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RENTE/690: Risiko Betriebsrente (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 22 vom 2. Juni 2017
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Risiko Betriebsrente
Berlin beschließt die weitere Privatisierung des Rentensystems

von Manfred Dietenberger


Weniger als 60 Prozent der Beschäftigten haben eine betriebliche Altersvorsorge. Vor allem Geringverdiener und Beschäftigte kleinerer Unternehmen stehen häufig ohne Betriebsrente da. Die Große Koalition in Berlin will nach langem Gezerre noch vor der Bundestagswahl eine Reform der Betriebsrenten durchsetzen. Bei diesem Gesetzesvorhaben geht es nicht um die Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer Betriebsrente à la Martin Winterkorn (ehemaliger VW-Boss). Winterkorn bekommt seit Januar 2017 eine nette "Rente" von seinem Betrieb von über 3.100 Euro pro Tag.

Nein, die Sache ist etwas anders. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen sich künftig gemäß "Betriebsrentenstärkungsgesetz" über Tarifverträge auf ein neues Sozialpartnermodell einigen: Wer in kleineren Unternehmen arbeitet und wenig verdient, soll künftig mehr von einer Betriebsrente haben, so der Lockruf adressiert an die Beschäftigten. Über die Höhe der Betriebsrenten entscheidet künftig allein der von der Gewerkschaft mitverantwortete Erfolg oder Misserfolg der Anlagepolitik der gemeinsamen Versorgungseinrichtung. Mindestgarantien gibt es nicht mehr, und weil es sie nicht mehr gibt, können und sollen ausdrücklich auch Anlagen mit höheren Risiken gewählt werden, um bessere Renditen erzielen zu können. Für die Unternehmer ist die Abschaffung höchst erfreulich. Sie sind damit das Risiko los, das nun der Rentner trägt.

Der Bundestag dürfte im Lauf dieser Woche über den Gesetzentwurf abgestimmt haben. Im Vorfeld positionierten sich DGB und Gewerkschaften von wohlwollend-konstruktiv bis zum pauschalen "begrüßt und unterstüzt" (IG BCE). Letztere schreibt: "Wir stehen einem solchen Gesetz positiv gegenüber, viele Mitglieder der IG BCE haben kein Vertrauen in die Verläßlichkeit der GRV". (Mit GRV ist die gesetzliche Rentenversicherung gemeint.) Daher diene es einem "hohen Grad an Sicherheit, wenn ein Teil des Alterseinkommens von einer anderen Quelle kommt", auch wenn damit "kein gesellschaftlicher Durchbruch" einhergehe. Dennoch sind sich fast alle Experten einig, dass die Gefahr der Altersarmut, besonders für Geringverdienende, nicht mit einer kapitalgedeckten, vom privaten Finanzsystem organisierten, Betriebsrente gebannt werden kann.

Auch deshalb ist das Motto der Rentenkampagne der IG Metall richtig: "Kurswechsel: Die gesetzliche Rente stärken!" IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban sagt, es gehe darum, die gesetzliche Rentenversicherung zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung zu entwickeln, in der "auch Soloselbstständige, Beamte und Parlamentarier ihren Beitrag zur Alterssicherung leisten", denn dies sei der richtige Weg zu einem gesetzlich garantierten, auskömmlichen Leben nach der Erwerbsarbeit. Stimmt, aber bekanntlich hat die IG Metall die Teilprivatisierung der gesetzlichen Rente durch die 2002 nach ihrem früheren Zweiten Vorsitzenden genannte "Riesterrente" auch schon unterstützt. Man kann leider ziemlich sicher sein: Wieder wird Gewerkschaftspolitik dazu beitragen, der weiteren Privatisierung der Alterssicherung neue Akzeptanz zu verschaffen und den Kapitalmärkten frische Milliarden aus den Taschen auch und gerade von Geringverdienenden zuführen.

Will man dabei aber substanzielle Arbeitgeberbeiträge durchsetzen, wird dies nicht ohne Folgen für die Ergebnisse von Lohntarifrunden bleiben - von Arbeitszeitpolitik ganz zu schweigen. Unverständlich ist aber, dass die IG Metall nicht den Mumm hatte, das Gesetzesvorhaben schon im Vorfeld abzulehnen und stattdessen die Rückkehr auf das frühere Rentensicherungsniveau von 53 Prozent bei der gesetzlichen Rente zu fordern - ergänzt um die Forderung nach einer Grundrente für alle in Höhe von mindestens 1.500 Euro. Indem die IG Metall und die anderen DGB-Gewerkschaften ihre Hand dazu reichen, die kapitalgedeckte Betriebsrente als Ergänzung zu einer immer weniger ausreichenden gesetzlichen Rente auszubauen, haben sie es der Regierung leicht gemacht und nach der Riesterrente ein weiteres Mal geholfen, das Tor für die Privatisierung der Altersvorsorge weit zu öffnen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP,
49. Jahrgang, Nr. 22 vom 2. Juni 2017, Seite 3
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2017

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