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KONFERENZ/172: Guter Ratgeber der Länder des Südens - Kampagne gegen UNCTAD-Mandat (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. April 2012

Handel: Guter Ratgeber der Länder des Südens - Kampagne gegen UNCTAD-Mandat

von Ravi Kanth Deverakonda



Genf, 10. April (IPS) - Industriestaaten versuchen derzeit mit einer beispiellosen Kampagne die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) um das Mandat zu bringen, die ärmsten Länder der Welt im Sinne einer auch für sie vorteilhaften Globalisierung zu beraten. Vor der UNCTAD-Ministerkonferenz, die vom 21. April bis 26. April im katarischen Doha stattfindet, äußern die reichen Länder des Nordens ihren Unmut über Ratschläge, wie sie die UN-Organisation den Entwicklungsländern erteilt.

Nach Angaben von Handelsvertretern aus den armen Ländern vertreten die reichen Staaten die Meinung, dass sich die UNCTAD-Empfehlungen in den Bereichen Finanzen, Umwelt, Ernährungssicherheit, geistiges Eigentum und Entwicklung nicht mit ihren Marktliberalisierungsplänen vertragen.

"Die Industriestaaten wollen nicht, dass die UNCTAD in Finanzfragen mitredet, sondern das Feld dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation überlässt", meinte Anthony Mothae Maruping, der Botschafter von Lesotho bei den Vereinten Nationen.

Maruping sitzt dem UNCTAD-Verhandlungsausschuss vor, der mit dem Entwurf des Abschlussdokuments der Doha-Konferenz beauftragt ist. Er ist nach eigenen Angaben darum bemüht, die bestehenden Differenzen zwischen den von EU und USA geführten Industrienationen auf der einen Seite und den G7-Entwicklungsländern plus China auf der anderen Seite zu überbrücken.

In der Textvorlage zum UNCTAD-Mandat der nächsten vier Jahre wird die besondere Rolle der UN-Organisation in den Bereichen Forschung und Beratung zu Fragen der aktuellen Rezession, der Wechselkursverzerrungen, Volatilität und 'Finanzialisierung' der Rohstoffmärkte, der besonderen und differenzierten Behandlung der Entwicklungsländer, der regionalen Finanz- und Währungszusammenarbeit und der Reform der internationalen Finanz- und Wirtschaftsarchitektur hervorgehoben. Unter 'Finanzialisierung des Rohstoffhandels' ist eine zunehmende Durchdringung der Rohstoff- durch die Finanzmärkte und deren Akteure zu verstehen.


Wachstum durch Entwicklung

In seinem Bericht für das Doha-Treffen forderte der UNCTAD-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi einen Paradigmenwechsel zugunsten eines auf Entwicklung ausgerichteten Wirtschaftswachstums, das den ärmsten Ländern ('Least-Developed Countries' - LDCs) der Welt zugutekommt.

"Die Kombination aus makroökonomischer Rosskur, rapider Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung hat nicht nur dafür gesorgt, dass eine Revolution ausgeblieben ist, sondern dass die Region Afrika wirtschaftlich zurückgeworfen wurde", meinte Panitchpakdi. In den meisten Bereichen leide die Produktivität, und die Schattenwirtschaft habe sich seit der internationalen Schuldenkrise Anfang der 1980er Jahre ausgebreitet.

Die Zeit sei gekommen, um von einer finanzgetriebenen Globalisierung abzukommen, die nach dem Prinzip 'Eine Lösung für alle Länder' verfahre. Ein solcher Ansatz sei vor allem für die LDCs schädlich, warnte Panitchpakdi. Obwohl die Nachwehen der globalen Wirtschaftskrise von 2008 bis heute in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Griechenland und USA zu spüren seien, hielten USA und die EU an ihrer gescheiterten Konjunktur- und Krisenpolitik fest.


Frühe Warnung

Die UNCTAD hatte als erstes multilaterales Gremium seit seiner Gründung 1964 auf die Gefahren einer Immobilienblase und öffentlichen und privaten Verschuldung hingewiesen. In einem UNCTAD-Bericht von 1997‍ ‍war bereits von einem Abwärtsrisiko einer finanzgesteuerten Globalisierung die Rede. Die UN-Organisation hatte zudem während der Verhandlungen im Rahmen der Doha-Entwicklungsrunde vor den negativen Folgen für die Länder des Südens gewarnt, sollten diese ihre Schutzzölle auf fast null zurückfahren.

Die Doha-Entwicklungsrunde war vor fast elf Jahren von der Welthandelsorganisation (WTO) ins Leben gerufen worden, um die historischen Ungleichheiten und Asymmetrien im internationalen Handel auszugleichen. Sie soll die Integration der armen Länder in das globale Handelssystem ermöglichen. Doch die Verhandlungen stecken in der Sackgasse, und eine Gruppe von Industrie- und Schwellenländern versucht mit plurilateralen Gesprächen über eine neue Handelsagenda die Doha-Entwicklungsrunde abzuwürgen.

"Die Arbeit der UNCTAD ist in allen Bereichen lobenswert", meinte Dr. Matern Yakobo Christian Lumbanga, der tansanische Botschafter bei den Vereinten Nationen und der WTO. "Die Unterstützung der UNCTAD in verschiedenen Bereichen ist gerade für die LDCs wichtig. Die Empfehlung, uns nicht von ein oder zwei Exportbereichen oder Rohstoffen abhängig zu machen, war gut."

Das bevorstehende UNCTAD-Treffen wird sich mit den besonderen Problemen der LDCs auseinandersetzen, wie Richard Kozul-Wright, der Leiter der UNCTAD-Einheit für Wirtschaftszusammenarbeit und Integration unter den Entwicklungsländern, betonte. Es gelte nachhaltige Lösungen zu finden wie eine Diversifizierung und Verbesserung von Gütern und Dienstleistungen, um die armen Länder so vor externen Schocks zu bewahren.

"Dieser dringlichsten Herausforderung, die neue Arbeitsplätze, sozialen Schutz und ökologische Nachhaltigkeit beinhaltet, müssen wir uns stellen", so Kozul-Wright. "Es gilt das Leben vieler und nicht nur einiger weniger privilegierter Menschen zu verbessern." (Ende/IPS/kb/2012)

Links:
http://www.unctad.org/en/Pages/Home.aspx
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107340

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2012