Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → UNO

MELDUNG/085: Haiti - Neue Missbrauchsvorwürfe gegen UN-Blauhelme, Null-Toleranz-Politik erfolglos (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Januar 2012

Haiti: Neue Missbrauchsvorwürfe gegen UN-Blauhelme - Null-Toleranz-Politik erfolglos

von Thalif Deen


New York, 24. Januar (IPS) - Die Missbrauchsvorwürfe gegen UN-Blauhelme in Haiti, das noch immer unter den Folgen des verheerenden Erdbebens von 2010 leidet, reißen nicht ab. So ist von zwei neuen Fällen von Minderjährigen die Rede, die von den Friedenshütern "sexuell ausgenutzt" worden sein sollen.

Beschuldigt werden Polizisten, die der UN-Mission in Haiti (MINUSTAH) angehören. UN-Sprecher Martin Nesirsky sicherte zu, dass den Vorwürfen "mit größter Entschlossenheit" nachgegangen werde. Ein Untersuchungsteam der Weltorganisation sei bereits in die Hauptstadt Port-au-Prince geschickt worden. Angaben zur Nationalität der Verdächtigten machte Nesirsky nicht.

Bei Vorwürfen gegen UN-Soldaten stehen deren Heimatstaaten in der Verantwortung. Für Ermittlungen gegen UN-Polizisten sind hingegen die Vereinten Nationen zuständig. MINUSTAH-Leiter Mariano Fernández betonte, man werde in dem Missbrauchsskandal an einer "Null-Toleranz-Politik" festhalten.

Von Angehörigen der Vereinten Nationen werde überall auf der Welt ein mustergültiges Verhalten erwartet, sagte Fernández. "Wir werden weiterhin strengste Maßnahmen ergreifen, um nötigenfalls sicherzustellen, dass diejenigen, die solche Handlungen ausführen, mit größter Härte bestraft werden."

Bereits zum dritten Mal binnen fünf Jahren sind Blauhelme in dem Karibikstaat des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen bezichtigt worden. 2007 wurden 108 srilankische UN-Soldaten deswegen in ihre Heimat zurückgeschickt. Die Betroffenen zeigten nicht unbedingt Reue. "Was sollen wir tun, wenn uns die UN kostenlos mit Kondomen versorgt", sagte einer der Beschuldigten damals der Presse.


Straffreiheit

Da die Vereinten Nationen keine politischen oder rechtlichen Möglichkeiten zur Bestrafung von militärischem Personal haben, sind die meisten Missbrauchsfälle bisher nicht geahndet worden. Die jeweiligen Regierungen verweigerten entweder von vornherein Ermittlungen oder leiteten sie so zögerlich ein, dass es zu keinen Gerichtsverfahren kam.

Im vergangenen Jahr wurden fünf UN-Friedenshüter aus Uruguay bezichtigt, einen haitianischen Teenager angegriffen zu haben. Ein Video von dem Übergriff kam in Umlauf und löste in Port-au-Prince öffentliche Demonstrationen und Proteste gegen die UN aus.

Anfang Januar wurden die fünf Angeklagten von einem uruguayischen Gericht freigesprochen, weil von dem inzwischen 18-jährigen haitianischen Opfer jede Spur fehlte. Sobald es wieder auftaucht, will die uruguayische Justiz das Verfahren neu aufrollen.

2007 sei bereits bekannt geworden, dass 13-jährige Mädchen für einen US-Dollar Sex mit UN-Blauhelmen hatten, schrieb Ezílí Dantò, die Vorsitzende des 'Haitian Lawyers Leadership Network', in einem Brief an die Vereinten Nationen.


Langjährige Vorwürfe

Die Berichte über neue Missbrauchsfälle in Haiti, der Demokratischen Republik Kongo und Côte d'Ivoire bringen die Weltorganisation zunehmend unter Druck. Bereits seit ihren Anfängen vor mehr als 50 Jahren werden die UN-Friedensmissionen von Sexvorwürfen überschattet. 1999 wurden Blauhelme in Bosnien mit den Machenschaften eines Frauenhändlerrings in Verbindung gebracht.

Die breite Öffentlichkeit wurde auf die Missstände allerdings erst 2005 aufmerksam, als bekannt wurde, dass Blauhelme im Kongo intime Beziehungen zu Frauen und Mädchen eingingen und ihnen dafür Geld oder Lebensmittel anboten. Die UN-Abteilung für Friedensmissionen kündigte daraufhin eine Null-Toleranz-Politik an und führte einen neuen Verhaltenskodex sowie entsprechende Schulungen für die mehr als 110.000 weltweit stationierten Blauhelme ein. Dennoch setzen sich die Übergriffe weiter fort. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minustah/
http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minustah/leadership.shtml
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106521

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. Januar 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2012