Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → WIRTSCHAFT

ROHSTOFFE/041: Der Preis der Metalle (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Der Preis der Metalle
Kein Gold, das glänzt

Von Friedel Hütz-Adams


In der gegenwärtig stattfindenden Debatte über die Verfügbarkeit von Rohstoffen wird ein Aspekt häufig ausgeblendet: Die Förderung von Rohstoffen ist oftmals mit großen Umweltproblemen verbunden. Bundesregierung und der Bundesverband der Deutschen Industrie sind sich zwar darin einig, dass die deutsche Wirtschaft weiterhin Zugang zu allen gewünschten Produkten bekommen soll und dies zu einem möglichst niedrigen Preis. Doch es fehlt eine Debatte darüber, welche Folgen dies für die Abbaugebiete hat und ob diese Folgen angemessen zu bezahlen sind.


Der Preis für viele Metalle ist zwischen den Jahren 2005 und 2008 massiv gestiegen, fiel dann während der Finanz- und Wirtschaftskrise und steigt seit Mitte 2009 wieder auf Rekordhöhen an. Der Preisanstieg hätte dazu führen können, dass in den Abbaugebieten mehr Geld in den Schutz der Umwelt investiert wird. Am Beispiel der Goldförderung lässt sich jedoch belegen, dass eben dies selbst beim einzigen Metall, dessen Preis in der Krise sogar weiter stieg, nicht geschah.

Gold diente und dient noch heute als Schmuck, Zahlungsmittel und Rücklage für schlechtere Zeiten. In den letzten Jahren wird es zudem vermehrt in High-Tech-Geräten verwendet: Jedes Mobiltelefon enthält beispielsweise Spuren von Gold.

Wichtigstes Förderland im Jahr 2009 war China, gefolgt von Südafrika, Australien und den USA. Mit Ausnahme Chinas verzeichnen alle großen Förderländer sinkende Abbaumengen, während die Produktion in vielen kleinen Staaten, darunter Ghana, Tansania, Mali, Papua-Neuguinea und Kolumbien, steigt. Immer wichtiger wird das Recycling, das derzeit durch den hohen Goldpreis beflügelt wird: Durch das Einschmelzen von z.B. Barren, Schmuck, Münzen oder elektronischen Komponenten mit Goldgehalt wurden im Jahr 2009 knapp 1.700 Tonnen Gold gewonnen. Das sind rund 40 % der weltweit zur Verfügung stehenden Menge.

Der Verkauf von Schmuck aus Gold sinkt. Im Jahr 2000 kaufte die Schmuckbranche nur noch knapp 1.800 Tonnen, doch ungefähr die gleiche Menge wurde als Investitionsobjekt erworben. Die Finanzkrise hat das Interesse an Gold als Versicherung gegen Währungskrisen deutlich erhöht. Nahezu konstant geblieben ist dagegen mit rund 400 Tonnen der Teil des Goldes, der in Industrie und der Zahntechnik verwendet wird.


Moderne Minen versus Tagebau

Der größte Teil der Goldförderung stammt aus großen, modernen Minen, die stark mechanisiert sind und in denen jeweils nur wenige Hundert oder Tausend Menschen arbeiten. Für diese Art der Goldförderung werden große Flächen benötigt, was zu (Zwangs-)Umsiedlungen und damit verbundenen Konflikten führt. In und um die Minengebiete starben in Förderländern wie Ghana, Tansania, Indonesien oder Kolumbien in den letzten Jahren bei Auseinandersetzungen immer wieder Menschen, die sich nicht von ihrem Land vertreiben lassen wollten.

Der größte Teil des Golds wird im Tagebau gewonnen. Dabei werden auf großen Flächen in einem ersten Schritt die Erd- und Steinschichten, die kein Gold enthalten, abgetragen. Dann werden die goldhaltigen Schichten abgegraben oder -gesprengt. Für die Herstellung eines Goldrings werden durchschnittlich 20 Tonnen Erde und Gestein bewegt.

Bereits das Abtragen der Gesteinsschichten, die kein Gold enthalten, führt zu erheblichen Problemen. Das Gestein enthält häufig Schwefelverbindungen, die auf den Abraumhalden mit Wasser und Sauerstoff reagieren und Schwefelsäure erzeugen. Diese wiederum löst giftige Metalle wie Arsen, Quecksilber und Blei aus dem Gestein. Diese Mischung gelangt in Flüsse und ins Grundwasser. Eine Erfassung der Abraummengen und der Auswirkungen auf die Umwelt findet in vielen Minen nicht statt.


Häufige Cyanidnutzung

Seit den 1980er Jahren stieg die geförderte Goldmenge deutlich an, da mit einem neuen Verfahren zuvor unrentable Minen erschlossen werden konnten, deren Gestein nur ein oder zwei Gramm Gold pro Tonne enthält. Goldhaltige Erde und Gestein werden zu Pulver gemahlen, auf große Halden gekippt und dann mit Cyanidlauge getränkt. Diese Lauge löst selbst kleinste Goldpartikel aus dem Pulver und bindet diese an sich. Mit Hilfe von Zinkstaub oder Aktivkohle wird das Gold aus der Cyanidlauge herausgefiltert. Je geringer der Goldgehalt des verarbeiteten Pulvers, desto höher ist der Cyanidbedarf. Für jedes Kilogramm gewonnenes Gold wurden in den letzten Jahren durchschnittlich 141 Kilogramm Cyanid benötigt.

Bei dieser Methode entsteht als Abfallprodukt ein Schlamm, der unter anderem Cyanid, Schwefelsäure und Schwermetalle enthält und der in Rückhaltebecken gelagert und getrocknet wird. Dammbrüche oder Überschwemmungen mit cyanidhaltigen Abwässern führten unter anderem in Ghana (1996, 2001), Kirgisistan (1998), Rumänien (2000), Papua-Neuguinea (1984) und Peru (mehrfach) zu erheblichen Umweltverschmutzungen. Hinzu kommt eine Vielzahl von kleineren Vorfällen, die zwar Grundwasser und Flüsse verseuchen, doch nirgendwo registriert werden. Wesentlich sicherer ist die Behandlung mit Cyanid in Tanks. Doch aufgrund der großen Menge von Pulver, die behandelt werden muss, arbeiten die meisten Unternehmen mit Halden und bei der Müllentsorgung mit offenen Staubecken.

Eine andere Methode zur Goldgewinnung ist die Verarbeitung von Erzen, die Kupfer, Silber, Blei oder andere Metalle enthalten. Wenn in diesen Erzen auch Spuren von Gold enthalten sind, kann dieses gewonnen werden. Auch dabei werden giftige Substanzen, darunter Cyanid, eingesetzt.


Kleinschürfer und das Quecksilber

Etwa 330 Tonnen und somit rund 12 % der weltweiten jährlichen Produktion werden von Kleinschürfern gewonnen, die größtenteils nur über Hacken, Schaufeln und Waschpfannen verfügen. Der hohe Goldpreis hat dazu geführt, dass die Zahl der Kleinschürfer in den letzten Jahren auf bis zu 20 Millionen wuchs. Viele arbeiten illegal in Regionen, in denen keine oder nur eine sehr schlechte Infrastruktur vorhanden ist. In einigen Ländern besteht ein erheblicher Teil der Arbeitskräfte aus Frauen. Auch Kinder sind in vielen Minen beschäftigt.

Kleinschürfer nutzen Wasser, um aus Erde, Sand oder zerkleinerten Gesteinen die leichteren Partikel herauszuwaschen. Es bleibt die Mischung aus kleinen Steinen und Schlamm, der unter anderem Goldstaub enthalten kann. Um dieses Gold zu gewinnen, wird die Masse mit Quecksilber vermischt. Das Gold verbindet sich mit dem Quecksilber zu einem flüssigen Amalgam und kann so von der Restmasse getrennt werden. Das Amalgam wiederum wird erhitzt, wobei das Quecksilber verdampft. Zurück bleibt Gold mit einem erheblichen Anteil an Quecksilber. Die weitere Reinigung vom Quecksilber findet häufig in kleinen Betrieben in der Nähe der Minen statt. Auch dabei wird das Quecksilber verdampft.

Kleinschürfer verwenden ein bis zwei Gramm Quecksilber zur Gewinnung eines Gramms Gold. Dabei gelangen allerdings rund 60 % des genutzten Quecksilbers ins Wasser und die restlichen 40 % in die Luft. Der Quecksilberdampf ist hoch toxisch. Auch die Aufnahme des Metalls über die Nahrung ist sehr gefährlich. Langzeitschäden an Leber und Nieren sind möglich, hohe Vergiftungsdosen führen zum Tode.


Massive Probleme auch bei "Ökorohstoffen"

Die Missstände bei der Förderung von Gold sind gravierend und sorgen hin und wieder auch für Schlagzeilen in der Presse. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch beim Abbau von vielen anderen Metallen soziale und ökologische Probleme weit verbreitet sind. Dies betrifft auch die Rohstoffe, die für den Ausbau neuer, klimaschonender Technologien vonnöten sind. In der derzeitigen Debatte über den Zugang zu Seltenen Erden, deren Bestandteile in vielen High-Tech-Produkten nicht zu ersetzen sind, wird in der Regel nur erwähnt, dass 97 % der weltweiten Förderung in China stattfindet und dass China diese Marktmacht nun missbrauche, um Technologien zu dominieren. Seltener wird darüber berichtet, dass auch andere Länder über große Vorkommen von Seltenen Erden verfügen. Doch in den USA wurden beispielsweise Minen stillgelegt, weil der Abbau dieser Vorkommen aufgrund der dazu nötigen Chemikalien zu großen Umweltproblemen führte. Die ökologischen Kosten des Abbaus wurden demnach nach China verlagert - und so erst die Abhängigkeit geschaffen.

Ebenfalls zu wenig Beachtung finden die "Standardmetalle", die ebenfalls für Zukunftstechnologien benötigt werden. So ist beispielsweise die Gewinnung von Aluminium aus dem Erz Bauxit alles andere als umweltverträglich: Das Bauxit wird mit Natronlauge vermischt und unter hohem Druck in einer Art Dampfkocher bei 200°C gekocht. Als Abfallprodukt entsteht Rotschlamm (pH Wert 13), der neben großen Mengen Natronlauge auch viele und oftmals giftige Metalle enthält. Pro Tonne fertiges Aluminium fallen die doppelte bis vierfache Menge an festen Bestandteilen des Schlammes an. Der Dammbruch eines ungarischen Staubeckens für Rotschlamm im Herbst 2010 hat gezeigt, wie giftig die Rückstände sein können, wenn diese nicht sachgemäß gereinigt und gelagert werden. Die Weiterverarbeitung der Aluminiumlösung benötigt große Mengen Strom.

Wie dringend eine Debatte über die Produktionsketten aller Metalle auch über Gold hinaus sind, zeigen die unterschiedlichen Fördermengen: Weltweit werden pro Jahr nur rund 2.500 Tonnen Gold gefördert, während allein Deutschland derzeit rund 3.000.000 Tonnen Aluminium verbraucht. Der Aluminiumverbrauch hat sich in Deutschland zwischen den Jahren 1999 und 2009 verdoppelt. Davon geht rund die Hälfte in den Bau von Fahrzeugen: Diese sollen leichter und damit klimaschonender werden.

Notwendig sind daher umfassende Analysen über die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Abbaus und die Verarbeitung von Metallen. Diese müssen die gesamte Wertschöpfungskette erfassen, von der Mine bis zum Endprodukt. Erst dann ist ein Urteil darüber möglich, wie glänzend Gold und wie umweltschonend Aluminium ist.


Der Autor befasst sich bei SÜDWIND e.V. mit den Themen
Öffentlichkeitsarbeit und Welthandel.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010, S. 15-17
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2011