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INTERNATIONAL/017: Nicht nur fordern, auch liefern - Arme Länder verlangen vom Norden Reziprozität (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Februar 2011

Handel: Nicht nur fordern, auch liefern - Arme Länder verlangen vom Norden Reziprozität

Von Ravi Kanth Deverakonda


Genf, 15. Februar (IPS) - Südafrika hat den führenden Industriestaaten vorgeworfen, den Ländern des Südens immer mehr Zugeständnisse als Vorbedingungen für einen Abschluss der stockenden Doha-Handelsrunde abzuringen. Man sei bestürzt über Versuche von EU und USA, für sich selbst immer größere Handelsvorteile herauszuschlagen, die Interessen der Entwicklungsländer jedoch zu ignorieren.

Südafrika und andere Länder würden zunehmend bedrängt, ihre Märkte für Industriegüter und Dienstleistungen aus dem Norden zu öffnen. Dabei seien gerade viele afrikanische Staaten dabei, sich unter größten Mühen von dem globalen Wirtschaftsdebakel zu erholen und die krisenbedingte Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Es sei auch deshalb unfair, Südafrika oder ärmeren Ländern Zugeständnisse abzuverlangen, die ihnen schaden.

Seit Anfang des Monats haben Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) ihre Bemühungen verstärkt, um die weltweiten Gespräche im Rahmen der laufenden Doha-Runde zu beschleunigen. Die Verhandlungsrunde hätte eigentlich schon vor sechs Jahren abgeschlossen sein müssen. Doch Differenzen zwischen den Industriestaaten und einigen Entwicklungsländern einerseits und einer großen Mehrheit von Entwicklungs- und ärmsten Ländern andererseits in Fragen der Verringerung marktverzerrender Subventionen, der Zölle für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Industrieprodukte sowie der Öffnung des Dienstleistungsmarkt machten die Chancen auf ein frühes Abkommen zunichte.

Kürzlich appellierte der ehemalige WTO-Generaldirektor Peter Sutherland, der für den Abschluss der vorangegangenen Uruguay-Runde der Handelsgespräche verantwortlich war, an die WTO-Mitgliedsländer, im Interesse der Glaubwürdigkeit des globalen Handelssystems die Doha-Runde in diesem Jahr abzuschließen. Die Schwellenländer müssten in diesem Sinne ihre Märkte substanziell für Industriegüter und Dienstleistungen öffnen, erklärte er gegenüber IPS.

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos stießen US-amerikanische und europäische Entscheidungsträger kürzlich ins gleiche Horn. Sie forderten einen "wirklichen" und "neuen" Marktzugang für Industriegüter und Dienstleistungen in aufstrebenden Ländern wie Argentinien, Brasilien, China, Indien und Südafrika, um die Doha-Runde noch in diesem Jahr unter Dach und Fach bringen.


Industriestaaten in der Pflicht

Doch die Schwellenländer sind der Meinung, dass auch die Industriestaaten zu Gegenleistungen bereit sein sollten. So heißt es in einer in Davos herausgegebenen Mitteilung der Handelsminister Brasiliens, Chinas, Indiens und Südafrikas, dass der Abschluss der Doha-Runde ein gewisses Maß an Reziprozität von Seiten der Industriestaaten erforderlich mache.

Darüber hinaus vertraten die vier Minister die Meinung, dass eine Marktöffnung für Agrar- und Industriegüter sowie Dienstleistungen aus dem Norden sich mit den Prinzipien des Rahmenabkommens von 2004 und der Hongkonger Ministerialerklärung von 2005 vertragen müssten. Aus dem Abkommen und der Erklärung geht hervor, dass Entwicklung und Interessen der armen Länder in der Doha-Runde berücksichtigt werden müssten.

Doch die Industriestaaten sind offenbar nicht bereit, den Vorschlägen Chinas, Indiens, Brasiliens und Südafrikas zu folgen. EU-Handelskommissar Karel De Gucht erklärte seinen Ministerkollegen in Davos, dass Brüssel einen größeren Zugang zu den Märkten der Schwellenwälder wünsche. Der US-Handelsminister Ron Kirk wies den Schwellenländern eine Verantwortung für den erfolgreichen Abschluss der Handelsgespräche zu. In den USA sei die Arbeitslosigkeit groß und mache einen "wirklichen" Zugang zu den Märkten der aufstrebenden Wirtschaftsmächte nötig.


Fairness gefordert

Wie Südafrikas Handelsminister Davies betonte, "wollen wir ein Handelsabkommen, weil wir bereit sind, die Systemfrage im globalen Handel zu stellen". Die Glaubwürdigkeit des globalen Handelssystems werde davon abhängen, wie es mit den armen Ländern in Afrika oder anderswo umgehe.

Obwohl in der Baumwollfrage eine Einigung erzielt werden konnte, die dem Rahmenvertrag vom Juli 2004 und der Hongkonger Erklärung der Minister 2005 entspricht, lassen sich keine Fortschritte erkennen, weil sich die USA erst mit dieser Frage beschäftigen will, wenn ein Abkommen in den anderen Bereichen erzielt sein wird. Ebenso wenig ist Washington bereit, den ärmsten Ländern der Welt einen zollfreien Zugang zu den Märkten einzuräumen, solange nicht alle anderen Themen geklärt sind.

"Es ist kaum anzunehmen, dass Länder, denen es gelungen ist, für sich beim Zugang zu den Agrarmärkten Sonderbedingungen herauszuschlagen, den Entwicklungsländern erlauben werden, mehr Industrieprodukte und Dienstleistungen anzubieten", so Südafrikas Handelsminister Davies. Doch diejenigen, die größere Zugeständnisse verlangten, sollten auch Südafrika und anderen afrikanischen Staaten entgegenkommen. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.wto.org/english/tratop_e/dda_e/draft_text_gc_dg_31july04_e.htm
http://www.wto.org/english/thewto_e/minist_e/min05_e/final_text_e.htm
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=54462

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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2011