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ENTWICKLUNGSHILFE/090: Öffentliche Fonds zur Finanzierung von Basisdiensten in armen Ländern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Mai 2012

Entwicklung: Öffentliche Fonds zur Finanzierung von Basisdiensten in armen Ländern - Bericht zweifelt an Privatisierungserfolgen

von Johanna Treblin



New York, 22. Mai (IPS) - Seit vielen Jahrzehnten propagieren Regierungen weltweit die Privatisierung der Gesundheits-, Wasser- und Stromversorgung als effektivsten Weg, Engpässe zu beseitigen. Doch einem neuen Bericht zufolge zwingt das Scheitern der Strategie zu einem erneuten Paradigmenwechsel: dem Aufbau von Basisdiensten mit Mitteln aus staatlichen Renten- und Souveränen Wohlstandsfonds.

Würden die Investitionen dieser beiden Fonds vernünftig umverteilt, könnten sie zu einer Verbesserung der Wasser- Energie- und Gesundheitsversorgung beitragen, heißt es in dem Report des 'Municipal Services Project' (MSP). "Öffentliche Fondsgelder sollten zum Aufbau dringend benötigter Versorgungsleistungen verwendet werden", meinte der MSP-Ko-Direktor David McDonald.

MSP ist ein globales Netzwerk aus Wissenschaftlern, Gewerkschaftlern, zivilgesellschaftlichen Akteuren und Aktivisten, die nach Alternativen zur Privatisierung und Kommerzialisierung von Dienstleistungen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerika suchen. Die Initiative ist ein Joint Venture aus Forschungseinrichtungen wie der Queen-Universität in Kanada, der südafrikanischen Westkap-Universität und der bolivianischen 'Universidad Mayor de San Simón' sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie dem 'Focus on the Global South' in Bangkok und dem 'African Water Network' in Amsterdam.


Ausbau der Basisdienste auf 75 Milliarden Dollar geschätzt

Etwa 75 Milliarden US-Dollar wären nötig, um die Lücken bei der Bereitstellung von Basisdiensten in den Entwicklungsländern zu schließen. Dort haben bis zu zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser, Strom und einer rudimentären Sanitär- und Gesundheitsversorgung.

Dem MSP-Vorschlag zufolge ließen sich die öffentlichen Finanzierungsengpässe beheben, indem man die notwendigen Investitionen mit einem Teil der von Arbeitnehmern und Arbeitgebern eingezahlten Rentenbeiträge und den Mitteln des Souveränen Wohlstandsfonds tätigt, die Staatseinnahmen wie Haushalts- und Handelsüberschüsse verwalten. Zusammen verfügen beide Fonds über mehr als zehn Billionen US-Dollar.

Doch bisher werden die Gelder in den Privatsektor investiert. Die Fonds zielen dem MSP-Bericht zufolge auf Renditen in Höhe von durchschnittlich sieben Prozent ab, die sich aufgrund der derzeitigen Wirtschaftskrise nicht immer generieren lassen. Einige Fonds investieren in Unternehmen, die im Auftrag der Behörden Infrastrukturmaßnahmen durchführen.

Würden die beiden Fonds nur ein Prozent ihrer Vermögenswerte in den Auf- oder Ausbau der öffentlichen oder öffentlich betriebenen Infrastrukturen investieren, käme dem MSP-Bericht zufolge ein Startkapital von bis zu 100 Milliarden US-Dollar zustande - 25 Milliarden Dollar mehr, als zur Beseitigung der weltweiten Versorgungsdefizite notwendig wären.

Wie wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, zahlen sich die Investitionen in den Privatsektor vor allem kurzfristig - über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren - aus. Die Investitionen der regulierten öffentlichen Fonds erweisen sich langfristig als die zuverlässigeren Einnahmequellen. Zwar werden bereits Rentenfondsgelder zur Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen verwendet, doch stecken dahinter meist private Firmen. So investiert der Ontario-Lehrerpensionsplan in drei private chilenische Wasserversorger.

"Die Privatisierung der öffentlichen Dienste hat zu verheerenden Ergebnissen geführt", meint die MSP-Sprecherin Madeleine Bélanger Dumontier. "Wenn öffentliche Anbieter privaten Einrichtungen das Feld überlassen, ziehen die Armen meist den Kürzeren", warnt sie. Zudem habe die Privatisierung der Basisversorgungsdienste enttäuschende Resultate erzielt und sei bestenfalls zur Beseitigung von Mängeln geeignet, heißt es in der MSP-Untersuchung.


Zusammenarbeit von Wissenschaft und Zivilgesellschaft

Der Bericht geht auch der Frage nach, wie Fondsmanager motiviert werden können, in die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen für die bis zu zwei Milliarden Menschen zu investieren, die nicht an das Wasser- und Stromnetz angeschlossen sind. Bélanger Dumontier zufolge ist es wichtig, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure und Fondsmitglieder Druck auf die Pensionskassen und Souveränen Wohlstandsfonds ausüben, damit zunächst einmal Gelder zu Versuchszwecken bereitstehen.

Ein solcher Schritt würde eine engere Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, NGOs, Abgeordneten und Aktivisten aus Industrie- und Entwicklungsländern erforderlich machen. Auch müsste eine internationale Koalition gegründet werden, die Fonds, Regierungen und Vereinte Nationen dazu bewegt, sich auf einige Entwicklungsziele festzulegen, die mit den öffentlichen Fondsmitteln finanziert werden sollten.

Die Durchführung von Bildungs- und Informationskampagnen sei eine weitere Strategie, um die Öffentlichkeit und Fondsteilnehmer über die Art der Investitionen und Strategien auf dem Laufenden zu halten. Fondsmitglieder sollten ihren Einfluss nutzen, Druck auf die Fondsvorstände auszuüben, damit diese in öffentliche Dienste investierten. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.municipalservicesproject.org/sites/municipalservicesproject.org/files/publications/Lipschutz-Romano_The_Cupboard_is_Full_May2012_FINAL.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107801

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. Mai 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2012