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ARBEIT/3066: ILO-Report - Insbesondere junge Menschen sind Verlierer der Krise (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 23 vom 5. Juni 2020
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Wen trifft es?
ILO-Report: Insbesondere junge Menschen sind Verlierer der Krise

Von Klaus Wagener


Rund zehn Wochen, nachdem das neue Coronavirus begonnen hat, sich über den gesamten Globus zu verbreiten, werden die harten Konsequenzen für die arbeitende Bevölkerung in der sozialökonomischen Datenlage deutlich. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat dazu in ihrem aktuellen Report "Covid-19 und die Welt der Arbeit" bedrückende Zahlen veröffentlicht:

  • 94 Prozent der globalen Arbeiterschaft leben in Ländern, die in irgendeiner Form von Betriebsschließungen betroffen sind.
  • Der Verlust an Arbeitsstunden, relativ zum letzten Quartal 2019, beträgt minus 10,7 Prozent. Das entspricht einem Verlust von 305 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen (bei 48 Stunden/Woche). Regional betrachtet haben Süd- und Nordamerika mit minus13,1 Prozent sowie Europa und Zentralasien mit minus12,9 Prozent die größten Verluste zu verzeichnen.
  • Die Verluste an Arbeitsstunden hätten sich durch eine bessere Test- und Trackingintensität, nach den Richtlinien der WHO, signifikant um über 50 Prozent vermeiden lassen.

"Junge Menschen sind die hauptsächlichen Opfer der sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie", stellt der Report fest, "und es besteht die Gefahr, dass sie dadurch für ihr gesamtes Arbeitsleben gezeichnet sind." Es sei das Entstehen einer "Lockdown-Generation" zu befürchten. Die aktuellen Zahlen zeigten eine unverhältnismäßig starke Betroffenheit junger Menschen durch die Covid-19-Krise. Es gebe vielfältige "Schocks" durch die Unterbrechung der Ausbildung, des Arbeitsverhältnisses, des Verlustes von Einkommen und die Probleme, eine Arbeit zu finden.

Die Zahlen in den neoliberal ausgerichteten globalen Ökonomien sind in der Tat erschreckend: "Insgesamt 178 Millionen junge Arbeiter (bis 24 Jahre) weltweit, mehr als vier von zehn jungen Menschen in einem Arbeitsverhältnis arbeiteten in einem schwer betroffenen Sektor, als die Krise begann. Etwa 77 Prozent (oder 328 Millionen) der jungen Arbeiter arbeiten in informellen, prekären Arbeitsverhältnissen, verglichen mit etwa 60 Prozent bei erwachsenen Arbeitern (25 Jahre oder älter). (...) Schon vor der Krise waren 267 Millionen junge Menschen nicht in einem Beschäftigungsverhältnis, nicht in einer Ausbildung oder einem Trainingsprogramm." Durch die Krise habe mehr als jeder sechste seinen Job verloren, der "Verlust an Arbeitsstunden für junge Menschen liegt bei 23 Prozent". Rund die Hälfte der jungen Studenten berichtete von einer Verzögerung beim Abschluss ihrer Ausbildung, etwa 10 Prozent erwarteten, sie überhaupt nicht beenden zu können.

Allein auf dem US-Arbeitsmarkt ist der Einbruch dramatisch. Allein in den letzten zehn Wochen hatten sich 40,7 Millionen Menschen als jobsuchend gemeldet. Das ist ein Viertel der offiziell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Arbeiter. Der Prozentsatz der Nicht- oder Unterbeschäftigten hat den der Großen Depression erreicht. Viele durch langjährige strukturelle Arbeitslosigkeit Entmutigte haben sich schon nicht mehr registrieren lassen. Viele kleine und mittlere Unternehmen stehen vor dem Ruin. Während große Firmen wie Boeing, die Billionen verschlingende US-Kriegsmaschine und die umweltzerstörende und darüber hinaus unprofitable Frackingindustrie mit Billionen frisch gedruckter Dollar durch die Krise subventioniert werden, stehen zig Millionen Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz. Insbesondere für junge Menschen, die jetzt in einer Ausbildung stehen und dafür hohe Kredite aufnehmen müssen, als auch für jene, die jetzt ihre berufliche Karriere starten, sind die Aussichten düster. Es sind nicht nur die neoliberal zugerichteten Arbeitswelten, sondern auch die Erfahrungen einer tiefgreifenden Krise des kapitalistischen Systems insgesamt, die sie erwarten.

In den gleichen zehn Wochen konnten die US-Milliardäre einen Zugewinn von 485 Milliarden Dollar verbuchen. Allein Jeff Bezos (Amazon) und Mark Zuckerberg (Facebook) brachten es zusammen auf ein Plus von 63 Milliarden Dollar. Seit Ronald Reagan (1980 bis 2020) wuchs das Vermögen der US-Milliardäre um 1.130 Prozent. Nun kommt die Corona-Bonanza dazu. Die Krise wird die obszöne materielle Ungleichheit in den kapitalistischen Hauptstaaten weiter dramatisch verschärfen.

Die Wucht der Krisenentwicklung sowie die dramatische Kapital-Überakkumulation lassen die Hoffnungen auf eine rasche ökonomische Erholung als kaum realistisch erscheinen. Im ersten Teil der Krise, ab 2007, konnte sich der "Westen" auf die "Konjunkturlokomotive" China verlassen. Das dürfte nun mit dem von der Trump-Regierung gestarteten Wirtschafts- und Technologiekrieg, der konfrontativen Pandemiepolitik und der allgemeinen Entkopplungsstrategie gestorben sein. Für den "Exportweltmeister" Deutschland stellt sich darüber hinaus die Frage, an wen denn die tollen deutschen Produkte verkauft werden sollen, wenn der Shutdown wieder aufgehoben wird. Die deutsche Realwirtschaft lebt zu gut 50 Prozent vom Export. Da kommt die Anti-China- und Anti-Russland-Rhetorik des deutschen Außenministers irgendwie schon dem Versuch nahe, Harakiri zu begehen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 52. Jahrgang,
Nr. 23 vom 5. Juni 2020, Seite 13
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2020

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