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ENTWICKLUNGSHILFE/099: Norwegen - Externer Prüfungsbericht über Legitimität von Schulden armer Länder (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. August 2013

Norwegen: Externer Prüfungsbericht über Legitimität von Schulden armer Länder

von Carey L. Biron



Washington, 20. August (IPS) - Norwegen hat als erster Geberstaat einen unabhängigen Bericht vorgelegt, der sich mit der Legitimität der Schulden von Entwicklungsändern gegenüber dem nordeuropäischen Land befasst.

Als Bewertungsgrundlagen dienten die Leitlinien zur Förderung einer verantwortungsvollen Kreditvergabe ('Principles on Promoting Responsible Sovereign Lending and Borrowing'), die eine Arbeitsgruppe der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) aufgestellt hat. Die norwegische Regierung war an dem Prozess zur Entstehung der Grundsätze aktiv beteiligt.

"Norwegen hat Maßstäbe gesetzt, indem es als erstes Geberland eine solche Überprüfung vorgenommen hat. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, um die Leitlinien zu konkretisieren und zu testen", meint Eric LeCompte, Geschäftsführer des Entschuldungsbündnisses 'Jubilee USA'.

Obwohl Norwegen zu den besseren Geberstaaten zählt, hat die von Oslo beauftragte internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 'Deloitte' herausgefunden, dass einige Kredite mit den derzeitigen Standards einer verantwortlichen Kreditvergabe nicht zu vereinbaren sind.


Andere Geber sollen folgen

Jubilee USA hat nun auch andere Geberstaaten, insbesondere die Mitglieder der Gruppe der 20 (G20) Industrie- und Schwellenländer aufgefordert, dem norwegischen Beispiel zu folgen, transparente Schuldenchecks vorzunehmen sowie Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft Einblick in die Kreditvergabe der letzten Dekaden zu geben.

Die Ergebnisse der Auswertung haben Entwicklungsorganisationen zu dem Aufruf veranlasst, Norwegen solle einzelnen Schuldnern bestimmte Kredite erlassen. "Wir hoffen, dass die norwegische Regierung nach dieser Überprüfung den nächsten Schritt gehen und die illegitimen Schulden wie schon im Fall Ägypten und Indonesien erlassen wird", meinte Gina Ekholt, Leiterin der norwegischen Koalition für den Schuldenerlass, in einer Mitteilung.

Der Untersuchungsbericht ist explizit als Modell zur Erstellung weiterer Berichte verfasst worden. Außerdem setzen sich die Deloitte-Auditoren intensiv mit den UNCTAD-Prinzipien auseinander und unterbreiten Vorschläge, wie sie effektiver gestaltet werden könnten.

Wie der norwegische Entwicklungsminister Heikki Eidsvoll Holmas bei der Veröffentlichung des neuen Überprüfungsberichts erklärte, habe man sicherstellen wollen, "dass wir unserer Verantwortung als Kreditgeber gegenüber den Entwicklungsländern nachkommen". Die Schuldenlast wirke sich in einigen armen Ländern als entwicklungshemmend aus. "Die Länder haben Schwierigkeiten, den unter ungünstigen Bedingungen zustande gekommenen Schuldendienst zu bedienen. Dagegen wollen wir vorgehen."

Die Untersuchung hatte sich 34 Schuldenabkommen mit sieben Entwicklungsländern angesehen. Obwohl die meisten dieser Verträge zwei bis drei Jahrzehnte alt sind, bewegt sich die Kreditsumme noch immer um die 170 Millionen US-Dollar. Würden die Zinsen berücksichtigt, ergäbe sich ein vier Mal so hoher Wert.

Wie aus einer Mitteilung des norwegischen Außenministeriums hervorgeht, "stellt die internationale Gemeinschaft den armen Ländern jährlich 141 Milliarden US-Dollar an Entwicklungshilfe zur Verfügung, die ihren Gläubigern jährlich 464 Milliarden zurückzahlen". Viele der Schuldenabkommen seien jedoch in einer Zeit geschlossen worden, "in der die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen unsicher waren".

In den 1980er Jahren beispielsweise haben sich die Auslandsschulden der Entwicklungsländer auf 420 Milliarden US-Dollar mehr als verdreifacht. In der gleichen Dekade ist das Bruttoinlandsprodukt dieser Länder nur unwesentlich gestiegen - von 0,9 Billionen auf 1,3 Billionen Dollar.

Die UNCTAD-Leitlinien für eine verantwortungsvolle Kreditvergabe zielen darauf ab, Klarheit in die Kreditvergabe der internationalen Entwicklungshilfe und ein größeres Maß an Rechenschaftspflicht und Verantwortlichkeit zu schaffen. Sie sollen sicherstellen, dass die Kredite der Geber zurückgezahlt werden und auch die Schuldner keine böse Überraschung durch unfaire Klauseln erleben.


Ungezügeltes Finanzsystem

"Solche Richtlinien haben bis heute keinen Eingang in das internationale Finanzsystem gefunden. Deshalb herrschen in diesen Bereichen nach wie vor Wildwestverhältnisse", erläutert LeCompte von Jubilee USA, der der UNCTAD-Arbeitsgruppe angehört hatte. Die Prinzipien für eine verantwortliche Kreditvergabe seien der Versuch, eine Minimalregulierung und mehr Transparenz zu schaffen.

Bisher haben sich 13 Länder einschließlich Deutschland den unverbindlichen Prinzipien verschrieben. Norwegen stellt sich bereits seit geraumer Zeit die Frage, inwieweit es als Gläubiger für die Verschuldung anderer Länder verantwortlich ist. Vor sechs Jahren entschloss sich die damalige Regierung, den Ländern Ägypten, Ecuador, Jamaika, Myanmar, Peru, Sierra Leone und Sudan Schulden in Höhe von mehr als 70 Millionen US-Dollar zu erlassen, die ihnen im Zusammenhang mit der norwegischen Schiffsexportkampagne aufgebürdet worden waren.

Während der Kampagne in den Jahren 1976 bis 1980 hatte die norwegische Regierung versucht, die Krise in den norwegischen Werften abzumildern, indem sie den Entwicklungsländern günstige Kredite für den Kauf norwegischer Schiffe bereitstellte. Zehn Jahre nach der Kampagne kam das norwegische Parlament zu dem Schluss, dass die Kreditnehmer keinen Vorteil aus dem Programm gezogen hatten und die Schulden somit illegitim waren.


Links:

http://slettgjelda.no/filestore/Principles.pdf
http://www.slettgjelda.no/filestore/FinalReport13Aug20132.pdf
http://www.ipsnews.de/news/news.php?key1=2012-08-2910:41:20&key2=1
http://www.ipsnews.net/2013/08/norway-sets-example-in-audit-of-poor-countries-debts/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2013