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INTERNATIONAL/207: Lokale Gemeinschaften verursachen Bergbau- und Erdölunternehmen Milliardenverluste (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Mai 2014

Umwelt: Lokale Gemeinschaften verursachen Bergbau- und Erdölunternehmen Milliardenverluste

von Stephen Leahy


Bild: © Coimbra Sirica/BurnessGlobal

Der peruanische Indigenenführer Alberto Pizango
Bild: © Coimbra Sirica/BurnessGlobal

Uxbridge, Kanada, 19. Mai (IPS) - Konflikte mit lokalen Gemeinschaften über die Ausbeutung von Mineralien und Erdöl bescheren den Unternehmen jährlich Verluste in Milliardenhöhe. Wie aus einem ersten Expertengutachten über die Kosten solcher Konflikte hervorgeht, hat ein einziger Konzern binnen zwei Jahren fast sechs Milliarden US-Dollar eingebüßt.

Für den kanadischen Multi 'Barack Gold' belief sich der finanzielle Schaden auf 5,4 Milliarden Dollar. Im Huasco-Tal im Norden Chiles hatten zehn Jahre lang Anrainer, Umweltschützer und Sozialaktivisten gegen die Pascua-Lama-Goldmine demonstriert. Im Juli 2013 wurde der Bau des Großprojekts von einem Gericht offiziell gestoppt, ohne dass eine Unze Gold geschürft worden wäre.

In Peru legte ein Gericht 2011 nach dem Ausbruch von Protesten gegen die mögliche Zerstörung von vier riesigen Gebirgsseen das zwei Milliarden Dollar teure Conga-Kupferminenprojekt in der nördlichen Region Cajamarca auf Eis. Die mit dem Projekt beauftragte 'Newmont Mining Co' mit Sitz in den USA, die bereits die nahe gelegene Yanacocha-Mine ausbeutet, hat nun selbst vier Wasserreservoire angelegt, um das Projekt doch noch durchführen zu können.

"Gemeinden sind nicht machtlos. Unsere Studie hat gezeigt, dass sie sich organisieren und mobilisieren können und dadurch den Unternehmen beträchtliche Kosten verursachen können", meinte Daniel Franks, Wissenschaftler an der australischen 'University of Queensland' und Vizedirektor des 'Centre for Social Responsibility in Mining'. "Unglücklicherweise können solche Konflikte ebenso Blutbäder auslösen und Leben kosten."


45 Interviews

Die Studie beruht auf 45 vertraulichen Tiefeninterviews mit hochrangigen Vertretern weltweit operierender Energie- und Bergbauunternehmen. Die Studie 'Conflict translates environmental and social risk into business cost' war am 12. Mai in der Online-Vorabausgabe der Zeitschrift 'Proceedings of the National Academy of Sciences' (PNAS) veröffentlicht worden. Der Untersuchung liegt zudem ein Sonderbericht zugrunde, der unter dem Titel 'Costs of Company-Community Conflict in the Extractive Sector' erschienen ist.

"Wir wollten die Kosten der schlechten Beziehungen zu den Gemeinden dokumentieren. Die Unternehmen sind sich gar nicht wirklich im Klaren darüber, und nur einige Investoren kennen das ganze Ausmaß des Investitionsrisikos", meint Franks. "Wenn ihnen daran gelegen ist, ihre Profite sicherzustellen, müssen sie hohe Umwelt- und Sozialstandards anlegen und mit den Gemeinden kooperieren", sagte Franks in einem Interview.

In den Aufbau von Beziehungen mit den Gemeinden zu investieren, ist weitaus kostengünstiger als ein Konflikt. Anrainer sind nicht generell gegen Entwicklungsvorhaben eingestellt. Was sie vor allem aufbringt ist die Tatache, dass sie überhaupt kein Mitspracherecht bei den Projekten haben.

"Wir wollen eine Entwicklung, die den Indigenen und nicht nur irgendjemandes Schwiersohn nützt", meinte Alberto Pizango, Vorsitzender der Interethnischen Vereinigung für die Entwicklung des peruanischen Regenwaldes (AIDESEP). Die Organisation vertritt die Rechte von 1.350 Amazonas-Ureinwohnergemeinschaften.

"Indigene können zu einer harmonischen Entwicklung im Einklang mit der Natur beitragen. Wir wollen keine Entwicklung, die unser geliebtes Amazonasgebiet zerstört", erklärte Pizanga im IPS-Gespräch in Lima. Er widersetzt sich aktiv dem Verkauf von Erdölkonzessionen an ausländische Unternehmen auf Gebieten, für die Indigene Landtitel besitzen.

Anfang Juni 2009 wurden außerhalb der nordperuanischen Dschungelstadt Bagua bei der gewaltsamen Auflösung friedlicher Proteste 24 Polizisten und zehn Zivilisten getötet. Pizango und 52 andere Indigenenführer wurden beschuldigt, zu der Gewalt und 18 weiteren Verbrechen aufgerufen zu haben. Ihre Verhandlung ist am 14. Mai in Bagua angelaufen.


Vermeidbares Blutbad

Die Indigenen hatten gegen zehn Regierungsdekrete protestiert, die sie als verfassungswidrig verurteilten und die Privatinvestitionen in indigenen Territorien erleichtern sollten. "Wir hatten keine Wahl und waren der Meinung, dass unsere Proteste berechtigt waren. Doch der Preis war viel zu hoch. Wir wollen nicht, dass das noch einmal geschieht. Wir wollen den 'großen Protest' durch einen 'großen Vorschlag' ersetzen", meinte Pizango, dem eine lebenslängliche Haftstrafe droht, sollte er schuldig gesprochen werden.

Die in der Zeitschrift PNAS veröffentlichte Studie zeigt, dass das Blutvergießen in Bagua vermeidbar gewesen wäre, falls Unternehmen und Regierung die indigenen Rechte anerkannt und mit den lokalen Gemeinschaften zusammengearbeitet hätten. "Es erfüllt mich mit großer Trauer, dass dies in Peru erst noch geschehen muss", meinte Pizango, der zum Zeitpunkt der gewalttätigen Auseinandersetzungen gar nicht in Bagua gewesen war.

Das peruanische Umweltministerium hat Pizango und die AIDESEP aufgefordert, an der Planung einer großen UN-Klimakonferenz in Lima Ende des Jahres mitzuwirken. Der Indigenenführer verspricht sich von der Großveranstaltung, dass sie der Welt zeigt, dass Indigene Wälder und Klima schützen können.

Bild: © Gonzalo Ortiz/IPS

Rosa Tanguila, eine Quechua-Indigene in Rumipamba im ecuadorianischen Amazonasgebiet, bei der Beseitigung einer von Texaco angerichteten Verseuchung
Bild: © Gonzalo Ortiz/IPS

Wie Rachel Davis, Mitarbeiterin der Initiative für Corporate Social Responsibility der 'Harvard University' und Koautorin der Studie, meinte, ist es sehr schwer, Beziehungen zu einer lokalen Gemeinschaft zu kitten, sind sie erst einmal zerrüttet.

Führende Bergbaukonzerne scheinen dies langsam zu begreifen. "Sie gehen allmählich dazu über, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umzusetzen und sich an den Nachhaltigkeitsrahmen des Internationalen Rats für Bergbau und Metalle zu halten", sagte sie in einer Mitteilung. Allerdings lasse sich dies nicht von der Erdöl- und Gasindustrie sagen. "Ihre Kultur ist anders. Sie sind es nicht gewöhnt, mit den Gemeinden zu verhandeln."

Die Studie verdeutlicht, dass Umwelt- und Wasserfragen die größten Konfliktauslöser sind. Kritisiert werden Aktivitäten wie hydraulisches Fracking wegen seiner Folgen für die Wasserqualität. "Es stehen uns noch große Konflikte bevor", betonte Franks.

Jamie Kneen von 'MiningWatch Canada' begrüßte zwar die neue Studie, bemängelte aber, dass sie auf den breiten wirtschaftlichen und politischen Druck, die Projekte möglichst rasch durchzuziehen, nicht näher eingehe. Die Aktionäre großer Unternehmen seien an hohen Gewinnen, die Regierung an der möglichst raschen Überweisung der Lizenzgebühren interessiert. "All das führt dazu, dass Unternehmen nicht bereit sind, Kompromisse einzugehen oder sich die Zeit nehmen, um eine Lösung zu finden, die für die Anrainer akzeptabel ist", sagte Kneen.

"Unternehmen wissen, dass es zu Problemen mit den lokalen Gemeinden kommen wird. Sie pokern hoch und versuchen, das Risiko vor den Investoren geheimzuhalten", meinte er. Alle Konflikte seien nicht lösbar. "Es gibt Gemeinschaften, die niemals das Risiko eingehen werden, dass ihr Wasser verseucht wird." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/05/conflict-local-communities-hits-mining-oil-companies-hurts/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2014