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FRAGEN/006: UN-Untergeneralsekretärin fordert internationale Kooperation im Kampf gegen Piraten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. August 2012

UN: Schiffsrouten kontrollieren - Untergeneralsekretärin fordert internationale Kooperation im Kampf gegen Piraten

von Isabelle de Grave


Patricia O'Brien - Bild: © UN Photo/Mark Garten

Patricia O'Brien
Bild: © UN Photo/Mark Garten

New York, 8. August (IPS) - Auf der Expo 2012 in der südkoreanischen Stadt Yeosu haben die Vereinten Nationen an das 30-jährige Bestehen der Seerechtskonvention (UNCLOS) erinnert. Die Weltausstellung mit dem Schwerpunkt 'Lebende Ozeane und Küsten' hat die globale Aufmerksamkeit nicht nur auf Fragen wie den Umgang mit schwindenden Fischbeständen und illegalem Fischfang gelenkt. Auch die internationalen Anstrengungen im Kampf gegen die Piraterie standen im Fokus.

"Piraterie gibt es seit Tausenden von Jahren. Ende des 19. Jahrhunderts ging sie substanziell zurück und schien bereits eine Legende geworden zu sein. Doch vor einigen Jahrzehnten erstand die Piraterie wie ein Phoenix wieder und wurde nicht nur zu einer regionalen, sondern zu einer globalen Geißel", sagte Patricia O'Brien, die UN-Untergeneralsekretärin für Rechtsangelegenheiten, bei einer Veranstaltung im UN-Pavillon auf der Expo.

In einem Interview mit IPS spricht O'Brien über die derzeitigen Bemühungen zur Bekämpfung der Piraterie in der Straße von Malakka zwischen der Halbinsel Malaysia und der indonesischen Insel Sumatra.

IPS: Welche Bedrohung geht für Asien von der Piraterie aus?

Patricia O'Brien: Die Bedrohung durch Piraterie und bewaffneten Raub auf Schiffen ist von höchster Wichtigkeit für die UN. Wir beobachten die Lage ständig. Piraterie bedeutet eine ernsthafte Bedrohung für die Wirtschaftssysteme aller Staaten, da 80 Prozent des globalen Handels auf dem Seeweg abgewickelt wird. Damit werden 70 Prozent der gesamten Handelseinnahmen erwirtschaftet. Bis 2020 wird erwartet, dass sich der Warenverkehr über Wasser um 36 Prozent steigert.

Die Straße von Malakka ist besonders anfällig für Piratenangriffe, da sie eine der strategisch wichtigsten Seepassagen für den maritimen Handel zwischen Europa und Ostasien ist. Durch diese Meerenge werden 50 Prozent der weltweiten Erdölschiffsladungen transportiert, darunter 80 Prozent der Ölimporte Japans und Südkoreas.

Auf regionaler und lokaler Ebene ist die Piraterie eine ernste Bedrohung der Sicherheit von Seeleuten und Fischern, deren Existenz vom Zugang zu bestimmten Meeresgebieten und -routen abhängt. Die südostasiatischen Gewässer mit ihren zahlreichen Inseln und Inselstaaten bilden da keine Ausnahme. Die Sicherheit des Verkehrs auf den Meeren hängt außerdem in einem erheblichen Maß davon ab, wie einige dieser Staaten die politische Stabilität aufrecht erhalten.

IPS: Viele Fischer, die durch den Rückgang der Fischbestände verarmt sind, werden Piraten. Wird das in Yeosu vorgestellte Projekt, das Schwellenländern im Umgang mit diesem Problem helfen will, zur Bekämpfung der Piraterie beitragen?

O'Brien: Die Initiative der Republik Korea ist vorbildlich und ein wichtiger Teil der regionalen und internationalen Anstrengungen, die die Vertragsstaaten von UNCLOS unternehmen müssen. 1995 wurde bereits ein Abkommen zum Erhalt der Fischbestände innerhalb und außerhalb der Hoheitsgewässer eines Landes geschlossen.

Die eigentlichen Gründe für die Piraterie liegen jedoch nicht nur im schlechten Umgang mit den Fischbeständen und der Ausbeutung der Meeresressourcen. Nimmt man die Entwicklung der Piraterie vor der Küste Somalias als Anhaltspunkt, so wird klar, dass Schiffsrouten wie die Straße von Malakka genau überwacht werden müssen. Die Piraten vor der Küste Somalias haben ihre Operationsgebiete erweitert und schwere Artillerie angeschafft, mit der sie größere Schiffe weiter draußen auf dem Meer angreifen können.

Obwohl sich die Zahl der Piratenattacken in den Meerengen von Malakka und Singapur zwischen der ersten Hälfte von 2011 und dem gleichen Zeitraum in diesem Jahr halbiert hat, sollten sich Anrainerstaaten und Reeder nicht beruhigt zurücklehnen. Anrainerstaaten tragen die Verantwortung, optimale Maßnahmen umzusetzen, wenn sie in Gebieten mit einem hohen Aufkommen an Piraterie aktiv sind.

Außerdem müssen sie Handelsschiffe, die diese Zonen passieren, über die Praktiken lokaler Fischer aufklären, um deren Arbeit nicht zu schädigen. Es muss auch vermieden werden, dass Handelsschiffe Fischer irrtümlich für Piraten halten. Piratenangriffe werden nur dann zurückgehen, wenn alle diese Probleme gleichzeitig angegangen werden.

In der globalisierten Wirtschaft, in der ein Staat von Tausende Kilometer entfernten Piratenangriffen betroffen sein kann, ist eine lokale Verbesserung der sozioökonomischen Lage der Fischer allein nicht mehr ausreichend.

IPS: Wie wirksam sind UNCLOS sowie andere regionale und internationale Initiativen im Kampf gegen Piraten?

O'Brien: Die Definition der Straftat 'Piraterie' ist in UNCLOS an einer der bedeutsamsten Stellen des Abkommens aufgeführt (Artikel 101, Teil VII), wo es um die Rechtslage auf hoher See geht. Staaten sind verpflichtet, so weit wie möglich an der Bekämpfung der Piraterie mitzuwirken. Nach dem Weltrechtsprinzip ist das nationale Strafrecht auch auf hoher See anzuwenden, um Piratenschiffe und Flugzeuge zu beschlagnahmen sowie Verdächtige festzunehmen und Güter an Bord zu konfiszieren.

Die Regelungen in UNCLOS sind in vielen Staaten in nationales Recht überführt worden. Gesetze wurden erlassen, in denen Piraterie zur Straftat erklärt wurde. Die Gerichte in den Ländern können somit Verdächtige innerhalb ihrer Grenzen zur Rechenschaft ziehen.

Im Zusammenhang mit der Piraterie vor Somalia wurden aufgrund solcher Gesetze bisher mehr als 1.100 Personen festgenommen, vor Gericht gestellt und für schuldig befunden. Die Bemühungen gehen auf internationaler und regionaler Ebene weiter. Staaten soll dabei geholfen werden, ihre Kapazitäten auszubauen, um die Strafverfolgung und die Vollstreckung der Urteile effizient voranzubringen. Die Urteile sollen eine abschreckende Wirkung auf Gemeinschaften haben, in denen die Kultur der Piraterie grassiert.

Die Straße von Malakka profitiert von einem Überwachungssystem, das dem ähnelt, das vor Somalia eingeführt wurde und an dem sich jetzt auch Südkorea beteiligt. Die 'Malacca Strait Patrols' (MSP) bestehen aus einer See- und einer Luftpatrouille sowie einer 'Intelligence Exchange Group' (IEG), in deren Rahmen die vier Anrainerstaaten Indonesien, Malaysia, Singapur und Thailand gemeinsam Sicherheitsmaßnahmen für die Straße von Malakka umsetzen. Damit ist laut den Daten des der Internationalen Handelskammer angegliederten Internationalen Meeresbüros die Zahl der Piratenangriffe in der Meerenge von 38 gemeldeten Fällen 2004 auf null im vergangenen Jahr zurückgegangen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.un.org/depts/los/convention_agreements/texts/unclos/UNCLOS-TOC.htm
http://untreaty.un.org/ola/div_ousg.aspx
http://www.icc-ccs.org/icc/imb
http://www.worldexpo2012.com/
http://www.ipsnews.net/2012/08/qa-u-n-spotlights-pirates-in-the-malacca-strait-at-expo-2012/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2012