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KONFERENZ/169: Plädoyer für die Abhaltung einer 5. Weltfrauenkonferenz (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 115, 1/11

Wegweiser zur Überwindung multipler Krisen erforderlich.
Plädoyer für die Abhaltung einer 5. Weltfrauenkonferenz

Von Brita Neuhold


Vor mehr als 15 Jahren fand die 4. Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Peking statt, eine Veranstaltung, die, wie auch ihre seit 1975 initiierten Vorgängerinnen, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene nachweislich zu großen Veränderungen führte. Dazu gehörten die oft sprunghafte Entwicklung des Selbstverständnisses und des Selbstbewusstseins von Frauen in aller Welt, die grundlegende Neugestaltung der nationalen und internationalen frauenspezifischen Gesetzgebungen, die Wandlung der Beziehungen zwischen dem "starken" und dem "schwachen" Geschlecht sowie die Stärkung des Zusammenhalts, der Solidarität und des Gedankenaustauschs von Frauen untereinander.

Trotz dieser epochalen Anstöße sinkt die Bereitschaft der Staaten und auch so mancher NGOs in westlichen Ländern, eine 5. Weltfrauenkonferenz einzuberufen. Bei einer Revision der letzten Jahrzehnte fällt auf, dass einerseits die Intervalle zwischen diesen internationalen genderspezifischen Großereignissen immer länger werden und andererseits das inhaltliche Engagement ständig abnimmt.

Wurde während des bahnbrechenden Weltfrauenjahrzehnts (1975-1985) noch alle fünf Jahre eine Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Mexico City, Kopenhagen und Nairobi veranstaltet, so fand die 4. Weltfrauenkonferenz bereits im Abstand von zehn Jahren zu dem vorhergehenden Zusammentreffen, nämlich 1995 in Peking, statt.


Ein Feuerwerk weiblicher Kraft und Kompetenz

Diese Großveranstaltung im Zeichen der Frau war ein Ereignis von ungekannter Intensität. In der dabei verabschiedeten Aktionsplattform wurden teilweise umwälzende und in bisher nicht vergleichbarem Rahmen diskutierte Maßnahmen empfohlen. NGOs waren entscheidend an den Erfolgen der Konferenz beteiligt. Der zündende Funke kam aber von Frauen aus Ländern des globalen Südens. Ihre mitreißenden Appelle, bewegenden Erfahrungsberichte, aufrüttelnden Bekenntnisse und kompetenten Empfehlungen werden den Beteiligten für immer in Erinnerung bleiben. Diese Frauen aus Afrika, Asien und Lateinamerika waren es auch, die die Anliegen der Aktionsplattform an die Basisbevölkerung in ihrer Heimat weitergaben und dadurch gleichzeitig zu Gesetzesänderungen und zur nachhaltigen Wandlung des Bewusstseins von Frauen in den Dörfern und am Rande der Städte beitrugen.

Innerhalb dieser Aktionsplattform sind die Verpflichtungen zum Gender Mainstreaming und dem Bekenntnis zu den Menschenrechten von Frauen sowie die Interdependenz aller Empfehlungen zu Maßnahmen als strategisch anerkannten Bereichen von grundsätzlicher Bedeutung. Eine wichtige Empfehlung der Aktionsplattform besteht darin, dass alle Mitgliedsländer der UN binnen kürzester Zeit einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung dieser Maßnahmen ausarbeiten sollen. Österreich ist allerdings dieser Forderung bis heute nicht nachgekommen.

Fortschritte wurden vor allem im Bereich der bürgerlichen und politischen Rechte erzielt, während im wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bereich keine grundsätzlichen systemischen Veränderungen angestrebt wurden. Deshalb ist es auch unerlässlich, in diesen Bereichen endlich neue Weichen zu stellen.


Nachlassende Begeisterung

Zur Überprüfung der Umsetzung der Aktionsplattform fand 2000 noch eine Sondergeneralversammlung statt, deren Outcome document unsystematisch und unübersichtlich aufgebaut war. 2005 mussten sich die Frauen bereits damit zufrieden geben, dass die Jahresversammlung der Frauenstatuskommission für das Peking +10 Review herangezogen wurde.

Fünfzehn Jahre lang wurde jeder konkrete Versuch zur Einberufung einer 5. Weltfrauenkonferenz auf UN-Ebene unterbunden. 2010 fand diese Idee keinen Niederschlag in den Verhandlungsgrundlagen des Peking +15 Review, das bedauerlicherweise nur ein Thema unter vielen anderen der alljährlich stattfindenden Tagung der Frauenstatuskommission war.

Dabei wäre es gerade zu diesem Zeitpunkt - im Zeichen der vielfältigen Krisen im Wirtschafts-, Finanz-, Klima-, Energie-, Umwelt- und Ernährungsbereich, die sich besonders ungünstig auf Frauen und hier wieder im besonderen Maße auf Frauen im globalen Süden auswirken - unabdingbar gewesen, eine internationale und auf höchster Ebene stattfindende frauenpolitische Konferenz einzuberufen, die sich mit der Erarbeitung von Bestandsaufnahmen hinsichtlich der fortschreitenden Feminisierung der Armut und der Entrechtung von Frauen sowie von diesbezüglichen Überwindungsstrategien befasst hätte.

Bei dieser angesprochenen Tagung wurde auf offizieller Ebene die Frage der Abhaltung einer 5. Weltfrauenkonferenz nicht diskutiert. Einerseits fürchten manche Staaten eine Gefährdung ihrer in zunehmendem Maße konservativen Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik, andererseits erheben auch solche, die sich diesem Vorwurf nicht aussetzen wollen, Einwände, die darauf hinauslaufen, dass der gesamte Konsens über die Aktionsplattform ins Wanken geraten und in Frage gestellt werden könnte.

Auch auf der begleitenden bzw. vorangehenden NGO-Veranstaltung war das Thema keine zentrale Frage, trotzdem sprachen sich viele Vertreterinnen, vor allem aus südlichen Ländern, aber auch Mitfrauen der Sozialistischen Internationale dafür aus. Dabei spielte auch ein Grundsatzpapier mit eingearbeitetem Forderungskatalog, das von WIDE-Österreich dafür erarbeitet worden war, eine unterstützende Rolle. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es auch, dass die gemeinsame Idee von Julia Günther, Delegierter von WIDE-Österreich bei diesem Event, und Daniela Reiter von der International Alliance of Women, ein "Mentoring at the Commission on the Status of Women" (CSW) durchzuführen, auf große Zustimmung stieß. Dieses Programm, mit dem "Neuankömmlinge" mit den Zielen und der Bedeutung der Frauenstatuskommission vertraut gemacht werden, soll langfristig aufgegriffen werden.


Neue Anstöße unentbehrlich

Vertreterinnen von WIDE-Österreich waren bei den Weltfrauenkonferenzen in Kopenhagen 1980, in Peking 1995, bei der Sondergeneralversammlung GV New York 2000, bei zahlreichen Tagungen der Frauenstatuskommission, und auch 2005 anlässlich des Peking +10 Review anwesend. Sie alle plädieren für die möglichst rasche Abhaltung einer 5. Weltfrauenkonferenz, bei der vor allem die Überwindung der Folgen der multiplen Krisen auf Frauen und die Sicherung ihrer Menschenrechte in Zeiten der wirtschaftlichen Gefährdung garantiert werden soll.

Bei dieser Schwerpunktsetzung könnte auf Empfehlungen der Aktionsplattform von Peking zu Armutsbekämpfung, Wirtschaft, Frauenförderung und Umwelt sowie zu internationalen Finanzierungs- und Handelsorganisationen zurückgegriffen werden. Dabei müssen die Beratungen unbedingt weit über frühere Empfehlungen hinausgehen und in wahrstem Sinne neue zukunftsweisende Strategien, vor allem im wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bereich, umfassen. Weil bei der 4. Weltfrauenkonferenz so wenig erreicht wurde, werden die Vorschläge von Frauen in Ländern des globalen Südens wieder eine entscheidende Rolle spielen müssen.


Literaturtipps:

Neuhold, Brita:
"Keep on Moving Forward!". Hintergründe, Verlauf und Perspektiven der 4. Weltfrauenkonferenz in Beijing. (Wien 1996)

WIDE-Österreich:
Kassasturz: Finanzkrise und Entwicklung aus feministischer Sicht. (Wien 2010)


Zur Autorin:
Brita Neuhold ist Mitglied von WIDE und arbeitet seit mehr als vierzig Jahren als Journalistin, Redakteurin, Autorin, Aktivistin und Universitätslektorin zu Menschenrechten von Frauen, Frauenpolitik der Vereinten Nationen sowie zu internationaler Wirtschaft und Geschlechterverhältnissen. Sie lebt in Wien.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 115, 1/2011, S. 8-9
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
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Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2011