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ORGANISATION/497: 69 Millionen Kinder fallen durch den Rost - UNICEF plant Schulkampagne (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. September 2010

Bildung:
69 Millionen Kinder fallen durch den Rost - UNICEF plant Schulkampagne

Von Thalif Deen


New York, 30. September (IPS) - Das Kinderhilfswerk UNICEF hat sich an die Spitze einer weltweiten Kampagne gestellt, die 69 Millionen Kinder den Schulbesuch ermöglichen will. So vielen Mädchen und Jungen fehlt der Zugang zu Bildung oder Schulen, die sie besuchen könnten.

"Der Kreislauf der Armut, in dem Kinder und ihre Familien stecken, kann nur durch Bildung durchbrochen werden", sagte der neue Exekutiv-Direktor von UNICEF, Anthony Lake. Nach einem Bericht der Globalen Kampagne für Bildung (GCE) sind Somalia, seit drei Jahren Nummer ein auf dem Index der verfehlten Staaten, und das erdbebengeschädigte Haiti die Länder mit den schlechtesten Voraussetzungen für Schulbildung.

UNICEF wies vor allem auf die Probleme des Bildungswesens in Afrika hin. Bescheidene Fortschritte seien bereits erzielt worden, hieß es. Dennoch könnten in dem erdölreichen Nigeria etwa 8,6 Millionen Kinder nicht den Unterricht besuchen. Der westafrikanische Staat führt damit in Sachen Schulbesuch die Negativstatistik des Kontinents an.


Geringe Fortschritte im erdölreichen Nigeria

Trotz aller Bemühungen werden bis 2015, wenn die Vereinten Nationen eine umfassende Primärschulbildung als eines ihrer Millenniumsentwicklungsziele realisiert sehen wollen, in Nigeria voraussichtlich nur rund 300.000 dieser Kinder eingeschult werden. In den Ländern südlich der Sahara brechen nach Erkenntnissen von UNICEF jedes Jahr rund 38 Millionen Kinder die Schule ab, weil ihre Familien in materieller Not sind.

Im ostafrikanischen Tansania zeigt sich jedoch, dass die Entwicklung auch in eine andere Richtung verlaufen kann. Dort besuchen inzwischen fast alle Kinder die Grundschule. Zu Beginn der Jahrtausendwende hatte erst knapp die Hälfte von ihnen diese Möglichkeit.

Auch Indien, wo vor zwei Jahren noch etwa 5,6 Millionen Kinder in den Schulen fehlten, bemüht sich um Fortschritte. Bis 2015 soll die Zahl der Heranwachsenden ohne Bildungszugang auf 750.000 gesenkt werden. Kenia und der Jemen wollen sie bis 2015 nahezu halbieren.

Die Geschäftsführerin der größten unabhängigen Kinderrechtsorganisation 'Save the Children', Jasmine Whitbread, zeigte sich insgesamt zufrieden mit den Fortschritten, die bei der Ausweitung der Grundschulbildung erzielt worden sind. Die Geber müssten sich aber noch stärker auf Kinder in Konfliktgebieten oder Staaten mit schwachen staatlichen Institutionen konzentrieren, sagte sie. 69 Millionen Kinder ohne Aussicht auf Schulbildung sei immer noch eine hohe Zahl. Die UNICEF-Expertin Maida Pasic befürchtet sogar, dass bis 2015 noch immer 56 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen können.

Bei einer kürzlich von UNICEF organisierten Veranstaltung in New York forderte die Vorsitzende der Stiftung für Bildung, Wissenschaft und Gemeindentwicklung in Katar, Scheikha Mozah Bint Nasser Al-Missned, Kindern größere Bildungschancen zu bieten. Dabei müsse man sich allerdings auch die Frage stellen, welche Garantien die Staatengemeinschaft übernehmen könne.


Bildung sichern - auch in Krisen

"Sind wir bereit, im Irak Lehrer zu schützen, die entführt und ermordet werden?" fragte sie. "Und können wir sicherstellen, dass der Nachschub an Unterrichtsmaterialien für Schüler im Gazastreifen gewährleistet wird und dass Mädchen und Jungen in Afghanistan zur Schule gehen können?" Ohne Bildung könne es weder Frieden noch Wohlstand geben, betonte sie.

Al-Missned verwies zudem auf eine im vergangenen Juli von der UN-Vollversammlung verabschiedete Resolution, in der sich die Weltorganisation dazu verpflichtet, Lehrer und Bildungseinrichtungen im Fall von Kriegen und Naturkatastrophen zu schützen. Die internationale Gemeinschaft müsse die Einhaltung von Menschenrechtsgesetzen einfordern, um den Schulen Schutz zu bieten.

Der ehemalige britische Premierminister Gordon Brown, der sich inzwischen an vorderster Front bei GCE engagiert, verlangte zudem, öffentliche Bildungsbudgets vor den Auswirkungen von Finanzkrisen abzusichern. Ansonsten drohten bisherige Fortschritte zunichte gemacht und mehrere Generationen in Armut gestürzt werden.

UNICEF-Angaben zufolge sind die staatlichen Bildungsausgaben in den Ländern südlich der Sahara von 49 Prozent auf 44 Prozent gefallen. In den ärmeren Ländern werden nach Berechnungen des Weltkinderhilfswerks insgesamt rund 16 Milliarden US-Dollar jährlich benötigt, um Bildung für alle zu gewährleisten. 2008 erhielten diese Staaten mit etwa zwei Milliarden Dollar aber nur einen Bruchteil der benötigten Summe. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.unicef.org/
http://www.campaignforeducation.org/docs/reports/1goal/1Goal%20School%20Report.pdf
http://www.savethechildren.net/alliance/index.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53003


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2010