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BERICHT/200: Ein Jahr Krise (BMF)


Bundesministerium der Finanzen (BMF) - Newsletter vom 15. September 2009

Ein Jahr Krise
Wie sich die Finanzkrise seit dem 15. September 2008 entwickelt hat


Am 15. September 2008 war klar, dass auf den internationalen Finanzmärkten nichts bleiben würde, wie es war. Der "schwarze Montag", an dem die US-Bank Lehman Brothers Insolvenz anmeldete, markierte einen Wendepunkt in der Entwicklung der Finanzkrise. Was als amerikanische Subprime-Krise um wahllos verschleuderte Immobilienkredite begann, wurde zu einem Skandal, der weltweit Banken und Wirtschaftsunternehmen erfasste.


Von der Wall Street nach Berlin

Lehman Brothers, einst mächtigste Bank im internationalen Wertpapierhandel, hatte, wie sich zeigte, viel zu lange mit heißer Luft gehandelt: Die massenhaft vergebenen Kredite an amerikanische Eigenheimkäufer, die in Wahrheit gar nicht in der Lage waren, diese je wieder zurückzuzahlen, waren wieder und wieder weiterverkauft, zu neuen Produkten gebündelt und quer über den Globus verteilt worden. Die lange Jahre von der US-amerikanischen Regierung vertretene Devise, das Kleingedruckte der Verträge müsse man ja so genau nicht lesen (G. W. Bush im Jahr 2002), hatten viele offenbar allzu gerne wörtlich genommen.

Auch deutsche Banken hatten sich am lange äußerst lukrativen Kredithandel beteiligt. Als die Immobilienblase platze und Lehman schließlich Insolvenz anmeldete, brach mehr zusammen als nur eine amerikanische Bank. Das Vertrauen auf den internationalen Finanzmärkten war verschwunden, keine Bank lieh der anderen mehr Geld, am Ende der Kette fürchteten Bürger um ihre Ersparnisse und Unternehmen um ihre Kredite.

Das Beben reichte bis an den Kabinettstisch der Bundesregierung, die sich plötzlich mit der Frage konfrontiert sah, wie ein Zusammenbrechen deutscher Banken in der Folge der Lehman-Pleite zu verhindern sei. Die Sicherheit des gesamten Finanzsystems stand plötzlich auf dem Spiel. Der Begriff "systemrelevant" tauchte erstmals auf - als Attribut für diejenigen Banken, deren Erhalt als alternativlos weil von immenser Bedeutung für den deutschen Finanzmarkt und die deutsche Wirtschaft eingestuft wurde.

Die Bundesregierung beschloss, Banken zu helfen und sie vor der Insolvenz zu retten. Mit Krediten und Garantien sollte das Schlimmste vermieden werden - nämlich ein Dominoeffekt, der den Bankensektor und die deutsche Realwirtschaft in den Abgrund reißen könnte.


Die Rettung der HRE

Der berühmteste Fall in der Geschichte der deutschen Bankenrettung ist der Fall der Münchner Hypo Real Estate (HRE), einer Bank, die vor allem mit Immobilienfinanzierungen ihr Geld verdient. Sie stand im Herbst 2008 vor der Pleite. Die HRE wurde als erste deutsche Bank finanziell unterstützt und am Ende sogar vom Bund übernommen. Der Staatsanteil an der Hypo Real Estate erhöhte sich auf mehr als 90 Prozent. Gesetzliche Grundlage hierfür ist das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, das im Oktober 2008 beschlossen wurde. Eine in der Ergänzung des Gesetzes beschriebene Lösung ist die vollständige Übernahme eines angeschlagenen Finanzinstitutes durch den Staat.

Der Einsatz für die HRE hat der Bundesregierung heftige Kritik beschert: Am 23. April 2009 wurde vom Bundestag ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Einzelheiten des Vorgehens nachvollziehen soll. Am 20. August 2009 musste auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sein Handeln vom Herbst 2008 verteidigen. "Wir waren in einer Situation, für die es kein Drehbuch gab", sagte Steinbrück vor dem Ausschuss. Tage- und nächtelang habe man versucht, eine Katastrophe für das deutsche Finanzsystem zu verhindern, der "Kernschmelze des Weltfinanzsystems" etwas entgegen zu setzen. Am Ende sprang der Staat mit Garantien in Milliardenhöhe ein, um die Bank zu retten.


Handeln, wenn Handeln geboten ist

Mit zahlreichen Gesetzen und zwei wirkungsstarken Konjunkturpaketen steuerte die Bundesregierung nun gegen wo sie nur konnte. Bereits Ende Januar 2009 wurde deutlich, was das für die Haushaltslage bedeutet: Die Bundesregierung beschließt den ersten Nachtragshaushalt 2009. Die antizyklische Finanzpolitik erfordert eine höhere Neuverschuldung, um in der Krise handlungsfähig zu sein. Der von der Bundesregierung beschlossene Haushalt 2010 beinhaltet eine Rekordneuverschuldung von rund 86 Milliarden Euro, lediglich sechs Milliarden Euro waren vor Ausbruch der Krise vorgesehen. Anfang Juli stimmt der Bundestag dem zweiten Nachtragshaushalt für das Jahr 2009 zu.


Bürger, Banken und Unternehmen

Bürgerinnen und Bürger werden steuerlich entlastet und finanziell unterstützt, Unternehmen erhalten Sicherheiten: Im Rahmen des Konjunkturpakets 2 wird der "Wirtschaftsfonds Deutschland" eingerichtet. Der Fonds soll Bürgschaften und Kredite an Unternehmen vergeben, die durch Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in eine finanzielle Schieflage geraten sind. Insgesamt werden für den Fonds 115 Milliarden Euro bereitgestellt. Anfang September 2009 beschließt die Bundesregierung zusätzlich Hilfen von insgesamt 17,5 Mrd EUR zur Vermeidung einer drohenden Kreditklemme. So bleibt gewährleistet, dass Unternehmen dringend benötigte Kredite auch erhalten.

Um dem Problem der toxischen Wertpapiere in den Bilanzen der Banken Herr zu werden, beschließt der Bundestag am 3. Juli das Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz. Banken haben nun die Möglichkeit, Wertpapiere an "Bad Banks" auszulagern und damit ihre Bilanzen zu bereinigen. Mit dem so genannten "Bad Bank-Gesetz" führt die Bundesregierung ihre Maßnahmen zur weiteren Stabilisierung der Finanzmärkte fort, ebenso mit der Verbesserung der Finanzmarktaufsicht durch das "Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht".


Ein Jahr danach

Ein Jahr nach dem "Schwarzen Montag" bleibt vor allem eine drängende Frage: Wer soll die Zeche zahlen? Wer steht am Ende für die Kosten dieser Krise gerade? Für die Bundesregierung ist die Antwort klar: Es müssen die zur Verantwortung gezogen werden, die den Schaden mit verursacht haben. Welche Maßnahmen hier ergriffen werden können, wird auch international diskutiert.


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Quelle:
BMF-Newsletter vom 15.09.2009
Herausgegeben vom Referat K (Kommunikation) des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2009