Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

INTERNATIONAL/109: Äthiopien - Zustrom von Auslandsinvestitionen ungebrochen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Oktober 2012

Äthiopien: Zustrom von Auslandsinvestitionen ungebrochen

von Ed McKenna


Radisson Blu Hotel in Addis Abeba - Bild: © Ed McKenna/IPS

Radisson Blu Hotel in Addis Abeba
Bild: © Ed McKenna/IPS

Addis Abeba, 19. Oktober (IPS) - Der Tod des langjährigen äthiopischen Regierungschefs Meles Zenawi im August hatte Ängste vor der Destabilisierung einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Afrikas und einem Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) ausgelöst. Doch bisher geben sich Investoren nach wie vor die Klinke in die Hand.

Meles, der der 21 Jahre an der Macht gehalten hatte, betrachtete FDIs als Schlüssel zur Entwicklung des ostafrikanischen Landes. Aus dem ehemaligen Agrarstaat wurde ein Land, das nicht mehr nur von landwirtschaftlichen Exporten abhängig ist, sondern seine zahlreichen Arbeitskräfte und preiswerten Energiequellen zum Aufbau einer Fertigungsindustrie nutzte.

Nach Angaben der Nationalbank von Äthiopien stiegen die FDI zwischen 2005 und 2010 von 150 Millionen US-Dollar auf 1,1 Milliarden Dollar. Um an die knappen ausländischen Währungen ins Land zu holen, leitete Meles die Investitionen in die exportorientierten Bereiche wie Blumenzucht, Gartenbau sowie Textil- und Lederproduktion um.

Die äthiopischen Einnahmen aus dem Außenhandel erhöhten sich im vergangenen Jahr um 15 Prozent auf 3,2 Milliarden Dollar, wie das Handelsministerium in Addis Abeba mitteilte. Die neue Regierung von Ministerpräsident Hailemariam Desalegn will nun die Exporte bis 2015 verdoppeln. Bergbau und Fertigungsindustrie sollen daran noch einen größeren Anteil haben als bisher.


Umfangreiche FDIs, geringes Pro-Kopf-Einkommen

Doch Getachew Begashaw, der Wirtschaftswissenschaften am Harper College in Chicago lehrt, bezweifelt den Nutzen ausländischer Direktinvestitionen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Verbesserung des Lebensstandards. "Äthiopien verzeichnet mit umgerechnet 351 Dollar das niedrigste Pro-Kopf-Einkommen in ganz Afrika. Es gehört zu den Schlusslichtern, was menschliche Entwicklung (Platz 171 auf einer Skala von 178) und Wohlstand (108 von 110) betrifft", erläuterte er.

Meles habe irrtümlich angenommen, dass Investoren ausschließlich an guten Einnahmen interessiert seien, betonte Getachew. Eine Fortsetzung der repressiven Regierungsführung berge jedoch die Gefahr, dass Firmen abgeschreckt werden könnten. "Das politische Klima in unserem Land ist nicht investorenfreundlich. Das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen wird als Gefahr für wirtschaftliche Sicherheit betrachtet."

Doch einem Bericht des Internationalen Währungsfonds zufolge ziehen billige Arbeitskräfte, große Landflächen und ein wachsender Markt mit 94 Millionen Konsumenten insbesondere chinesische Unternehmen an. So verlagerten Firmen wie der Schuhhersteller 'Huajian' inzwischen ihre Produktionsstätten nach Äthiopien, um Kosten zu sparen. Ein zusätzlicher Anreiz ist der große Viehzuchtsektor Äthiopiens, der zu den größten des Kontinents gehört.

Wie der Wirtschaftsnachrichtendienstes 'Bloomberg' unter Berufung auf den 'Huajian'-Vizepräsidenten berichtete, könnte das Unternehmen Exporteinnahmen von vier Milliarden Dollar jährlich erwirtschaften. Berichten der äthiopischen Investitionsbehörde zufolge haben chinesische Unternehmen in dem Land bereits 900 Millionen Dollar investiert.

Ausländische Firmen werfen zudem ein begehrliches Auge auf den Dienstleistungssektor. In diesem Jahr hat eine der international führenden Hotelketten, 'Carlson Rezidor Hotel Group', ihre gehobene Marke 'Radisson Blu' nach Äthiopien gebracht. Der Konzern sieht das Land als Vorhut im Osten Afrikas.

Die US-Firma 'Schulze Global Investments' kündigte ebenfalls in diesem Jahr einen Fonds von 100 Millionen Dollar an. Dies ist das erste 'Private Equity'-Projekt, das ausschließlich auf Äthiopien bezogen ist. Der Fonds wird Investitionen in verschiedenen Bereichen tätigen, vom Agrar- und Zementsektor bis zum Gesundheitswesen und zur Rohstoffindustrie.

In der jährlichen 'Doing Business'-Studie der Weltbank ist Äthiopien unter 183 Staaten auf den 111. Platz gerückt. Damit hat das Land am Horn von Afrika in dieser Statistik sogar den Giganten Indien überholt. Dennoch haben Investoren in Äthiopien weiterhin Probleme mit teurer Transportlogistik und langwierigen Zollverfahren.


Florierender Handel mit Großbritannien

Das Büro der 'UK Trade and Industry' (UKTI) in Äthiopien teilte mit, dass sich die Ausfuhren aus Großbritannien in den vergangenen fünf Jahren auf 248 Millionen Pfund vervierfacht haben. Die Importe aus Äthiopien haben sich im gleichen Zeitraum auf 105 Millionen Pfund verdoppelt.

Die konkurrierenden Getränkekonzerne 'Diageo' und 'Heineken' investierten im vergangenen Jahr zusammen 400 Millionen Dollar in privatisierte äthiopische Brauereien. Dies sei ein solider Beweis dafür, dass westliche Firmen chinesischen, indischen und arabischen Unternehmen folgen würden, so Zemenedeh Negatu, Managementpartner des internationalen Beratungsnetzwerks 'Ernst and Young'. "Die FDI wachsen ständig, und Äthiopien könnte bis 2015 jährlich 1,5 Milliarden bis zwei Milliarden Dollar erhalten. Hinzu könnten noch weitere Investitionen im Öl- und Gassektor kommen."

Vier britische Firmen haben bereits umfangreiche Vorbereitungen für eine mögliche Gold- und Gasförderung getroffen, wie UKTI-Repräsentant Dessalegn Yigzaw erklärte. 'Nyota Minerals' plane 200 Millionen Dollar in die Entwicklung der 'Tulu Kapi'-Goldmine zu stecken. Nach neueren Erkenntnissen könnten in dem Land Goldvorkommen von etwa 500 Tonnen lagern. Sollten Unternehmen wie 'Allana Potash Corp' aus Kanada, die äthiopische 'South West Energy' und 'Tullow Oil' mit Hauptsitz in London Kali-, ÖL- und Gasreserven erschließen können, werden weitere Investitionen in Milliardenhöhe benötigt. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.crisisgroup.org/
http://www.doingbusiness.org/
http://www.ukti.gov.uk/de_de/export/countries/africa/eastafrica/ethiopia.html?null
http://www.ipsnews.net/2012/10/ethiopia-charts-a-chinese-course/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. Oktober 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2012