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REDE/438: Ramsauer zur Verkehrsinvestitionspolitik vor dem Deutschen Bundestag, 11.06.2010 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, in der Debatte zur Verkehrsinvestitionspolitik vor dem Deutschen Bundestag am 11. Juni 2010 in Berlin:


Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Die heutige Debatte über die beiden vorliegenden Anträge nutze ich gerne, um die fundamentale Bedeutung von hinreichenden Investitionen in unsere Verkehrsinfrastruktur für die gesamte Wirtschaft, aber auch für die gesamte Gesellschaft zu beleuchten.

Investitionen in unsere Straßen, in unsere Schienen, in unsere Wasserstraßen und natürlich auch in einem gewissen Umfang in den Luftverkehr - er trägt sich weitestgehend selbst; das wird immer wieder übersehen - sind Investitionen in die wichtigsten Lebensadern unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft und bilden die bestmögliche Grundlage für Wachstum und für Arbeitsplätze.

Auf genau diese Aufgabe konzentriert sich die Bundesregierung mit aller Ernsthaftigkeit.

An die Adresse der Antragsteller, also der Grünen und der Linken, möchte ich einige ganz kurze Bemerkungen machen. Sie listen - hier spreche ich die Grünen an - in Ihrem Forderungskatalog zur Investitionspolitik im Bereich Schiene durchaus einige Forderungen auf, die wir jetzt mit allem Nachdruck angehen.

Ich nenne nur die geforderte Konzentration auf Investitionsschwerpunkte in Form von Projekten, die ein möglichst hohes Nutzen-Kosten-Verhältnis aufweisen. Herr Hofreiter, wir haben uns erst vorgestern im Ausschuss darüber unterhalten. Auch die Kollegin Leidig hat dies angesprochen. Mir als Verkehrs- und Bauminister und als gelerntem Ökonomen braucht doch niemand die Erkenntnis als neu zu verkaufen, dass man gefälligst nicht solche Investitionen tätigt, die hinterher mehr Schaden als Nutzen bewirken. Für die Bewertung von Projekten gibt es ein Instrument - das wissen Sie doch alle -, nämlich die Nutzen-Kosten-Analyse.

Gemäß unserer Prioritätensetzung investieren wir nur in solche Projekte, die mehr volkswirtschaftlichen Nutzen bringen, als sie ursprünglich kosten. Das ist unsere klare Marschrichtung. Danach handeln wir.

Noch eine Bemerkung sei erlaubt. Wir alle sind uns schnell einig, wenn es um die Notwendigkeit der Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene geht. Das ist heute schon einige Male angesprochen worden. Aber wenn es dann bei den einzelnen Projekten ernst wird, dann schlagen sich nicht wenige schlicht und ergreifend in die Büsche. Ich kann einfach nur lapidar feststellen, dass bei Protesten gegen viele Schieneninfrastrukturprojekte gerade auffallend viele Grüne in der ersten Reihe der Protestierenden stehen.

Da kann ich nur sagen: Holen Sie, lieber Herr Hofreiter, diese Streiter für falsche Ziele zurück.

Es geht nicht, dass Sie hier im Parlament dafür kämpfen, etwas für die Schiene zu tun, aber dann bei den Protesten in der ersten Reihe stehen, gegen die man sich nur mit Hundertschaften der Polizei zur Wehr setzen kann.

Man tut etwas für die Schiene, aber Sie stehen mit anderen Grünen in der ersten Reihe der Protestierenden. Die deutsche Öffentlichkeit muss wissen, was die Wahrheit ist, was Ihre Worte und was Ihre Taten sind.

Zum Thema "Worte und Taten" kann ich nur sagen: Im Bundestag sagen Sie das eine, aber draußen machen Sie etwas ganz anderes. Das ist alles andere als überzeugend und glaubwürdig.

An die Adresse der Linken: Ihre Vorstellungen kann und will ich nur ganz kurz ansprechen. Was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, ist ein Sammelsurium von staatsdirigistischen Eingriffen. Sie setzen - das ist von gesellschaftspolitischer Bedeutung - beim Thema Mobilität schlicht und einfach auf die Bevormundung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande.

Mobilität meint vor allen Dingen Bewegungsfreiheit. Diese wollen wir sichern, anstatt sie mit lauter Auflagen, wie Sie sie vorschlagen, ständig zu beschneiden. So viel zu den vorliegenden Anträgen.

Ich möchte aber einiges von dem korrigieren, was sich in die bisher gehaltenen Reden eingeschlichen hat, aber so zum großen Teil nicht stimmt. Herr Hofreiter, das Projekt Arriva als größte Verstaatlichung seit, ich weiß nicht mehr, welchen Zeitraum Sie genannt haben, zu bezeichnen, ist eine fundamentale Verkennung der politischen und der ökonomischen Realitäten.

Ich erkläre heute noch einmal das, was ich schon einige Male hier an diesem Redepult erklärt habe: Ich stehe voll und ganz hinter der Unternehmensstrategie der Deutschen Bahn AG, unseres Unternehmens, sich auf diese Weise im Ausland zu betätigen, denn Schienenverkehre sind inzwischen ein europäisierter Markt geworden. Wer die Deutsche Bahn AG dem Wettbewerb aussetzt, der muss auch zulassen, dass sich die Deutsche Bahn AG auf dem europäisierten Verkehrsmarkt dem Wettbewerb stellt und die Chancen des Wettbewerbs nutzt. Dazu gehört auch eine solche Akquisition wie Arriva.

Ließe man dies nicht zu, würde man unserem Unternehmen, der Deutschen Bahn AG, zumuten, zu schrumpfen. Die Deutsche Bahn AG hat in Deutschland bereits 320 Wettbewerber. Eine Schrumpfung der Deutschen Bahn AG würde eine Vernichtung von Arbeitsplätzen bedeuten: 250 000 gute Arbeitsplätze, davon 90 000 im Ausland, 160 000 im Inland. Ich will, dass diese guten Arbeitsplätze bei der Bahn AG erhalten bleiben. Das schaffen wir nur, wenn wir der Bahn AG die Wahrnehmung der ökonomischen Chancen im Ausland garantieren und ihr Rückendeckung geben.

Sie kritisieren, dass eine Dividende von 500 Millionen Euro ausgeschüttet werden soll. Diese Vorgabe muss natürlich vom Aufsichtsrat der Bahn bestätigt werden. Für das Geschäftsjahr 2010 wird es haushaltswirksam im Jahr 2011 ausgezahlt. Ich bin froh, dass die Bahn AG Gewinne erwirtschaftet. Die Bilanz wird im Jahr 2010 noch einmal besser ausfallen, als dies im Jahr 2009 ohnehin der Fall war.

Im Grundgesetz ist festgehalten, dass die Bahn wirtschaftlich betrieben werden und den Erfordernissen des Gemeinwohls folgen muss. Wirtschaftlich betreiben heißt für den Verkehrsminister, dass er von der Bahn Gewinne erwarten kann. Dazu kursieren die unsinnigsten Philosophien, nämlich dass es etwas Anrüchiges sei, dass die Bahn AG Gewinne erwirtschaftet.

Ich erwarte das, und zwar nicht zuletzt aus zwei Gründen.

Erstens. Wir als Eigentümer sind es den Steuerzahlern, also all unseren Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland, schuldig, dass sich das im Unternehmen Bahn AG gebundene Kapital hinreichend verzinst. Das ist eine kaufmännische Binsenweisheit.

Zweitens. Ich erwarte, dass Gewinne erzielt werden, damit die Gewinne ordentlich reinvestiert werden. Ohne Gewinnerzielung gibt es keine Reinvestition. Das lernt man in jeder kaufmännischen Lehre. Deswegen sind Gewinne nichts Unanständiges, sondern sie müssen erwirtschaftet werden. Genau das tun wir.

Einige finden es auch schon wieder anrüchig, dass ausweislich der Investitionstableaus der Deutschen Bahn AG in den kommenden fünf Jahren jedes Jahr etwa 2 Milliarden Euro mehr investiert werden sollen, als dies im Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Fall war.

Ich habe mich mit der neuen Führung der Bahn auf eine Investitionsoffensive verständigt. Damit einher geht beispielsweise eine Akquisition wie Arriva. Wir bauen auf Qualität. Ich sage immer: Schnelligkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit. An all diesen Punkten arbeiten wir. Die Bahn wird die Investitionen aus diesem Grund deutlich erhöhen.

Diese zwei Dinge gehören zusammen. Wenn ich in den eigenen Laden zu Hause investiere, dann kann ich auch im Ausland unternehmerisch tätig werden. Das eine und das andere gehören untrennbar zusammen.

An dieser Stelle greife ich die Forderung der Kollegin Leidig auf, das Führungspersonal der DB AG auszuwechseln. Ist Ihnen denn entgangen, dass in den letzten zwölf Monaten das Führungspersonal der Deutschen Bahn AG praktisch komplett ausgewechselt wurde?

Wir haben dafür gesorgt - und ich an verantwortlicher Stelle -, dass von den zehn Eigentümervertretern im Aufsichtsrat der Bahn nur ganze vier geblieben sind und die anderen sechs nach der Bundestagswahl ausgetauscht worden sind.

Das ist ein richtiger Schritt. Denn ich als Vertreter des Eigentümers Bund will im Aufsichtsrat von Persönlichkeiten und Personen vertreten werden, die die Neuausrichtung der Bahnpolitik im Aufsichtsgremium genau so vertreten.

Deswegen haben wir diesen Austausch vorgenommen. Deshalb steht jetzt ein anderer an der Aufsichtsratsspitze. Deshalb steht auch seit dem 1. Mai des letzten Jahres jemand anderer an der Spitze des Vorstandes, mit dem ich mich blendend verstehe und in der Bahnpolitik abspreche.

Ich kümmere mich auch ordentlich um dieses Unternehmen, zumindest mehr als dies in der Vergangenheit der Fall war. Denn es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass man sich dann, wenn einem ein Unternehmen gehört - jetzt amtlich - und man dafür federführend zuständig ist, gefälligst auch darum zu kümmern hat. Nicht miteinander zu reden, ist der falsche Weg, meine Damen und Herren. Man muss sich um die Bahn kümmern!

Deshalb steht jetzt auch jemand anderes an der Spitze des Vorstandes. Der Vorstand ist ein ganz anderer geworden. Das klappt gut, und wir arbeiten bestmöglich zusammen.

Zahlen zu den Einsparungen: Da hat sich eine falsche Zahl hineingefressen! Ich habe das doch vorgestern im Ausschuss geklärt.

Es geht um die globale Einsparung von 200 Millionen Euro: Irgendwer behauptet ständig, das seien 200 Millionen und 200 Millionen und dann ansteigende Zahlen. Da hat sich eine falsche Zahl hineingefressen. Ich habe im Ausschuss klargestellt, dass die korrekten Zahlen sind: Jedes Jahr 200 Millionen Euro: 200, 200, 200 und 200.

Sie schütteln schon wieder mit dem Kopf. Das ist aber so, nehmen Sie mir das einfach ab. Wenn ein ehemaliger SPD-Staatssekretär falsche Zahlen aufschreibt, kann ich nichts dafür. Das ist inzwischen korrigiert. Ich habe das im Ausschuss klargestellt.

Herr Beckmeyer, wo Sie Ihre 9 Milliarden Euro Beteiligung an den Sparbemühungen hernehmen, ist mir völlig schleierhaft. Wie Sie auf zwei Milliarden aus der Luftverkehrsabgabe kommen, ist mir auch schleierhaft. Hier sehen wir ein Aufkommen von etwa einer Milliarde.

Und hier möchte ich auch noch eines klarstellen: Die Abgabe ist ein Vorläufer zum Emissionshandel. Wenn der Emissionshandel im Flugverkehr kommt, ist das weg. Zur Klarstellung zitiere ich jetzt einmal aus dem Papier, das in der Klausur der Bundesregierung beschlossen worden ist. Hier heißt es:

"Bis zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den bereits vereinbarten CO2-Emissionshandel wird eine ... ökologische Luftverkehrsabgabe ... erhoben ..."

Nota bene: bis zur Einbeziehung und nicht länger! Damit ist dies auch klargestellt.

Weil wir gerade bei dem Thema sind: Fachlich ist das natürlich im Bereich des Verkehrsministeriums angesiedelt; aber das Bundesfinanzministerium ist federführend zuständig. Damit sind die Zuständigkeiten klipp und klar.

Ich appelliere an alle Verkehrspolitiker in diesem Hause, sich bei der Klärung der materiellen Ausgestaltung dieser Luftverkehrsabgabe, die ökologisch orientiert ist, hinreichend einzubringen. Da sind natürlich noch viele Details zu besprechen.

Herr Beckmeyer, Sie haben "Impulse für das Handwerk" angesprochen. Ja, wir haben im Bereich des CO2-Gebäudesanierungsprogramms gekürzt. Die Frage ist, ob man das bei einem historisch niedrigen Zinsniveau - die Zinsen liegen beim Baugeld unter drei Prozent - oder bei einem Zinsniveau von sechs, sieben oder acht Prozent beim Baugeld - das hat es auch schon gegeben - tut. Ich meine, das historisch niedrige Zinsniveau ist der beste Impuls für das Handwerk und die beteiligten Wirtschaftszweige. Deswegen halte ich es für vertretbar, dass wir das Ausmaß der Zinssubventionen im Rahmen dieser Förderprogramme entsprechend dem extrem niedrigen Zinsniveau an den Kapitalmärkten vermindern.

Eine Bemerkung zur Kollegin Leidig. Sie sind wieder mit der Forderung gekommen - ich fasse es zusammen -: Bildung statt Beton.

Jetzt sage ich Ihnen eines: Ich rede sehr viel mit jungen Leuten. Junge Menschen haben ein fundamentales Anrecht auf bestmögliche Bildung, egal in welchem Bereich: im beruflichen Bildungsbereich genauso wie im akademischen. Beide Bereiche sind mir übrigens gleich wichtig: Man kann nicht immer nur von der akademischen Bildung reden und so tun, als sei die berufliche Bildung etwas Minderwertiges.

Dies nur als Nebenbemerkung; ich bin zufällig auf beiden Spuren groß geworden. Wenn aber bestausgebildete junge Menschen eine verrottete Infrastruktur vorfinden, dann können sie uns allen berechtigte Vorwürfe machen und uns fragen, warum wir ihnen eine Infrastruktur servieren, mit der sie trotz bester Bildung nicht vernünftig wirtschaften können.

Wir können und müssen Vorsorge tragen, dass bestmöglich ausgebildete junge Menschen auf eine exzellente Infrastruktur zugreifen können, mit der sie - auch die nachfolgenden Generationen - in Deutschland als exportorientiertem Land ihre Chancen in der weltweit verflochtenen Wirtschaft bestmöglich nutzen können. Deswegen gilt nicht: Bildung statt Beton. Vielmehr brauchen wir beides: exzellente Bildung und eine exzellente Infrastruktur, also Straßen, Wasserstraßen, Schiene und Luftverkehr. All das gehört zusammen. Unsere Leitlinie ist: super Bildung in einer super Infrastruktur.


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Quelle:
Bulletin Nr. 67-3 vom 11.06.2010
Rede des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
Dr. Peter Ramsauer, in der Debatte zur Verkehrsinvestitionspolitik
vor dem Deutschen Bundestag am 11. Juni 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2010