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INTERNATIONAL/261: Papua-Neuguinea - Schreckgespenst Bergbau bedroht nach wie vor Menschen in Bougainvile (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2015

Papua-Neuguinea: Schreckgespenst Bergbau - Menschen in Bougainville wünschen sich eine nachhaltige Entwicklung

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Indigene leben weiterhin in der Nähe der Panguna-Kupfermine
Bild: © Catherine Wilson/IPS

CANBERRA, AUSTRALIEN (IPS) - Von Arawa aus, der früheren Hauptstadt von Bougainville, einer autonomen Region Papua Neuguineas, windet sich eine lange Straße durch undurchdringlichen Regenwald den Kronprinzen-Gebirgszug im Zentrum der Pazifikinsel hinauf. Von dort sieht man einen sechs Kilometer breiten Krater, an dessen Rändern Skelette von Lastern und Bergbaumaschinen unter sengender Sonne vor sich hin rosten.

Die Überreste erinnern an den Kampf des Volkes der Nasioi in den Jahren 1989 bis 1997. Die Indigenen hatten zu den Waffen gegriffen, um die Schließung der weltgrößten Tagebau-Kupfermine zu erzwingen. Der Betreiber 'Bougainville Copper Limited', eine Tochter des australischen Unternehmens 'Conzinc Rio Tinto' wollte dort insgesamt etwa eine Milliarde Tonnen Eisenerz aus dem Boden holen.


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Die Panguna-Mine in den Bergen im Zentrum der autonomen Region Bougainville
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Von 1972 bis 1989 erwirtschaftete die Panguna-Mine Einkünfte in Höhe von rund zwei Milliarden US-Dollar. Der größte Teil der Gelder floss den Mehrheitseignern Rio Tinto (53,58 Prozent) und der Regierung Papua-Neuguineas (19,06 Prozent) zu. Den indigenen Landbesitzern wurden in dem Bergbauabkommen substanzielle Rechte verweigert.


Kupfermine vernichtete Lebensgrundlagen der Bevölkerung

Die lokalen Gemeinden sahen mit an, wie Dörfer verlegt wurden und traditionell von den Ureinwohnern verwaltetes Land unter Tonnen von Geröll begraben wurde. Der Jaba-Fluss wurde durch den bei der Kupferförderung anfallenden Schlamm kontaminiert. Die Fische erstickten, nachdem der Sauerstoffgehalt des Wassers stark abgenommen hatte.

In den 1980er Jahren lebten in dem Gebiet etwa 150.000 Menschen. Etwa 1.300 fanden Beschäftigung in der Mine. Als 1989 die Forderung der indigenen Landeigentümer nach einer Entschädigung in Höhe von 3,7 Milliarden Dollar abgelehnt wurde, gingen diese auf die Barrikaden und brachten den Bergbaubetrieb zum Erliegen. Stromleitungen und wichtige Infrastruktur wurden in die Luft gesprengt.

Der Bürgerkrieg zwischen der Revolutionären Armee Bougainvilles und den Streitkräften Papua-Neuguineas endete nach acht Jahren mit einem Waffenstillstand. Bis dahin hatten 15.000 bis 20.000 Menschen - etwa 13 Prozent der damaligen Bevölkerung - im Zuge der Kämpfe den Tod gefunden.

"Die Krise symbolisierte den Kampf für alle Unterdrückten auf der Welt", sagt Greg Doraa, der Chief der Nasioi im Distrikt Panguna. Auch wenn die von 300.000 Menschen bevölkerte Region inzwischen den Autonomiestatus erlangt hat, ist das Schreckgespenst Bergbau noch nicht gebannt. Kurz vor den nächsten allgemeinen Wahlen wird heftig über wirtschaftliche Optionen debattiert.

Die lokale politische Elite ist der Ansicht, dass nur die hohen Einnahmen aus dem Bergbau Bougainville dem Ziel der politischen Unabhängigkeit von Papua-Neuguinea näher bringen können. 2020 ist das entsprechende Referendum geplant. Viele Landeigentümer und Bauern plädieren jedoch für eine nachhaltige Entwicklung des reichen Agrar- und Ökotourismuspotenzials.

Im vergangenen Jahr berichtete der Präsident der autonomen Region Bougainville, John Momis, dass die beiden Hauptwirtschaftszweige, der Kakaoanbau und die Goldförderung, Einnahmen von etwa 55,7 Millionen Dollar generierten. Davon profitierten die lokalen Einkommen, nicht die Lokalregierung. "Selbst wenn auf diese Aktivitäten eine Umsatzsteuer von zehn Prozent erhoben würde, wäre das nur ein Bruchteil des Betrags, den wir für unser Unabhängigkeitsprojekt bräuchten", sagte Momis.

Politische Beobachter werfen der Regierung allerdings vor, ihre Liquiditätsprobleme kurzfristig durch den Bergbau lösen zu wollen und dadurch den Agrar- und Fertigungssektor zu vernachlässigen. "Bougainville besitzt fruchtbare Böden, deren Erträge als Rohstoffe zu guten Preise auf dem Weltmarkt verkauft werden können. Die Region kann zudem zu einer lukrativen Touristendestination werden, wenn eine entsprechende Infrastruktur geschaffen wird", sagt der Analyst Chris Baria.

Graswurzel-Bewegungen befürchten, dass eine Rückkehr zum großangelegten Bergbau wieder zu Lasten der Bevölkerung gehen würde. Von den früheren Einnahmen aus der Kupferförderung hatten die lokalen Landbesitzer nur einen Anteil von 1,4 Prozent erhalten. "Schon die derzeitigen Entwicklungstrends nutzen nur der gebildeten Elite und den Politikern", kritisiert Baria.

Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens 2001 verläuft der Wiederaufbau der Region eher schleppend. Die Autonomieverwaltung ist weiterhin abhängig von Geldspritzen der Zentralregierung und der internationalen Geber. An einigen Orten sind Straßen und Brücken instandgesetzt, Flughäfen eröffnet und die Polizeikräfte aufgestockt worden.

Viele Menschen in den ländlichen Gebieten haben allerdings kaum Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. In Bougainville stehen mehr als 250.000 Menschen lediglich zehn Ärzte zur Verfügung. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei nur 59 Jahren. Weniger als ein Prozent der Bevölkerung verfügt über Elektrizität. Unbehandelte posttraumatische Belastungsstörungen haben dazu geführt, dass häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe weit verbreitet sind.

Wie die Organisation 'World Vision' berichtet, stehen weniger als fünf Prozent der Bevölkerung sanitäre Anlagen zur Verfügung. Ein Drittel der Kinder geht nicht zur Schule, nachdem in den Bürgerkriegsjahren bereits eine 'verlorene Generation' ohne Bildung herangewachsen war.


Eine Entwicklung, die den Frieden wahrt

Viele Experten sind deshalb der Meinung, dass die Wirtschaftsentwicklung einen langfristigen Frieden unterstützen müsse. Laut einer kürzlich veröffentlichten Befragung unter 82 Bewohnern, die im Umfeld der Mine leben, erwartet die Bevölkerung Unterstützung für Ackerbau, Viehzucht, Fischfang und Fischzucht.

Vor Beginn der Bergbauaktivitäten hatten die Bewohner Bougainvilles Subsistenzlandwirtschaft betrieben. Angebaut wurden vor allem Kakao und die stärkehaltigen Taro-Knollen. Außerdem ernährten sie sich von den Früchten des Brotfruchtbaums und von Flussfischen. Der Kupferbergbau verschmutzte jedoch Böden und Wasser und gefährdet die Menschen in ihrer Existenz.

Vor dem Bürgerkrieg lebten etwa 77 Prozent der Familien hauptsächlich vom Kakaoanbau. Die Farmer in dem Bergbaugebiet verdienten jährlich etwa 299 Dollar. Die Entschädigungszahlungen der Minenbetreiber beliefen sich jedoch nur auf 185 Dollar pro Jahr.

Zwischen 1988 und 1997 fiel die Kakaoernte von 12.903 Tonnen auf 2.619 Tonnen und legte bis 2006 wieder um 48 Prozent zu. Die Entwicklung des Sektors wird jedoch weiterhin durch die schlechten Verkehrswege und dem unzureichenden Zugang zu den Märkten beeinträchtigt. Seit 2009 wird zudem ein Teil der Erträge von Schädlingen vernichtet. Hinzu kommt die Konkurrenz durch Firmen in anderen Provinzen Papua-Neuguineas, die Handel und Exporte steuern.


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Rostende Überbleibsel des jahrelangen Kampfes der Nasioi-Ureinwohner gegen die Panguna-Kupfermine
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Wenn im Juni in Bougainville eine neue Regierung gewählt wird, stehen wichtige Entscheidungen an. Die Erfahrungen der Vergangenheit sollten den künftigen Entscheidungsträgern als Warnung gereichen, die Wirtschaftsentwicklung von der Förderung der Bodenschätze abhängig zu machen. (Ende/IPS/ck/03.06.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/05/bougainville-former-war-torn-territory-still-wary-of-mining/

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IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2015

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