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GEWERKSCHAFT/960: Mindestlohn - Ausnahme-Wünsche sind unbegründet und überflüssig (ver.di)


ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - Presseinformation vom 18. März 2014

Mindestlohn: Ausnahme-Wünsche sind unbegründet und überflüssig



Berlin, 18.03.2014 - Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) betont vor der heutigen Sitzung der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD, dass die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro zu mehr sozialer Gerechtigkeit beiträgt. Von daher bekräftigt ver.di ihre entschiedene Ablehnung von Ausnahmen beim allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. "Alle bisher vorgetragenen Ausnahme-Wünsche sind unbegründet und überflüssig", sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske am Dienstag. "Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn sichert ein Mindest-Verdienstniveau und muss deshalb flächendeckend gelten. Das trägt auch dazu bei, dass der verfehlte Wettbewerb über Lohndumping endlich aufhört und der Lohndiskriminierung insbesondere von Frauentätigkeiten entgegen gewirkt wird, denn Würde hat ihren Wert und Arbeit hat ihren Preis."

Trotz des moderaten Einstiegs in den gesetzlichen Mindestlohn im Vergleich zu unseren westeuropäischen Nachbarländern machten die Arbeitgeber nach wie vor Druck bei den Regierungsparteien, um zusätzliche Ausnahmen durchzusetzen. Es ist nach dem Wortlaut des Koalitionsvertrages völlig unstrittig, dass tarifliche Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn von 2015 bis Ende 2016 ausschließlich über bundesweite Branchen-Tarifverträge mit repräsentativen Gewerkschaften möglich sind. Diese müssen selbstverständlich ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen werden, damit die Tarifverträge für die ganze Branchen und alle Beschäftigten und Arbeitgeber aus dem In- und Ausland gelten", betonte Bsirske. "Damit ist auch klar: Niedriglöhne, die bisher in regionalen oder Haustarifverträgen vereinbart waren, werden vom allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn verdrängt."

Auch die Forderung nach einem speziellen Jugendmindestlohn sei verfehlt. Neuere Untersuchungen belegten, dass mit Mindestlöhnen entweder gar keine oder nur sehr geringe Beschäftigungswirkungen für Jugendliche verbunden seien. Gewerkschaften etwa in den Niederlanden beklagten stattdessen, dass es aufgrund des extrem niedrigen Jugendmindestlohns zu erheblichen Verdrängungseffekten von älteren durch jüngere Arbeitnehmer komme. "Diese Gefahr besteht vor allem in klassischen Niedriglohnbranchen im privaten Dienstleistungsgewerbe, wie zum Beispiel dem Handel oder der Gastronomie, in denen besonders viele junge Beschäftigte tätig sind", warnte Bsirske. Deshalb seien Ausnahmen vom Mindestlohn nur bei Ausbildung und Pflicht-Praktika gerechtfertigt, weil es sich dort nicht um reguläre Beschäftigungsverhältnisse handele.

Besonders absurd seien die Versuche von Zeitungsverlagen, ihre Hungerlöhne bei der Zeitungszustellung dauerhaft zu sichern. Ein gesetzlicher Mindestlohn für Zeitungszustellerinnen und -zusteller sei ebenso wenig ein Eingriff in die Pressefreiheit wie die Löhne von Druckern, die Kosten für den Bezug von Nachrichtenagenturen oder die Einschränkungen bei Tabak- und Alkoholwerbung. "Der Mindestlohn ist keine Sozialleistung, deshalb muss er auch für Tätigkeiten gelten, die in Teilzeit oder als Hinzuverdienst erbracht werden. Gerade Zeitungszustellung gehört mit Nachtarbeit und hoher körperlicher Belastung bei Regen, Eis und Schnee zu den härteren Arbeiten im Dienstleistungsbereich", so Bsirske. Dass es den Zeitungsverlagen tatsächlich nur um ein Sonderrecht und nicht um eine vorübergehende Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn gehe, zeige sich auch daran, dass die Arbeitgeber in den Branchendialogen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales kein Interesse an einem Tarifvertrag zu Mindestlohnausnahmen für die Zeitungszustellung gezeigt hätten.

Die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro ist darüber hinaus nicht nur sozial gerecht, sondern auch für die Wirtschaft gut. Das ISP Eduard Pestel Institut für Systemforschung in Hannover hatte im Auftrag von ver.di nachgerechnet und kommt bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro in Deutschland auf einen Anstieg der Kaufkraft um mehr als 19,1 Milliarden Euro (ISP, 2013). "Der Mindestlohn ist damit ein eigenständiges Konjunkturprogramm, das über eine Stärkung der Binnenkaufkraft das derzeit eher mäßige Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik anschieben kann", sagte Bsirske.

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Quelle:
Presseinformation vom 18.03.2014
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Christoph Schmitz - ver.di-Bundesvorstand
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2014