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ENTWICKLUNGSHILFE/107: Sambia - Problematische Entwicklungsfinanzierung (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2018

SAMBIA
Problematische Entwicklungsfinanzierung
Grossflächige Agrarinvestitionen in Sambia verletzen das Recht auf Nahrung

von Roman Herre


Was die Menschenrechtsorganisation FIAN bei ihren Sambia-Besuchen dokumentiert hatte, wurde jüngst durch einen Bericht des UN-Menschenrechtsrats in Genf bestätigt.


Gibt es eine deutsche Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in Sambia? Ja, dort wo Deutschland einen konkreten Einfluss auf die Verwirklichung oder Verletzung von Menschenrechten hat, ist diese Verantwortung sogar völkerrechtlich verankert. Eine aktuelle Rechtsauslegung des für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zuständigen UN-Ausschusses in Genf präzisiert diese Verantwortung.

Dieser Blick auf sogenannte extraterritoriale Staatenpflichten wird im Kontext der Globalisierung, weltweit verschachtelter Finanzierungen und konkret der Beteiligung deutscher staatlicher und privatwirtschaftlicher Akteure immer wichtiger. Der folgende Artikel zeigt beispielhaft den bis heute schwierigen Kampf für die Durchsetzung dieser Menschenrechtspflichten in Deutschland. Um Kritik vorzubeugen: Natürlich liegt im folgenden Fall eine zentrale Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte beim sambischen Staat. Die annulliert jedoch nicht eine spezifische und konkrete Menschenrechtspflicht, die bei uns in Deutschland liegt.


Entwicklungshilfe goes Finanzindustrie

Die Gebernationen wie Deutschland setzen auf die verstärkte Einbeziehung der Finanzindustrie in der Entwicklungsfinanzierung. Dies interessanterweise seit der Finanzkrise, die eigentlich deutlich zu mehr Vorsicht in Bezug auf die Finanzwelt mahnt. Mittlerweile leiht sich das BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) riesige Summen vom Kapitalmarkt, um diese dann weiterzureichen. Wurden 2006 noch 160 Mio. Euro geliehen, sind diese "Marktmittel" der Entwicklungsbank KfW auf knapp vier Mrd. Euro explodiert und reichen fast an die sechs Mrd. öffentlicher Entwicklungshilfe des BMZ.

Die Entwicklungsbank DEG hat mittlerweile über die Hälfte ihrer Gelder an Finanzintermediären vergeben, also Banken oder Investmentfonds, die damit beauftragt werden, diese Gelder weiter zu vergeben. Zudem wurden sogenannte Mischfinanzierungs-Instrumente oder Blending-Fazilitäten deutlich ausgebaut. Hier werden öffentliche und private Gelder gebündelt (vermischen = blending) und dann weiter investiert. Oft geschieht dies über Investmentfonds, die dann in mehrere Unternehmen oder Projekte investieren - auch um Finanzrisiken zu streuen.


Entwicklungsfonds AATIF

Ein Beispiel ist der vom BMZ zusammen mit der Deutschen Bank aufgelegte Entwicklungsfonds AATIF (Africa Agriculture and Trade Investment Fund). Dieser hat 2011 dem Finanzinvestor Agrivision auf Mauritius einen Kredit von 10 Mio. US-Dollar gegeben. Agrivision hat mehrere Farmen in Sambia aufgekauft und kontrolliert dort heute knapp 20.000 Hektar Land. Die mitfinanzierende Weltbank wie auch das Fondsmanagement des AATIF heben hervor, dass durch den Kauf vorhandener Farmen Landkonflikte ausgeschlossen würden.

Vor-Ort-Recherchen zeigen jedoch, dass mehrere Gemeinden mit dem Investor um Land ringen. Im Distrikt Mkushi beispielsweise leben etwa 30 Familien der Dorfgemeinde Ngambwa direkt vor der Einfahrt einer der Farmen. Sie nutzen kleine Gartenparzellen zwischen dem Zaun des Investors und dem Dorf, um Nahrung anzubauen. 2016 hatte der Investor erste Teile dieses Landes in Beschlag genommen. Dadurch wurde der ohnehin armen Gemeinde die wichtigste Ernährungsmöglichkeit genommen und damit ihr Recht auf Nahrung verletzt. "Das Land wurde uns weggenommen. Nun ist es schwierig, an Essen zu kommen. Wir wollen den Boden bewirtschaften, damit unsere Kinder satt werden und nicht stehlen gehen", erklärte uns im Juli 2016 eine Dorfbewohnerin.

Der Gemeinde steht nun auch noch eine Zwangsumsiedlung bevor. Gemeindemitglieder berichten, ihnen sei mehrfach mündlich angedroht werden, ihr Dorf verlassen zu müssen. Dabei ist ihnen keinerlei Informationen zu einem Umsiedlungsprozess bekannt und sie haben auch keine schriftliche Anordnung gesehen. Der Distrikt-Vorsteher bestätigte gegenüber FIAN, der Investor dränge darauf, die Gemeinde vor seinem Eingang loszuwerden. Er habe sogar schon Alternativland gekauft - jedoch ohne Häuser oder anderweitige Infrastruktur. Und es sei zu klein, um dort auch etwas anzubauen.

Nach den uns vorliegenden Informationen verletzt damit das gesamte Vorgehen - von der Klärung der Menschenrechte der Dorfbewohner, Informationspflichten der Behörden, Beteiligung der Betroffenen, auch an einer Diskussion über Alternativen zur Umsiedlung, bis hin zum völlig inadäquaten "Alternativ-Land" - menschenrechtliche Mindeststandards in Bezug auf den Zugang zu Land und Umsiedlungen. Als Finanzier des Investors hat das BMZ daher die Verpflichtung, diesen daran zu hindern, gegen Menschenrechte zu verstoßen. Selbst die AATIF-eigenen Sicherheitsbestimmungen (Safeguards) verbieten unfreiwillige Umsiedlungen.


Entwicklungseffekte aufpoliert

Aber was ist mit anderen entwicklungspolitischen Effekten? Durch die Investition des Fonds wurde in die Mechanisierung und Intensivierung der Farmen investiert. Aus Sicht des Investors Agrivision und seiner Anteilseigner sicher gut. So konnten im letzten Jahr mehrere Millionen US-Dollar an Gewinnen nach Mauritius überwiesen werden.

Dies war allerdings begleitet von umfangreichen Abholzungen und dem Abbau von Arbeitsplätzen. Der AATIF hat jedoch eine Lösung für die entwicklungspolitische Schwäche der Finanzinvestoren, sprich deren starkes Interesse, Vermögen zu extrahieren: Dem Fonds ist eine Technical Assistance Facility (TAF) angegliedert. Sie ist mit sechs Mio. Euro öffentlicher Gelder ausgestattet und soll die finanzierten Unternehmen dabei unterstützen, die Safeguards des Fonds einzuhalten oder auch investitionsspezifische Unterstützung zu leisten.

2011 erklärte das BMZ zur Investition in Sambia, dass dabei "die Anbindung von über 200 Schulkindern an das Schulsystem sichergestellt würde." Gelegenheitsarbeiterinnen und -arbeiter aus Ngambwa berichten jedoch, ihre Kinder würden nicht mitgenommen und sogar "aus dem Bus rausgetreten" werden. Weitere Recherchen bestätigten, dass die TAF zusammen mit dem norwegischen Entwicklungsfonds Norfund etwa 300.000 Euro öffentliche Gelder in die Hand genommen hat, um die lokale Schule zu renovieren und einen Bus zu kaufen - allerdings für die millionenschweren Farminvestoren, nicht für die Schule. Die öffentlichen Berichte suggerieren, der Ausbau der Schule und der Schultransport seien Teil des Erfolges des Investments. Aber natürlich hätte die Entwicklungshilfe die Schule renovieren und den Bus direkt für die lokale Schule kaufen können - auch ohne einen Millionenkredit an den Investor.

Zudem wird das entwicklungspolitisch problematische Machtgefälle zwischen Investor und lokaler Bevölkerung weiter verschärft. Er kontrolliert den Schultransport und hat entschieden, dass die Kinder des ungeliebten Dorfes nicht mitfahren dürfen.

Im März 2018 hat Professorin Hilal Elver, UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Nahrung, beim Menschenrechtsrat in Genf einen Bericht zu Sambia vorgelegt. Der Bericht zur Ernährungssituation in Sambia bestätigt die langjährige Kritik von FIAN an großflächigen Agrarinvestitionen. Die Strategie der sambischen Regierung, die exportorientierte Landwirtschaft in eine treibende Kraft der Wirtschaft zu verwandeln, berge das Risiko, Landwirte in großer Zahl von ihrem Land zu verdrängen. Wörtlich heißt es in dem Report: "Hierdurch werden diese aus der Produktion gedrängt - mit schwerwiegenden Folgen für ihr Recht auf Nahrung. (...) Die Auswirkungen solcher Maßnahmen sind besonders besorgniserregend, da Kleinbauern fast 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen und für ihren Lebensunterhalt von Land abhängig sind; gleichzeitig ernähren sie rund 90 Prozent der sambischen Bevölkerung."

Prof. Elver zeigt sich auch besorgt über die Androhung der Vertreibung der Gemeinde Ngambwa. Sie hatte diese besucht und fordert, das Recht auf Nahrung der Gemeinde inklusive ihres Zugangs zu Land müsse geschützt werden.


Empfehlungen zur Landpolitik

Traditionelle Landnutzungssysteme sind in Sambia von zentraler Bedeutung für die Ernährung der ländlichen Bevölkerung: Die dort angebauten Pflanzen ernähren die lokale Bevölkerung direkt und bieten durch den Verkauf eine der wenigen Einkommensmöglichkeiten im ländlichen Raum. Jedoch wächst das unter Eigentumsrecht genutzte staatliche Land für Großfarmen rasant an. Dieses zweigleisige Landnutzungssystem führt laut UN-Report dazu, dass Grundbesitzer auf staatlichem Land volle Eigentumsrechte genießen, traditionelle Nutzungsrechte aber kaum geschützt sind. Die Sonderberichterstatterin empfiehlt daher, die Nutzung traditionell verwalteten Landes rechtlich gleichzustellen. Wichtige Grundlagen sind die UN-Landleitlinien sowie die Einrichtung wirksamer Überwachungsmechanismen.

Dies sollte auch bei der Bundesregierung ein Umdenken einleiten. Sie sollte aus den Empfehlungen Konsequenzen ziehen und die Finanzierung von Finanzinvestoren und Agrarkonzernen dringend zu Gunsten einer Stärkung der traditionellen Nutzungssysteme mit einer agrarökologischen bäuerlichen Produktion aufgeben.


Der Autor ist Agrarreferent bei der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation FIAN


- Sambia-Bericht der Sonderberichterstatterin zum Recht auf Nahrung vom 25. Januar 2018:
http://undocs.org/A/HRC/37/61/Add.1

- FIAN-Studie zu Landgrabbing in Sambia: Landgrabbing und Menschenrechte - Die Rolle von EU-Akteuren im Ausland unter
https://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/Land_Grabbing/2017_Landgrabbing_und_Menschenrechte.pdf

- Der AATIF-Fonds ist auch Thema in "Konzerne als Retter - Das Geschäft mit der Entwicklungshilfe", ARTE 2017 und auf Youtube
(https://www.youtube.com/watch?v=KlylsEzPR9Q , ab Minute 43.25, ab Min. 38.32 weiteres zu Landkonflikten in Sambia).

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 3, Mai/Juni 2018, S. 37-38
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2018

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