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REDE/417: Rainer Brüderle zum Haushaltsgesetz 2010, 16.10.2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 16. März 2010 in Berlin


Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Das Frühjahr kommt, es vertreibt den Winter, und zwar auch den Konjunkturwinter. Die Politik hat das Ihrige getan. Wir sorgen für konjunkturelle Frühlingswärme.

Unsere Entlastungen haben der Wirtschaft geholfen. Die Verbraucher, vor allem Familien und Mittelstand, haben mehr Geld zur Verfügung. Das stützt die Binnennachfrage. Wir sorgen für Wachstum. Wir sind auf dem richtigen Weg. Im Januar haben sich die Auftragseingänge und die Produktion wieder belebt. Der Arbeitsmarkt hat dem strengen Winter getrotzt. Wir müssen diesen Weg beherzt weitergehen. In der Sozialpolitik heißt das: Der Status quo gehört auf den Prüfstand.

Die SPD wollte zuerst keine Debatte; jetzt zieht sie mit einem Papier nach. Sieben Jahre nach der Agenda 2010 wollen Sie davon nichts mehr wissen. Jetzt wollen Sie eine Agenda 1970, als hätte es die Wiedervereinigung, die Europäisierung und die Globalisierung nicht gegeben. Sie setzen auf die Konzepte der 70er-Jahre, die von massiver Umverteilung geprägt waren. In wenigen Wochen streifen Sie elf Jahre Regierungsverantwortung ab. Sie rechnen auch nicht so schnell damit, in die Regierungsverantwortung zurückzukommen; sonst hätten Sie deutlich gesagt, was Ihre Vorschläge kosten. Das Wirtschaftsministerium hat einen groben Kostenvoranschlag gemacht: Die Kosten für die Realisierung Ihrer Vorschläge belaufen sich auf mindestens 10 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte; das ist eher der untere Rand.

Die Null-Euro-Jobs der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidatin werden jetzt "Programm für soziale Arbeit" genannt. Im Klartext: Sie schreiben mindestens 200.000 Menschen als arbeitsunfähig ab. Das ist nicht der Ansatz der Bundesregierung. Die Bundesregierung will allen eine Chance auf Arbeit geben. Wir wollen niemanden ausgrenzen. Wir wollen Menschen aus ihrer Abhängigkeit vom Sozialstaat befreien. Das geht nur durch effektive Betreuung der Arbeitslosen vor Ort und durch bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten.

So können auch Langzeitarbeitslose Schritt für Schritt in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Es geht um eine Balance zwischen denen, die Leistung beziehen, weil sie bedürftig sind, und denen, die Leistung erbringen. Diese Balance haben Teile der Opposition offenbar aus dem Blick verloren.

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine persönliche Anmerkung: Der Vorsitzende der SPD hat meiner Partei Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen. Diesen Vorwurf halte ich für total daneben. Demokraten sollten nicht auf diese Weise miteinander umgehen.

Ich bin der Letzte, der nicht weiß, dass man im Eifer des Gefechts zugespitzt formuliert. Ich hoffe aber, Herr Gabriel findet die Kraft, sich für diese Äußerung zu entschuldigen.

Der deutsche Aufschwung lebt vom Export. Fast die Hälfte unserer Wirtschaftsleistung hängt vom Export ab; das wissen Sie alle. Das mag dem einen oder anderen Land in Europa nicht passen. Ich persönlich freue mich über die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte. Deshalb werde ich demnächst eine Außenwirtschaftsoffensive vorstellen.

Nicht nur die internationalen Märkte für Güter und Dienstleistungen müssen wir erschließen.

Es geht dabei auch um den Zugang zu wichtigen Rohstoff- und Energiequellen. Die Schwellenländer holen auf. Wenn wir nicht zurückfallen wollen, müssen wir aktiv bleiben.

Der Schwerpunkt wird natürlich auf Delegationsreisen liegen. Nichts ersetzt Kontakte vor Ort. Ich finde es schädlich, wie Teile der Opposition Delegationsreisen für durchsichtige innenpolitische Kampagnen missbrauchen. Ihnen ist offenbar gar nicht bewusst, welchen Schaden Sie Deutschland und der deutschen Wirtschaft damit zufügen. Delegationsreisen werden weiterhin so zusammengesetzt, dass sie Deutschland nützen.

Firmen, die sich von Außenminister a. D. Dr. Joseph Fischer beraten lassen, werden genauso berücksichtigt wie andere Mitbewerber. Ich werde weiterhin im Ausland Unternehmen besuchen, die sich von Bundeskanzler a. D. Gerhard Schröder vertreten lassen.

Nur gegen einen Rat von Frau Künast habe ich Vorbehalte. Sie hat empfohlen, Toyota zu fahren. Da klemmt offenbar irgendwo ein Gaspedal. Der Bundesregierung geht es darum, deutsche Produkte und Dienstleistungen im Ausland zu fördern.

Teile der Opposition mögen da Beklemmungen bekommen. Für mich ist Wirtschaftspatriotismus kein Schimpfwort.

Deutschland lebt vom Freihandel, von offenen Märkten. Das kann man nicht vom Schreibtisch aus unterstützen. Im Bundeswirtschaftsministerium sind 144 Millionen Euro für die Exportförderung eingestellt. Jeder Cent davon ist gut angelegt.

Die Bundesregierung wird aber auch Maßnahmen zur Stärkung der Binnenkonjunktur ergreifen. Wir sorgen dafür, dass Energie bezahlbar bleibt. Als Brücke in das regenerative Zeitalter brauchen wir die Kernenergie. Wir brauchen Strom aus sauberer Kohle. CCS ist für mich eine Zukunftstechnologie.

Sie darf aber nicht das gleiche Schicksal erleiden wie der Transrapid oder Teile der Biotechnologie. Wenn wir überall die Technologieführerschaft abgeben, dann werden wir unseren Wohlstand auf Dauer nicht halten können, dann werden wir Arbeitsplätze nicht erhalten und neue Arbeitsplätze nicht schaffen können.

Gerade bei der Energieerzeugung darf es keine Denkverbote geben. Wir werden den Energiemix in Richtung erneuerbare Energien umbauen. Wir werden das aber nicht auf Kosten des Industriestandortes und der Verbraucher tun.

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für die zum großen Teil konstruktiven Haushaltsberatungen. Insgesamt ist der Einzelplan im zweiten Regierungsentwurf um 160 Millionen Euro reduziert worden. Sie sehen, dass wir schon in diesem Jahr ein kleines Sparsignal setzen. Die Konsolidierungsanstrengungen werden natürlich zunehmen und zunehmen müssen.

Wir haben einen klaren Wachstumskurs eingeschlagen. Wenn es uns aber nicht gelingt, mehr Wachstum zu bewirken, werden wir die Haushalte nicht konsolidieren können. Deshalb ist die Zwei-Schritt-Konzeption der Bundesregierung richtig:

Wir müssen erst das Wachstum stärken, indem wir entlasten, und dann den Haushalt konsolidieren, damit es nachhaltig wirkt.

Wenn die ausländische Presse heute in Überschriften kritisiert, die deutsche Wirtschaft sei zu stark, dann ist das ein Kompliment für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Unternehmen und den Mittelstand, die die Restrukturierung in der deutschen Wirtschaft bewerkstelligt haben, aber auch für die Bundesregierung, die die Weichen richtig gestellt hat. Wenn Sie da alles runtermachen, dann werden Sie das Konjunkturpflänzchen, das wir haben - es ist noch kein selbsttragender Aufschwung -, gefährden. Wenn Sie das alles zerreden, wenn Sie sagen, was wir machen, sei Mist und verkehrt, dann ist das kein Beitrag, um den Aufschwung, den wir stärken müssen, zu stärken. Sie sollten sich hinter die Konzeption der Bundesregierung stellen und ruhig einmal anerkennen, dass wir etwas Vernünftiges machen.

Obwohl wir die Bürgerinnen und Bürger zum 1. Januar dieses Jahres bereits steuerlich entlastet haben - wir streben insgesamt eine Entlastung um 24 Milliarden Euro an -, legen wir einen Haushalt vor, der wichtige Entscheidungen enthält, um die Verschuldung ein Stück abzubauen. Damit setzen wir das Signal: Wir meinen es ernst damit, einerseits das Wachstum zu stärken und andererseits zu konsolidieren. Das ist eine Doppelstrategie, die genau das bewirkt, was Deutschland stark macht, offenbar so stark, dass selbst unsere französischen Freunde sagen, wir seien zu stark. Wir sind auf dem richtigen Kurs. Wir sollten das nicht zerreden. Wir sollten den Kurs konsequent beibehalten.

Meine Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, dass Sie sich nach den miserablen Wahlergebnissen in einem Suchprozess befinden, verstehe ich. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich wieder finden. Aber Sie sollten das nicht zulasten der Chancen für mehr Beschäftigung in Deutschland tun.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 26-3 vom 16.03.2010
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle,
zum Haushaltsgesetz 2010 vor dem Deutschen Bundestag am 16. März 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2010