arbeit, die die Zivis leisten, sind sie uns allen in den letzten Jahrzehnten sehr ans Herz gewachsen.

Die Aussetzung der Wehrpflicht, mit Sicherheit einer der größten Veränderungsprozesse der letzten 20 Jahre, hat nicht nur Bedeutung für die Bundeswehr, sondern auch Bedeutung für das Leben von jungen Männern. Sie hat Bedeutung für die soziale Infrastruktur unserer Gesellschaft. Aber es ist ganz klar: Man kann die Wehrpflicht nicht über den Zivildienst begründen. An dem Tag, an dem die Wehrpflicht endet, endet auch der Zivildienst.

Natürlich ist das deshalb schade, weil uns in Zukunft die Zivis fehlen werden; aber es ist auch gerade deswegen schade, weil der Zivildienst für viele junge Männer bisher die einzige Möglichkeit war, Interesse an einem sozialen Beruf zu finden und mit diesen Feldern in Kontakt zu kommen. Die wenigen Männer, die zum Beispiel in Kitas arbeiten, kamen in der Regel über den Zivildienst in diesen Beruf hinein.

Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir die Aussetzung des Zivildienstes so weit wie irgend möglich kompensieren können. Das bringen wir mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes auf den Weg. Gleichzeitig stärken wir damit die Freiwilligendienste der Länder.

Die Eckpunkte werden Ihnen bekannt sein:

Wir wollen den Bundesfreiwilligendienst für Männer und Frauen öffnen. Wir wollen ihn für Menschen jeder Altersgruppe öffnen.

Die Regeldauer des Bundesfreiwilligendienstes soll zwölf Monate betragen; sechs bis 18 Monate sollen möglich sein, 24 Monate in Ausnahmefällen.

Wir wollen, dass der Bundesfreiwilligendienst von unter 27-Jährigen in Vollzeit und von über 27-Jährigen mit mindestens 20 Stunden die Woche geleistet wird.

Der Hintergrund für diese Regelung ist folgender: Wenn man das weiter herunterschrauben würde und zum Beispiel einen Dienst für zehn oder fünf Wochenstunden ermöglichen würde, liefe man Gefahr - so unsere Befürchtung -, ehrenamtliches Engagement zu verdrängen, etwa im Katastrophenschutz. Ich glaube, das will niemand von uns.

Der Bundesfreiwilligendienst soll arbeitsmarktneutral gestaltet werden. Es dürfen keine regulären Arbeitsplätze ersetzt werden. Es geht allein um unterstützende Tätigkeiten.

Der Bundesfreiwilligendienst soll in den Bereichen und an den Einsatzorten des bisherigen Zivildienstes geleistet werden. Hinzu kommen Einsatzbereiche wie Sport, Integration, Kultur, Bildung sowie Zivil- und Katastrophenschutz.

Die Freiwilligen werden gesetzlich sozialversichert. Ihr Taschengeld handeln sie wie beim FSJ und FÖJ mit den Trägern aus. Es gibt aber eine einheitliche Obergrenze für Ost und West. Unterhalb dieser Obergrenze kann frei vereinbart werden.

Durch die Ressortabstimmung, aber auch durch die intensiven Gespräche mit den Ländern und Verbänden haben wir sehr viele und sehr wertvolle Anregungen bekommen. Ich bin stolz darauf, dass mir Träger gesagt haben, sie seien bei einem Gesetzgebungsverfahren noch nie so gut eingebunden worden wie in diesem Fall. Gerade auch der Ausbau der Jugendfreiwilligendienste auf Länderebene wird ausgesprochen begrüßt.

Jetzt geht es darum, mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen; denn wir haben erst den kleinsten Teil der Arbeit geschafft. Jetzt stehen wir vor der großen Gemeinschaftsaufgabe, dafür zu werben, dass möglichst viele Männer und Frauen sich in dem neuen Bundesfreiwilligendienst engagieren. Wir dürfen nicht darauf warten, bis das Ganze im Bundesgesetzblatt steht, sondern im Grunde beginnt die Arbeit heute. Es geht darum, klarzumachen, dass der Bundesfreiwilligendienst nicht nur eine Bereicherung für die Gesellschaft, sondern auch eine Bereicherung für jeden Einzelnen ist, der diesen Dienst tut. Bund, Länder, Hochschulen und Unternehmen sind aufgefordert, Anreize zu schaffen, damit der Dienst so attraktiv wie irgend möglich wird.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 132-3 vom 15.12.2010
Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dr. Kristina Schröder, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
wehrrechtlicher Vorschriften 2011 und zum Entwurf eines Gesetzes
zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes
vor dem Deutschen Bundestag am 15. Dezember 2010 in Berlin
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, D-10117 Berlin
Telefon: 01888 / 272 - 0, Telefax: 01888 / 272 - 2555
E-Mail: InternetPost@bundesregierung.de
Internet: http://www.bundesregierung.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2010