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INTERNATIONAL/001: Kamerun - Handys bringen Landfrauen ins Geschäft (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Dezember 2010

Kamerun: Handys bringen Landfrauen ins Geschäft - Teure Zwischenhändler ausgebremst

Von Ngala Killian Chimtom


Jaunde, 7. Dezember (IPS) - Seitdem Mama Thérèse mit dem Handy umgehen kann, hat sich die Bäuerin aus dem Bezirk Santa in Kameruns westlichem Hochland zu einer cleveren Geschäftsfrau gemausert. Von durchreisenden Zwischenhändlern, die ihr früher ihre Erzeugnisse gegen einen geringen Preis abnahmen, um sie auf den Märkten teuer zu verkaufen, lässt sie sich nicht länger über den Tisch ziehen.

Mama Thérèse informiert sich mit ihrem Mobiltelefon direkt über die aktuellen Marktpreise für einheimische Agrarprodukte, Saatgut und Düngemittel. "Wir Bauern hatten keine Ahnung, was die Käufer auf den weit entfernten Märkten für unsere Kartoffeln und unseren Mais bezahlen müssen", berichtete sie.

Dieses Informationsdefizit hat Thierry Njepang vorläufig beendet. Der Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation GenARDIS (The Gender, Agriculture and Rural Development in the Information Society) überzeugte Farmerinnen in Santa sowie in Kameruns westlichen Bezirken Bangang, Bafoussam und Kamna, sich an einem Pilotprojekt zu beteiligen. In sechs Monaten sollten die Teilnehmer den Umgang mit dem Handy erlernen, um sich wertvolle Marktinformationen zu verschaffen.


Handys auch für entlegene Dörfer

"In einer sich rasend schnell entwickelnden Welt sollten auch entlegene Dörfer Zugang zu diesem wichtigen Kommunikationsmittel erhalten", begründete Njepang das Entwicklungsvorhaben. Projektpartner ist die 'SB Mathur Foundation'. Mit bescheidenen Zuschüssen fördert GenARDIS Landfrauen in Entwicklungsländern, die sich auf eigene Beine stellen wollen.

"Wir haben den Frauen gezeigt, wie man telefoniert und eine SMS verschickt, um ganz aktuell wichtige Marktinformationen zu erhalten", berichtete Njepang. "Sie interessierten sich für aktuelle Agrarpreise auf einheimischen Märkten und dem Weltmarkt, aber auch für die Kosten von Produktionsgütern wie Saatgut, Dünger und Schädlingsbekämpfungsmittel."

Vor Projektbeginn hatte GenARDIS 100 Landfrauen im westlichen Kamerun und in Großstädten Douala und Jaunde im Süden gefragt, ob und wie sie die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) einsetzten. Dabei stellt sich heraus, dass selbst wenn ihre Männer den Haushalt mit Handys und Radios versorgt hatten, keine der Befragten diese modernen Kommunikationsmittel nutzten, um sich über den aktuellen Agrarmarkt zu informieren oder sich von Entwicklungsexperten fachlich beraten zu lassen.

Nachdem man die an dem Pilotprojekt beteiligten Frauen über die Nützlichkeit von Mobiltelefonen instruiert hatte, vermittele man ihnen den Kontakt zu Experten, die sich auf den städtischen Märkten nach den bestmöglichen Preisen für ihre Agrarprodukte erkundigten.

Mama Thérèse begriff schnell, dass es für die Zwischenhändler ein Leichtes war, den hart arbeitenden Bäuerinnen den angemessenen Wert ihre Schwerarbeit vorzuenthalten. Sie erfuhr, dass gute Saatkartoffeln, für die sie dem Händler umgerechnet 0,4 US-Dollar pro Kilo zahlen musste, bei den staatlichen Ausgabestellen nur die Hälfte kosteten. Ähnlich groß waren die Preisunterschiede bei Dünger und Pestiziden. Die Frauen entdeckten auch, dass sich besonders günstige Preise aushandeln ließen, wenn sie sich zu Gruppen zusammenschlossen und große Mengen bestellten.


Wenn das Handy immer öfter klingelt

Inzwischen klingelt bei Thérèse immer öfter das Handy. "Wenn jetzt jemand kommt und uns erzählt, auf den Märkten seien die Nahrungsmittelpreise gefallen, dann greife ich zum Telefon und rufe direkt bei den fraglichen Händlern an", berichtete sie. "Mir macht keiner was vor. Wenn ein Zwischenhändler uns für einen 15-Liter-Eimer Kartoffeln 2.000 CFA-Francs (umgerechnet rund vier Dollar) bietet, bekommt er ihn erst, wenn er noch 1.000 CFA zulegt. Wir wissen nämlich, dass er ihn in Yaunde oder Douala nicht unter 5.000 CFA-Francs verkauft", stellte die Bäuerin fest.

"Dank des Pilotprojektes verbesserten sich die Lebensbedingungen in den Landgemeinden immer mehr", betonte Njepang. "Weil die ausbeuterischen Zwischenhändler ausgeschaltet sind, bleibt mehr Geld in den Taschen der Bauern."

Kritische Beobachter fürchten, dass der Nutzen des Projektes nur von kurzer Dauer sein könnte, da viele Bauern zu arm sind, um sich ein eigenes Handy zu leisten. Der Aktivist Njepang begegnet den Einwänden mit dem Hinweis, dass während der Dauer des Pilotprojektes nur wenige Frauen ein Handy besaßen, das die ganze Gruppe benutzen konnte.

Die SB Mathur-Stiftung hat den Teilnehmerinnen vorgeschlagen, jede Woche etwas Geld beiseite zu legen und sich später von den Ersparnissen eigene Handys zu kaufen, die schon für rund 40 Dollar zu haben seien.


Sparen für das eigene Handy

"Wenn eine Gruppe von 20 Landfrauen beschließt, dass jede von ihnen wöchentlich zwei Dollar für ein gemeinsam genutztes Handy spart, dann reicht das Geld am Ende des Monats schon für vier Handys, und nach fünf Monaten können alle mit einem eigenen Handy telefonieren", rechnete er vor.

In entlegenen Gebieten ohne Elektrizität und Netzdienste wird die Handynutzung allerdings schwierig. Manche Frauen müssen weit gehen, bis sie eine Netzverbindung erhalten oder den Akku ihres Mobiltelefons aufladen können. Dennoch zweifelt Njepang nicht am Erfolg des Projektes: "In den beteiligten fünf Bezirken hat sich das Leben spürbar verändert. Immer mehr Bauern nutzen ihr Handy, um sich mit verlässlichen Agrarinformationen zu versorgen."

Verlierer der IKT-Kampagne in Kamerun sind die Zwischenhändler. Anstatt mit den Bäuerinnen Deals zu Mondpreisen auszuhandeln, müssen sie jetzt bei ihrer Preisgestaltung mit offenen Karten antreten. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.genardis.apcwomen.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53789


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2010