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ORGANISATION/532: Das Schweigen über Sklaverei brechen - UNESCO-Projekt will Schüler sensibilisieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. September 2014

UN: Das Schweigen über Sklaverei brechen - UNESCO-Projekt will Schüler für jahrhundertelanges Unrecht sensibilisieren

von A.D. McKenzie


Bild: © A.D. McKenzie/IPS

Der Jazzmusiker Marcus Miller (l.) ist Sprecher des 'Slave Route Project'
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Paris, 16. September (IPS) - Der mit einem Oscar prämierte Film '12 Years a Slave' von Steve McQueen hat vielen Menschen die Augen für die Barbarei der Sklaverei geöffnet. Auch das 'Slave Route Project' der Weltkulturorganisation UNESCO will das Schweigen über rund 400 Jahre transatlantischen Sklavenhandel brechen und dessen dauerhafte Folgen aufzeigen.

Das UNESCO-Projekt, das im September sein 20. Jubiläum begeht, hat das Ziel, Schüler in aller Welt über Sklaverei und Sklavenhandel aufzuklären. "Das Mindeste, das die Staatengemeinschaft tun kann, ist, diese Geschichte in die Lehrbücher aufzunehmen", sagt Ali Moussa Iye, Leiter der Abteilung 'Geschichte und Gedächtnis für den Dialog' bei der Weltorganisation. "Man kann dies all denjenigen, die gelitten haben und die die Folgen der Sklaverei noch immer spüren, nicht verwehren."

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Ali Moussa Iye, Leiter des 'Slave Route Project' der UNESCO
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Das Projekt ist eine treibende Kraft hinter der Forderung nach einem Mahnmal der Sklaverei, das am UN-Hauptsitz in New York gebaut wird und im März 2015 fertiggestellt sein soll. Millionen Opfer des Menschenhandels sollen damit geehrt werden. Die UNESCO engagiert sich auch im Rahmen der von den Vereinten Nationen ausgerufenen Dekade der Völker afrikanischer Herkunft (2015 bis 2024), die auf "die historische und kontinuierliche Verletzung ihrer Rechte" aufmerksam machen will. Die Dekade wird offiziell im nächsten Januar eröffnet.


Internationale Organisationen sollen Führungsrolle übernehmen

"Es geht nicht darum, Schuldgefühle aufzubauen, sondern Versöhnung zu erreichen", sagte Moussa Iye in einem Interview. "Wir müssen Geschichte auf eine andere, pluralistische Weise erfahren, so dass wir aus ihr Lehren ziehen und unsere Gesellschaften besser verstehen können." Die internationalen Organisationen könnten eine Führungsrolle übernehmen und die Staatengemeinschaft auffordern, ihre Handlungen in der Vergangenheit und deren Folgen zu untersuchen.

"Viele Menschen haben durch Sklaverei gelitten, und andere haben davon profitiert, so wie viele jetzt von der modernen Sklaverei profitieren", sagt Moussa Iye. "Rassismus ist die direkte Folge dieses monströsen Erbes, und wir müssen mehr darüber diskutieren."


Erklärung auf Weltkonferenz gegen Rassismus 2001

Laut der UNESCO hat das 'Slave Route Project' diese Fragen auf die internationalen Agenden gebracht, indem es zur Anerkennung der Sklaverei und des Sklavenhandels als Verbrechen gegen die Menschheit beigetragen hat. Eine entsprechende Erklärung wurde 2001 auf der Weltkonferenz gegen Rassismus im südafrikanischen Durban abgegeben.

Das Projekt hat Material zusammengetragen sowie Archive und mündliche Überlieferungen bewahrt, die Veröffentlichung von Büchern unterstützt und Orte der Erinnerung festgelegt. Viele Menschen afrikanischer Herkunft sind jedoch der Ansicht, dass noch weit mehr getan werden muss, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.

Ricki Stevenson, einer in Paris lebenden afro-amerikanischen Geschäftsfrau, gehört das Unternehmen 'Black Paris Tours', das sich mit der Kultur der afrikanischen Einwanderer in der französischen Hauptstadt beschäftigt. Auf nationaler und internationaler Ebene sollte mehr über die andauernden Folgen der Sklaverei diskutiert werden, meint sie.

"Wir müssen das Schweigen darüber brechen, wie Rassismus noch heute nicht nur den Schwarzen, sondern allen Menschen in einem Land Verletzungen zufügt, Einzelne tötet, inhaftiert, ihnen Bildung und Rechte vorenthält", erklärt sie. "Die USA, Frankreich und ganz Europa haben an der brutalen, inhumanen Verschleppung und Versklavung von Millionen Afrikanern verdient. Diese Staaten sind reich geworden. Ihre Städte und Volkswirtschaften gründen auf der Versklavung von Afrikanern, auf der Zwangsarbeit schwarzer Menschen, denen grundlegende Menschenrechte vorenthalten und die schlechter als Tiere behandelt wurden."


Warnung vor Folgen des Nationalismus in Frankreich

In Frankreich warnen politische Beobachter davor, dass das Erstarken des Nationalismus zu einer 'Kultur der Exklusion' und zu Rassismus führt. Die aus Französisch-Guyana stammende französische Justizministerin Christiane Taubira hat ein 2001 verabschiedetes Gesetz entworfen, das ihren Namen trägt und Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkennt. Sie ist inzwischen zur Zielscheibe für rassistische Hetze in den sozialen Netzwerken und verschiedenen Publikationen geworden.

In einer Rede bei der Zeremonie anlässlich des 20. Jubiläums des 'Slave Route Project' schilderte Taubira ihren Kampf gegen den "Hass". Die Welt stehe heute vor der Herausforderung, die globalen Kräfte zu verstehen, die Menschen voneinander trennten. "Wir können diese Unmenschlichkeit nicht akzeptieren", sagte sie. Die anonymen Opfer seien aber nicht nur Opfer, sondern "Überlebende, Schöpfer, Künstler, Führer und Widerständige", trotz der immensen Gewalt, die sie erlitten haben.

Einzelpersonen und Gemeinden in Frankreich haben mit Kultur- und Gedächtnisprojekten daran gearbeitet, die aktive Rolle des Landes im transatlantischen Sklavenhandel herauszustellen. Die im Nordwesten gelegene Stadt Nantes, die im 18. Jahrhundert durch Sklaverei reich geworden war, hat den Opfern 2012 ein Denkmal errichtet.


Ein dunkles Kapitel in der Geschichte von Nantes

Historiker erklären, dass mehr als 40 Prozent des Sklavenhandels Frankreichs über den Hafen der Stadt abgewickelt wurden. Nantes diente demnach als Umschlagplatz für den Transport von etwa 450.000 Afrikanern, die nach Nord- und Südamerika gebracht wurden. Dieser Teil der Geschichte von Nantes wurde viele Jahre lang verschwiegen, bis die Bewegung, die das Schweigen brechen wollte, den Bau des Denkmals erreichte.

In der englischen Stadt Liverpool gibt es ein Internationales Museum der Sklaverei. Auch das Emirat Katar und Kuba haben solche Museen eröffnet und führen gemeinsam mit der UNESCO Projekte durch.

Der gefeierte amerikanische Jazzmusiker Marcus Miller, Sprecher des 'Slave Route Projects', nutzt seine Musik auch dazu, das Publikum für das Thema Sklaverei zu sensibilisieren. Vor einem Auftritt mit afrikanischen Musikern in Paris erklärte Miller, er wolle den Fokus auf die Widerstandskraft derjenigen richten, die zu Sklaven gemacht wurden und die gegen die jahrhundertelangen Grausamkeiten gekämpft haben. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/09/breaking-silence-on-the-slave-trade/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2014