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DISKURS/091: Zur Bedeutung von Autonomie, Anerkennung und Sicherheit durch Arbeit (spw)


spw - Ausgabe 3/2010 - Heft 178
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft

Arbeits-Sinn - Zur Bedeutung von Autonomie, Anerkennung und Sicherheit durch Arbeit
Einleitung zum Schwerpunkt

Von Bettina Kohlrausch, Thilo Scholle und Stefan Stache


Trotz anhaltend hoher Arbeitslosigkeit hat sich an der Bedeutung von Erwerbsarbeit nichts geändert. Faktisch besteht nach wie vor das Paradigma, dass gesellschaftliche Integration vornehmlich über Erwerbsarbeit stattfindet. Spätestens seit den Gesetzen "für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" ist klar - und das scheint in dieser Ausprägung eine neue Entwicklung zu sein - dass dieses Paradigma auch für die Organisation von Erwerbslosigkeit und ihrer sozialstaatlichen Einbettung maßgeblich ist.

Einerseits manifestiert sich die Entwicklung in Tendenzen zur "Entgrenzung" von Erwerbsarbeit: Für bestimmte Teile der Erwerbsbevölkerung ist Erwerbsarbeit der absolut dominierende Lebensbereich, neben dem Freizeitaktivitäten oder Zeit mit Freunden und Familie kaum noch möglich sind. Das liegt nicht nur an der quantitativen Ausweitung von Arbeit, sondern auch an einer anderen Organisation von Arbeit. Für einen Teil der Erwerbsbevölkerung sind die Lebensbereiche der "Erwerbstätigkeit" und "Nicht-Erwerbstätigkeit" eng miteinander verschränkt und zunehmend schwerer voneinander abzugrenzen.

Andererseits manifestiert sich diese Entwicklung im sogenannten "Aktivierungsparadigma", das spätestens seit den Hartz-Gesetzen prägend für die aktive Arbeitsmarktpolitik ist. Ziel dieser Gesetze war es vor allem, durch einen Ausbau von Bildung und Training Arbeitsmarktintegration für möglichst weite Teile der Gesellschaft zu ermöglichen. Letztere wird allerdings als eigenverantwortlicher Akt begriffen, den der/die Einzelne selbst gestalten muss. In der Konsequenz bedeutet das "Aktivierungsparadigma" somit auch eine Individualisierung von (sozialstaatlicher) Verantwortung. Die zweite Tendenz impliziert auch, dass Arbeitslose häufig in subjektiv als sinn- oder würdelos empfundene Maßnahmen vermittelt werden, ohne dass eine reale Arbeitsmarktintegration - oder die Erhöhung der Chancen darauf - stattfindet.

Ein nicht geringer Teil der Linken reagiert auf diese Entwicklung mit Forderungen nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Die Popularität dieser Forderung hat sicherlich viel mit der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt zu tun. Menschen sollen die Möglichkeit bekommen, sich der Allmacht des Aktivierungsparadigmas zu entziehen. Ob diese Forderung allerdings die realen Bedürfnisse von Menschen trifft und ob die Organisation von Erwerbsarbeit für die Gestaltung einer solidarischen Gesellschaft nicht nach wie vor einen zentralen Stellenwert hat, ist damit noch nicht beantwortet.

Wenn überhaupt, ist die Frage nach der Zukunft der Arbeitsgesellschaft auch in der Linken hauptsächlich auf einer instrumentellen Ebene beantwortet worden. Dies ist vor allem auf die arbeitspolitischen Debatten in Deutschland der letzten Jahre zurückzuführen, die von den Diskussionen über die Reformen des Arbeitsmarktes geprägt waren. Im Kern ging es dabei um das Verhältnis von "Fördern und Fordern", vor allem aber um die Ausgestaltung der Höhe und den Umgang mit Sanktionen im Bereich des Arbeitslosengeldes II (Hartz IV). Die kurze Verweildauer im ALG I und der drohende tiefe Fall in das ALG II trug zur Verunsicherung und Verbitterung weiter Teile der ArbeitnehmerInnenmitte bei. Im Kern ging es damit ausschließlich um die Frage, wie Menschen in Arbeit gebracht werden können, bzw. wie die Situation von Menschen ohne Arbeit ausgestaltet werden soll.

Die Linke reagierte darauf mit Forderungen nach einer besseren und solidarischen Ausgestaltung der Absicherung sozialer Risiken (Stichwort: Arbeitsmarktversicherung). Dabei wird es nicht reichen, schlicht die Zentralität von Erwerbsarbeit als Faktum zu postulieren, und dann nur Vorschläge zu einer mehr oder minder solidarischen Ausgestaltung zu machen.

Es bedarf darüber hinaus einer Auseinandersetzung darüber, was gute Arbeit ist. Zwar gab es gleichnamige Kampagnen der Gewerkschaften, und Beschlüsse von SPD und Jusos, die die Wichtigkeit von guter Arbeit betonten. Mit welchen gesellschaftlichen Herausforderungen wir es aber bei der Gestaltung guter Arbeit zu tun haben, ist noch unzureichend beleuchtet. Diese Debatte ist umso wichtiger, als die Erfahrungen mit der "Integration in Erwerbsarbeit" durch die Regierungspolitik der vergangenen Jahre gezeigt haben, dass die "Integration" in sinnlose Arbeit weder zu gesellschaftlichem Mehrwert noch zu persönlicher Befriedigung führt.

Die Diskussion um Integration in Erwerbsarbeit muss daher notwendigerweise auch durch eine Diskussion um "gute Arbeit" ergänzt werden. Der Heftschwerpunkt knüpft damit an die spw 164 "Alles gute Arbeit?" an. Die Beiträge beleuchten die Hintergründe problematischer Entwicklungen in der Arbeitswelt entlang der Themen Veränderung der Arbeits- und Betriebsorganisation, psychische Erkrankungen sowie geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Verteilung von (Erwerbs-)Arbeit. Sie heben in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Autonomie, Anerkennung und Sicherheit als Voraussetzung für gute Arbeit hervor.

Wie Michael Vester und Christel Teiwes-Kügler betonen, geht es den ArbeitnehmerInnen um den Sinn der Arbeit, des Produktes und um die Autoritäts- und Anerkennungsverhältnisse im Betrieb. So seien die Ansprüche an Selbstverwirklichung, Fachkönnen und Gestaltungsspielräume gewachsen. In Studien für die IG Metall untersuchen die AutorInnen, wie technologischer Wandel und die Durchsetzung neoliberaler Betriebsorganisation von den Berufsmilieus der Maschinenbau-, Elektronik- und Automobilbranchen verarbeitet werden. Am Beispiel der Berufsmilieus von Ingenieuren und Technikern sowie jungen Facharbeitern zeigen sie, dass sich scheinbar ausschließende sozio-ökonomische Prozesse - Autonomiegewinn durch berufliche Hochqualifikation oder Autonomieverlust durch soziale Deregulierung - gegenseitig durchdringen. Die Menschen reagieren auf die Verhaltenszumutungen und Lernaufforderungen durch soziale Unsicherheit und bürokratische Reglementierungen ihrer Arbeit aktiv, mit unterschiedlichen Strategien. Dabei träfen sie auf das widersprüchliche Konfliktfeld der gesellschaftlichen Gruppen. Ob sich z.B. das Berufsmilieu der Ingenieure gewerkschaftlich oder in Berufsverbänden organisiere oder mit individualisierten Strategien reagiere, hänge neben ihrer milieubedingten Prägung von den Unternehmensstrategien und der Regionalkultur ab.

Auch in anderen Branchen nehmen Fremdbestimmung am Arbeitsplatz, Überforderung und der Mangel an Gratifikation für die geleistete Arbeit stetig zu und erreichen ein Ausmaß, welches nicht nur die Beeinträchtigung der Lebensweise, sondern immer häufiger psychische Erkrankungen zur Folge hat. Auf die zunehmende Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Arbeitswelt geht Thomas Bär, wissenschaftlicher Referent der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK), ein. Er stellt dabei heraus, dass "Stress" bzw. eine hohe psychische Belastung zum einen dann zu erwarten ist, wenn hohe Anforderungen in Verbindung mit geringer Kontrolle über die Arbeitstätigkeiten auftreten. Zum anderen führt ein Ungleichgewicht zwischen beruflicher "Verausgabung" und als Gegenwert erhaltener "Belohnung" zu Stressreaktionen. Belohnung meint damit insbesondere menschliche Wertschätzung, beruflichen Status, Aufstiegschancen, Arbeitsplatzsicherheit und eine ausbildungsadäquate Beschäftigung. Die Zunahme psychischer Erkrankungen in der Arbeitswelt deutet auf ein hohes Maß an empfundener Fremdbestimmtheit und Mangel an Entschädigung für geleisteten Arbeitseinsatz hin. Zum einen kann diesen Entwicklungen durch insbesondere betriebliche Gegenstrategien im Bereich des Gesundheitsschutzes und der Arbeitsorganisation begegnet werden, wozu Bär einige Handlungsansätze einbringt. Darüber hinaus werden durch die beschriebenen Probleme aber auch die alten Fragen nach Mitbestimmung am Arbeitsplatz und angemessener Entschädigung für als "verausgabend" empfundene Arbeit neu aufgeworfen.

Grundsätzlich zeigen beide Beiträge, dass die Ausprägung der beschriebenen Phänomene von der Verarbeitung in den sozialen Milieus und Berufsfeldern sowie der institutionellen Einbettung der Veränderungsprozesse wie z.B. durch Unternehmenskulturen und gewerkschaftlicher Organisationsmacht, abhängt.

Schließlich spielen die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der Verteilung von Erwerbs-, Sorge- und Hausarbeit bei der Bewertung guter Arbeit eine zentrale Rolle (vgl. spw 162 "Who cares about care?"). Aus feministischer Perspektive weist Alexandra Scheele u.a. darauf hin, dass Erwerbsarbeit die gesellschaftlich notwendige Arbeit nur teilweise widerspiegele. Frauenerwerbstätigkeit und die Infragestellung der geschlechtszuschreibenden Arbeitsteilung verdeutlichten den Zusammenhang zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit bzw. von Erwerbsarbeit und anderen Lebensbereichen. Damit rückten bislang als "Liebe" unhinterfragte und nur im Privaten verhandelte Bereiche ins öffentliche Bewusstsein. Vor diesem Hintergrund solle, so Scheele, der Wert und die Bewertung von Arbeit kritisch überprüft werden und sich an den gesellschaftlichen Bedürfnissen festmachen. Als konkrete Perspektive zur geschlechtergerechten Verteilung der Teilhabe und Emanzipationsmöglichkeiten über Erwerbsarbeit sowie der Haus-, Sorge- und Betreuungsarbeit bringt Scheele die Verkürzung der Arbeitszeit in die Debatte ein. Gleichwohl stelle sich die grundsätzliche Frage, was der Kapitalismus als Gesellschaftssystem leisten könne. Es gehe u.a. um die Überwindung der an rein quantitativen Produktivitätskriterien orientierten Wachstumsideologie und die Verkürzung von Erwerbsarbeit auf industrielle bzw. technische Bereiche.

Theoretisch abgerundet werden die Beiträge über geschlechtergerechte Autonomie, Anerkennung und Sicherheit als wichtige Dimensionen guter Arbeit von Christina Ujma. Ihr Artikel zeichnet die Entwicklung der marxistisch geprägten Diskussion über die Entfremdung der Arbeiterinnen und Arbeiter von ihrem Ausgangspunkt in den Schriften von Marx bis in die heutige Zeit nach. Für Ujma ist das Entfremdungstheorem zu Unrecht aus der öffentlichen Debatte verschwunden. Sie plädiert daher für eine Neuformulierung des Entfremdungstheorems, das Arbeit, Kultur und Leben zusammendenkt und damit eine Antwort auf die Fragen einer von wirtschaftlichem, politischem und kulturellem Umbruch geschüttelten Gesellschaft geben kann.


Abgrenzung zur Debatte um ein Grundeinkommen

Die Beiträge zeigen, dass es in einer Auseinandersetzung um die Zukunft von Erwerbsarbeit um ihre inhaltliche Ausgestaltung und gesellschaftliche Einbettung gehen muss. Hiervon darf die Debatte darüber, wie man Teilen der Bevölkerung ganz oder teilweise ermöglichen kann, nicht am Erwerbsleben teilzunehmen, nicht ablenken. Abschließend soll daher an dieser Stelle bewusst eine Abgrenzung zur öffentlichen Debatte über das Modell eines BGE vorgenommen werden. Der Kreis der BefürworterInnen eines solchen Projekts reicht vom neoliberalen Ökonomen Thomas Straubhaar aus Hamburg über den Unternehmer Götz Werner und den ehemaligen Thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus bis hin zu Politikerinnen und Politkern v.a. der Grünen und der Linkspartei.

Ein einheitliches Modell des BGE gibt es dabei zwar nicht. Gemeinsames Ziel aller Modelle ist aber das Postulat, den Menschen von einem Zwang zur Arbeit zu befreien. Gemeinsam ist allen Modellen weiterhin, dass es grundsätzlich ohne Bedingung, also ohne Prüfung der individuellen Bedürfnisse, an alle Menschen (auch an Millionäre) ausgezahlt werden soll. Sehr unterschiedlich sind die Vorstellungen, was die Höhe und die Gegenfinanzierung des Modells anbetrifft. Die Spannbreite reicht hier von Beträgen die nur unwesentlich über den aktuellen Sätzen des ALG II liegen, bis hin zu Summen von etwa 1500 Euro im Monat. Als Finanzquellen werden je nach Modell die Mehrwertsteuer oder beispielsweise die bisher für die Sozialversicherungen aufgebrachten Beträge genannt.

Eine der - begründungslos gelieferten - Grundannahmen der BefürworterInnen ist, dass der Menschheit die Arbeit ausgehe. Vollbeschäftigung sei nicht mehr vorstellbar, mit dem Grundeinkommen biete sich somit eine gute Sicherung der Menschen an, die keine Arbeit mehr hätten.

Ronald Blaschke, Sprecher des "Netzwerks Grundeinkommen", grenzt sich mit dem Konzept sowohl gegen marktliberale als auch keynesianistische Konzepte ab. Demnach liege beiden Richtungen eine Übereinstimmung zugrunde, nach der notwendige, sinnvolle und nützliche Tätigkeit nur als marktförmige Arbeit vorstellbar sei. "Marktarbeit" sei daher für beide wirtschaftspolitischen Denkschulen ein unhinterfragtes Gut und somit grundsätzlich zu befördern. Das Bedingungslose Grundeinkommen ermögliche den Schritt aus der Marktlogik heraus.

Demgegenüber geht selbst einer der "geistigen Väter" eines BGE, der französische Philosoph André Gorz, davon aus, dass ein BGE nicht systemüberwindend ist. Es sei kein Zweck an sich, sondern solle helfen, die Erkenntnis zu verbreiten, dass das Existenzrecht des Einzelnen nicht von der Leistung warenförmiger Arbeit abhängen dürfe. Eine Überwindung des kapitalistischen Systems schließe aber eben doch auch eine Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise mit ein.

Unbeantwortet bleibt hingegen die Frage, auf welchen materiellen Grundlagen ein solches Konzept finanziert werden soll. Offensichtlich gehen viele BefürworterInnen eines BGE davon aus, dass wir bereits jetzt in einem Überfluss an materiellen und immateriellen Gütern leben, der nur noch mit wenig Arbeit reproduziert werden müsse. Fragen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wachstum spielen keine Rolle und es bleibt daher unklar, wie gesellschaftliche Stagnation vermieden werden soll. Nur: Wer Reichtum verteilen will, muss auch sagen, wie er produziert werden soll, und dass auf einer Grundlage, die den sich wandelnden Bedürfnissen der Menschen und gesellschaftlichen Bedarfen entspricht.

Viel diskutiert ist zudem die Frage nach dem Wert der Arbeit. Arbeit ist im kapitalistischen System stets auch von strukturellen Herrschaftsverhältnissen und dem Ungleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit geprägt. Der Kampf um gute Arbeit und menschenwürdige Arbeitsbedingungen ist aktueller denn je. Die meisten GrundeinkommensbefürworterInnen können sich eine Befreiung von der Entfremdung durch die bewusste Organisation und Gestaltung gesellschaftlicher Arbeit nicht vorstellen und treten deshalb für Freiheit von Arbeit ein. Richtig ist aber, eine Diskussion über Arbeitsbedingungen und die Verteilung von Arbeit zu führen - also über Autonomie, Anerkennung und Sicherheit durch Arbeit.

Das Grundeinkommen ist scheinradikal. Es suggeriert eine gesellschaftsverändernde Kraft, die es nicht hat. Zwar wird der Verteilungsmodus des gesellschaftlichen Reichtums leicht verändert. Die grundsätzliche Ungleichheit der Besitz- und Eigentumsverhältnisse und daraus folgend der Eigentums- und Vermögensverteilung bleibt jedoch unangetastet.

Auf der wirtschaftsliberalen Seite des politischen Spektrums erfüllt das BGE die Sehnsucht nach einem harmonischen Kapitalismus. Danach lässt sich das Grundeinkommen als ein Stück "Utopischer Kapitalismus" begreifen, das seinen BefürworterInnen die Hoffnung auf eine harmonische Marktgesellschaft macht, die frei von Klassen- und Interessengegensätzen ist und in der sowohl der Markt als auch der Mensch wirklich frei sind.

Im Ergebnis wird es aber wohl tatsächlich eher darauf hinauslaufen, dass all diejenigen, die im gesellschaftlichen Produktionsprozess unter den Bedingungen kapital- und marktgesteuerter Erwerbsarbeit keinen Platz mehr finden, auf diesem Wege an die Seite gestellt und alimentiert werden. Vor allem: Realistisch wird wohl kaum ein Grundeinkommensbetrag über dem Existenzminimum herausspringen.

Die tatsächliche Freiheit vom Arbeitszwang bliebe wohl weiterhin eine Option für Minderheiten. Neben denjenigen, die diese Option bislang durch ihr hohes Vermögen besaßen, könnte am unteren Ende der Einkommensverteilung eine Gruppe von Menschen treten, die sich je nach Neigung dem Nichtstun oder auch "selbstbestimmten Tätigkeiten" zuwenden - "zwischen den Polen des großen Reichtums und den freiwillig oder unfreiwillig Erwerbslosen muss weiterhin Lohnarbeit geleistet werden". Daher ist Wolfgang Engler, einem grundsätzlichen Befürworter eines BGE zuzustimmen, wenn er festhält, dass eine solche Forderung erst dann Sinn ergibt, wenn "das Leben aller außer Frage steht, die Springquellen des gesellschaftlichen Reichtums kräftig sprudeln, wenn Hand und Kopf durch Technik und Technologie zunächst ergänzt, dann mehr und mehr ersetzt werden, so dass der umgekehrte Fall eintritt: Mangel an hinreichender Arbeitsgelegenheit für alle".

Bis dies der Fall ist, wird der Linken der beschwerliche Weg nicht erspart bleiben, sich konkret mit den Problemen der sich verändernden Arbeitswelt auseinanderzusetzen und gemeinsam mit Gewerkschaften für Verbesserungen einzutreten. Hier gibt es unabhängig von der Einstellung zur Frage eines bedingungslosen Grundeinkommens die Möglichkeit und Notwendigkeit, zwischen den überwiegenden Teilen des linken politischen Lagers Synergien und programmatische Synthesen herzustellen. Die Beiträge dieses Heftes zeigen, dass es dabei auch darum geht, die zum Teil ambivalent zu bewertenden Veränderungen in der Arbeitswelt richtig zu verstehen und betriebliche und gesellschaftliche Handlungsansätze miteinander zu verknüpfen.


Dr. Bettina Kohlrausch arbeitet am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen und lebt in Hannover.

Thilo Scholle ist Jurist, Mitglied der spw-Redaktion und lebt in Münster.

Stefan Stache ist Chefredakteur der spw.


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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 3/2010, Heft 178, Seite 11-16
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2010