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INTERNATIONAL/214: Lateinamerika - Auf der Suche nach Wegen ins "goldene Zeitalter" (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2014

Lateinamerika:
Gleichheit, Infrastruktur und Handel - Auf der Suche nach Wegen ins 'goldene Zeitalter'

von A. D. McKenzie


Bild: © Alecia McKenzie/IPS

Perus Staatschef Ollanta Humala mit Frankreichs Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und dem OECD-Generalsekretär Angel Gurria (von li. nach re.)
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Paris, 2. Juli (IPS) - Will Lateinamerika die Region ernsthaft ins 'goldene Zeitalter' führen, müssen nach Ansicht des peruanischen Staatspräsidenten Ollanto Humala einige wichtige Hürden genommen werden. Dazu gehört vor allem die fortgesetzte Ungleichheit, die einer nachhaltigen Entwicklung im Wege steht.

"Wir haben das Gold noch nicht gefunden", meinte Humala am 30. Juni auf dem Sechsten lateinamerikanisch-karibischen Wirtschaftsforum (LACFORUM) in Paris. "Wir brauchen einen modernen und wirksamen Staat, der seine Leistungen allen Bürgern gleichermaßen anbietet."

Das Thema des diesjährigen Forums lautete 'Jenseits des goldenen Zeitalters? Logistik und Infrastruktur, Säulen der regionalen Integration und globalen Handelschancen?'. Doch zog sich die Forderung nach einem inklusiven Wachstum wie ein roter Faden durch die Konferenz. Solange die Ungleichheit fortbestehe, könne die Region ihr Entwicklungspotenzial nicht voll ausschöpfen, lautete das Mantra.


Ohne Inklusion keine Entwicklung

Uruguays Vizepräsident Danilo Astori betonte gegenüber den rund 400 anwesenden Entscheidungsträgern, Unternehmern, Wirtschafts- und anderen Experten aus Lateinamerika und Europa, dass es ein Fehler sei, die armen Bevölkerungsgruppen Lateinamerikas zu ignorieren. "Es ist von elementarer Bedeutung, die Ungleichheit auszurotten, denn Gleichheit ist ein wichtiges Menschenrecht." Darüber hinaus sei sie eine Voraussetzung, um wirtschaftlich und sozial voranzukommen. "Kein Land kann mit einer großen Ungleichheit eine hohe Entwicklungsebene erreichen."

Bild: © Alecia McKenzie/IPS

Uruguays Vizepräsident Danilo Astori
Bild: © Alecia McKenzie/IPS

Einkommensunterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen seien nicht aus moralischen, sondern auch aus marktwirtschaftlichen Gründen relevant, meinte die stellvertretende Geschäftsführerin der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IaDB), Julie Katzman. Die IaDB hatte das LACFORUM zusammen mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem französischen Ministerium für Wirtschaft und Finanzen organisiert.

Katzman betonte, dass es sich bei 70 Prozent der vom Finanzsystem ausgeschlossenen Menschen um Frauen handele und dass sich die Defizite bei der Finanzierung der von Frauen geführten kleinen und mittelständischen Unternehmen bei etwa 86 Milliarden US-Dollar bewegten. Würde diese Lücke bis 2020 geschlossen, könnte das lateinamerikanische Wirtschaftswachstum bis 2030 um zwölf Prozent zulegen, zeigte sie sich im IPS-Gespräch überzeugt.

Sie und viele andere Forumsteilnehmer unterstrichen die Notwendigkeit, den Ausbau der Infrastruktur als "Instrument der Entwicklung" voranzutreiben, einem weiteren Hauptthema der Konferenz.

Nach Angaben der OECD gibt Lateinamerika für die Logistik zwischen 18 und 35 Prozent des Produktwertes aus. In den OECD-Staaten belaufen sich die Kosten hingegen auf nur etwa acht Prozent. Auch mit der Qualität ihres Straßensystems hinkt die Region hinterher. Sie ist schlechter als die in den Ländern mittlerer Einkommen. Darüber hinaus gibt es Studien, die gezeigt haben, dass Verbesserungen in der Logistik die Arbeitsproduktivität in der Region um etwa 35 Prozent steigern könnten.


"Lateinamerika ist nicht die ärmste, aber die ungleichste Region"

All diese Punkte seien entscheidende Aspekte, um Exporte wettbewerbsfähig zu machen und das Integrationspotenzial zu erhöhen, meinte der OECD-Generalsekretär Angel Gurría auf dem Forum in Paris, dem Standort seiner Organisation. Neben der Entwicklung integrativer Logistikstrategien würde sich eine Steigerung der Effizienz bei der Zollabfertigung mit Hilfe moderner Technologien sogar schon kurzfristig auszahlen. "Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen und die Zusammenarbeit stärken", meinte er am Rande zu IPS. "Lateinamerika ist nicht die ärmste, aber die ungleichste Region."

Das LACFORUM findet alljährlich statt und dient als Plattform, um über die Herausforderungen im lateinamerikanisch-karibischen Raum zu diskutieren. Gurría zufolge war das diesjährige Treffen besonders wichtig gewesen, weil sich die Situation in Lateinamerika nach einem Jahrzehnt relativ stabilen Wachstums aufgrund der Eurokrise, Handelsrückgang und anderer Faktoren "verkompliziert" habe.

Laut OECD hat der Anstieg der Rohstoffexporte lateinamerikanische Volkswirtschaften veranlasst, lokal produzierte Güter durch Importe zu ersetzen. Das wiederum habe einen Niedergang der regionalen Produktivkapazitäten mit sich gebracht. Auch die OECD hält die Verbesserung der Logistik für eine wirksame Maßnahme, um den Strukturwandel in der Region abzufedern und den Kontinent in den globalen Handel einzubinden.

Wie Perus Staatspräsident Humala erklärte, ist Lateinamerika reich an Potenzialen, aber ebenso reich an Herausforderungen inklusive dem Klimawandel. Sein Land wird die nächste, im Dezember stattfindende Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention ausrichten.

Humala zeigte sich überzeugt, dass Lateinamerika das 'goldenes Zeitalter' erreichen könne, wenn es seine Produktivitätsprobleme und die Ungleichheit in den Griff bekäme. "Das goldene Zeitalter wird kommen", versicherte er. "Die harten Zeiten zwingen uns dazu, nach Möglichkeiten zu suchen. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/07/carving-the-path-to-gold-in-latin-america/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2014