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BANK/452: Restrukturierungsgesetz - richtige Lehren aus der Finanzmarktkrise (BMJ)


Bundesministerium der Justiz - Berlin, 25. August 2010

Restrukturierungsgesetz: Bundesregierung zieht die richtigen Lehren aus der Finanzmarktkrise


Zu dem heute vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums und des Bundesjustizministeriums zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Der Gesetzentwurf zieht die richtigen Lehren aus der Finanzmarktkrise. Enteignungen wie bei der HRE sind - auch als Ultima Ratio - mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht in Einklang zu bringen. Das Restrukturierungsgesetz bietet mit seinem Verfahren eine klare Alternative zur Enteignung. Der Gesetzentwurf stellt sicher, dass Bankinstitute weit unterhalb der Schwelle der Enteignung in einem geordneten Verfahren frühzeitig saniert werden können. Das Restrukturierungsgesetz setzt auf Privatautonomie und stärkt die Eigenverantwortung der Unternehmer. Das Modell bietet die Chance, eigenverantwortlich und zunächst ohne Eingriffe in Aktionärsrechte die Sanierung des Kreditinstituts einzuleiten. Ziel ist es, die Schieflage einer systemrelevanten Bank ohne Gefahr für das Finanzsystem zu bewältigen und dafür zu sorgen, dass Restrukturierung und geordnete Abwicklung einer solchen Bank nicht, wie in der Vergangenheit, durch die öffentliche Hand, sondern vorrangig vom Finanzsektor selbst finanziert werden. Aus ordnungspolitischen Gründen sollten staatliche Eingriffe nur dann ergriffen werden, wenn es den Beteiligten nicht gelingt, im Wege von Verhandlungen eine angemessene Bewältigung der Krise zu erreichen.

Zum Hintergrund:

Bankenrestrukturierung
Das Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung (Restrukturierungsgesetz) stellt ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem unter Vermeidung von Enteignungen die Schieflage einer systemrelevanten Bank ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems bewältigt werden kann. Zudem wird dafür Sorge getragen wird, dass Eigen- und Fremdkapitalgeber die Kosten der Insolvenzbewältigung so weit wie möglich selbst tragen.

Reorganisationsverfahren
Aus ordnungspolitischen Erwägungen sollten staatliche Eingriffe dann und nur dann Platz greifen, wenn es den Beteiligten nicht gelingt, im Wege von Verhandlungen eine angemessene Bewältigung der Krise zu erreichen. Das in Artikel 1 des Entwurfs enthaltene Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG-E) sieht daher mit Sanierungsverfahren und Reorganisationsverfahren ein zweistufiges Verfahren vor, das einen effektiven Rahmen für kollektive Verhandlungslösungen schaffen soll. Das Verfahren wird ausschließlich auf Initiative des Kreditinstituts selbst eingeleitet und dient der eigenverantwortlichen Krisenbewältigung.

Auf erster Stufe steht ein Sanierungsverfahren, mit dem die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch frühes und entschiedenes Handeln ohne Eingriffe in Drittrechte auf der Ebene der Geschäftsführung bewältigt werden können.

Das auf zweiter Stufe stehende Reorganisationsverfahren orientiert sich grundsätzlich an dem bekannten Insolvenzplanverfahren. In dieser Verfahrensstufe können neben den Gläubigern unter strengen Voraussetzungen auch die Anteilseigner einbezogen werden, damit sie einen erfolgversprechenden Reorganisationsplan nicht vereiteln können. Sie werden jedoch nicht enteignet, sondern nehmen als eigene Abstimmungsgruppe aktiv am Planverfahren teil und können so ihre Vermögensinteressen wahren.

Insgesamt stellen Sanierungs- und Reorganisationsverfahren damit ein breites Instrumentarium zur Verfügung, von dem je nach den Umständen des Einzelfalls unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht werden kann.

Aufsichtsrechtliches Eingriffsverfahren
Sind die Beteiligten nicht bereit, aktiv an einer Reorganisation des Kreditinstituts mitzuwirken oder bieten ihre Sanierungsbemühungen keine Gewähr für die Abwendung der Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems, sind staatliche Eingriffe zur Abwendung dieser Gefahren notwendig. Dies ist nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil verhindert werden muss, dass die privaten Akteure eine Verhandlungslösung in der Erwartung scheitern lassen, dass der Staat ohnehin einspringen wird, um die unerwünschten gesamtwirtschaftlichen Schäden abzuwenden. Es muss daher möglich sein, die zur Abwendung der Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems erforderlichen Maßnahmen auch gegen den Willen des Instituts und der an ihm beteiligten Anteilsinhaber ergreifen zu können.

Die hierfür erforderlichen aufsichtsrechtlichen Eingriffsinstrumentarien stellt Artikel 2 des Restrukturierungsgesetzes zur Verfügung. Die dort vorgesehenen Änderungen des Kreditwesengesetzes werden es der BaFin erlauben, die systemrelevanten Teile und Funktionen des Instituts von den Folgen einer bevorstehenden Insolvenz abzuschotten, sofern dies zur Verhinderung negativer Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzmarktes erforderlich ist. Die Abschottung der systemrelevanten Unternehmensteile von den Insolvenzfolgen erfolgt durch eine Übertragung auf einen anderen Rechtsträger. In dieser Übertragung liegt keine Enteignung. Die Anteilsinhaber des notleidenden Instituts behalten weiterhin ihre Anteile. Für die übertragenen systemrelevanten Unternehmensteile erhält dieses Institut Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger, so dass sowohl das Institut als auch dessen Anteilsinhaber an den übertragenen Unternehmensteilen beteiligt bleiben.

Bankenabgabe
Die Rettung systemrelevanter Banken darf nicht allein auf Kosten der Steuerzahler gehen. Die Kreditwirtschaft muss durch die Bankenabgabe ihren Beitrag zur Bekämpfung künftiger Krisen und zur Restrukturierung von systemrelevanten Banken leisten. Durch die Bankenabgabe wird zum einen die künftige Haftung des deutschen Steuerzahlers begrenzt. Zum anderen liefert sie einen wichtigen Beitrag zur Krisenprävention, indem die Beitragsbemessung am jeweiligen systemischen Risiko eines Kreditinstituts ausgerichtet ist.

Verlängerung von Verjährungsfristen
Schließlich sollen die Verjährungsfristen für die Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten von börsennotierten Aktiengesellschaften von fünf auf zehn Jahre verlängert werden. Die Verlängerung der Verjährungsfrist sorgt dafür, dass für die Durchsetzung von Ersatzansprüchen bei Managementfehlern genügend Zeit bleibt, auch wenn Ansprüche erst spät bekannt werden oder sich erst personell neu aufgestellte Gesellschaftsorgane zur Durchsetzung entscheiden. Die Finanzmarktkrise kann so sorgfältig und in Ruhe aufgearbeitet werden.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 25.08.2010
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer
Redaktion: Dr. Thorsten Bauer, Dr. Katharina Jahntz,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2010