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STEUER/1287: Wer soll das alles bezahlen? - Nachhaltige Entwicklung und Steuervermeidung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2017

We are the Champions
Exportweltmeister Deutschland: Erfolgsmodell oder Problem für den Rest der Welt?

Wer soll das alles bezahlen? Nachhaltige Entwicklung und Steuervermeidung

von Marie-Luise Abshagen


Mit der Verabschiedung der Ziele einer nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) kommen große Aufgaben auf uns zu: Armut soll bekämpft, Umwelt geschützt und Gerechtigkeit hergestellt werden. Klar ist: Die Realisierung der SDGs kostet Geld - viel Geld. Wie können Staaten die Mehrausgaben schultern? Ist die Privatwirtschaft der Heilsbringer? Welche Steuersysteme brauchen wir zur Finanzierung der SDGs? Und warum zahlt Apple eigentlich so wenig Steuern?


Die Kommission der Europäischen Union (EU) legte 2016 offen, dass der Technologiekonzern Apple in Irland Steuervergünstigungen von 13 Milliarden Euro erhalten hatte. Dementsprechend habe Apple auf seine in Europa erzielten und in Irland gebündelten Gewinne nur 0,005 Prozent Steuern gezahlt. Die EU-Kommission machte deutlich, dass die Steuervergünstigungen ungültig seien und verpflichtete Irland zu Steuerrückforderungen.

Ein Großteil des internationalen Geschäfts von Apple läuft über Irland. Die Firma sitzt seit den 1980er Jahren dort, die damalige Regierung machte die Ansiedlung für Unternehmen dank Steuervergünstigungen attraktiv - eine Strategie, um die wirtschaftliche Krise des Landes zu überwinden. Zwar liegt die Unternehmenssteuer in Irland bei 12,5 Prozent, aufgrund bestimmter Steuerübereinkünfte können dort registrierte Unternehmen jedoch ihre Gewinne in Steuerparadiesen wie den Cayman Islands versteuern.

Geschäftsmodell Steuervermeidung

Steuervermeidung ist Teil des Geschäftsmodells vieler internationaler Konzerne wie IKEA, Bayer, Amazon und Apple. Diese Konzerne, ebenso wie reiche Individuen, nutzen Lücken in Steuergesetzgebungen, um Steuerzahlungen zu vermeiden. Das Tax Justice Network schätzt, dass sich bis zu einem Fünftel des Vermögens der Welt in Steueroasen befindet und sich damit einer angemessenen Besteuerung entzieht.(1) Steueroasen, das sind bestimmte Inselterritorien (z.B. Cayman Islands oder Bermudas), kleine Staaten, die niedrige Steuern und günstige Rechtskonstruktionen bieten (z.B. Luxemburg oder Singapur), und die großen Finanzplätze (z.B. Schweiz und Großbritannien).

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit weist in einer Studie darauf hin, dass auch Deutschland eine der wichtigsten Steueroasen der Welt sei, insbesondere für Vermögen der Eliten aus dem Globalen Süden, zumeist aus kriminellen Quellen wie Drogen und Waffenhandel. Das nicht adäquat versteuerte, in Deutschland angelegte Auslandskapital werde auf 2,5 bis 3 Billionen Euro geschätzt. Möglich sei dies, da Deutschland die Heimatländer nicht über dieses Vermögen informiere. Das Vermögen deutscher StaatsbürgerInnen in ausländischen Steueroasen werde auf 400 Milliarden Euro geschätzt.

Und wie bezahlen wir die SDGs?

Es ist doch schon irgendwie verrückt. Staaten verabschieden einen politischen Handlungsplan für die Welt, in dem sie deren Probleme - von Armut und Hunger über Umweltzerstörung bis hin zu fehlender Rechtsstaatlichkeit - und entsprechende Lösungswege definieren. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass für dessen Umsetzung eine Menge Geld benötigt wird; die Organisationen der Vereinten Nationen (UN) sprechen von einem jährlichen Investitionsbedarf von 2,5 bis 3 Billionen US-Dollar zur Verwirklichung der SDGs.(2) Strategien werden zur Finanzierung genannt: ein Mehr an (Steuer-)einnahmen für Staaten und die Mobilisierung privatwirtschaftlichen Kapitals. So weit, so gut. Gleichzeitig sind aber das die Bereiche - und das ist das Paradoxe -, in denen sich politisch so wenig bewegt.

Auf der einen Seite sind die Konzerne. Da gibt es z.B. mit dem UN Global Compact Bestrebungen, einen Teil zur Umsetzung der SDGs und anderen sozial- und entwicklungspolitischen Maßnahmen beizutragen. Das kann man natürlich an sich erstmal richtig finden. Die Zeiten, in denen sich Unternehmen selbstverständlich als Akteur außerhalb des Rests der Gesellschaft definieren konnten und Gewinnmaximierung um jeden Preis ungeahndet blieb, sind bis zu einem gewissen Grad vorbei. Vor allem bei transnationalen Unternehmen gehört es mittlerweile zum guten Ton, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu erstellen und unternehmerisch Sozialverantwortung zu übernehmen, bei welcher sie wenigstens nicht illegal oder sogar fair und ethisch über bestehende Gesetze hinaus handeln. Das geht von Investitionen in den Dienstleistungssektor von Ländern des Globalen Südens (z.B. Facebooks Initiative für Internetzugang in Afrika) über die Teilnahmen an der Entwicklung nachhaltiger Ressourcennutzung (z.B. Aldi beim Runden Tisch Palmöl) bis hin zu sozialen Innovationen wie der neuen Sport-Hijab-Linie für Muslima von Nike. Wie wirksam das alles ist, sei dahingestellt - immerhin ist es existent.

Business und SDGs - mehr als eine PR-Nummer?

Einige Unternehmen ziehen bereits eine direkte Verbindung zu den SDGs. Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCooper (PwC) hat beispielsweise eine Studie erstellt, in der sie die SDG-Ratifizierung als fundamentale Veränderung der Art und Weise, wie Geschäfte zu führen sind, lobt und Unternehmen bezüglich Geschäftsmöglichkeiten durch die SDGs berät.(3) Fun Fact nebenbei: Das Netzwerk Steuergerechtigkeit nennt PwC als eine der Beratungsfirmen, die Konzerne bei der Suche nach Steuerlücken und -vermeidung unterstützen.

Auch Apple rühmt sich mit seiner nachhaltigen Unternehmensstrategie und schreibt auf seiner Internetseite, 93 Prozent der verwendeten Energie ihrer Büros, Apple Stores und Rechenzentren stamme aus erneuerbaren Quellen und 99 Prozent des für Verpackungen verwendeten Papiers sei recycelt oder nachhaltig. Fun Fact Nummer zwei: Würde Apple in den USA seine Steuern bezahlen, könnten 159 Prozent des US-Bundeshaushalts für natürliche Ressourcen und Umwelt im Jahr abgedeckt werden.(4)

Wollen Staaten keine Steuern?

Allerdings wäre es zu einfach, die ganze Schuld der Steuervermeidung nur auf die Konzerne zu schieben. Denn die Hauptverantwortlichen der SDG-Umsetzung sind die Staaten. Die wiederum eine solche Steuervermeidung zulassen, bewusst fördern oder die Schaffung internationaler Abkommen für gerechte Steuerpolitik verhindern.

Irland beispielweise weigert sich bislang, die Steuern von Apple einzutreiben. Ein Treppenwitz der Geschichte: Irland stellte 2014 mit seinem UN-Botschafter David Donoghue einen der Sitzungsleiter der SDG-Verhandlungen. Seit der Verabschiedung der SDGs sei in Sachen Umsetzung allerdings nichts passiert, berichten irische Verbände. Was Irland wohl mit den 13 Milliarden von Apple für die SDG-Umsetzung tun könnte?

Der Unwille, Steuersysteme zu reformieren, ist bei zahlreichen Staaten verbreitet. Die Forderung der Länder des Globalen Südens, eine UN-Kommission zur internationalen Steuerkoordination zu schaffen, scheiterte beispielsweise am Widerstand des Globalen Nordens. Zudem lehnen es Länder wie Deutschland ab, ein im Rahmen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) neu einzuführendes Unternehmensregister inklusive der Benennung der EigentümerInnen jener Firmen öffentlich zu machen. Genau jene Öffentlichkeit sei aber nötig, da bisher alle großen Steuerskandale nicht durch Steuerbehörden, sondern durch WhistleblowerInnen aufgedeckt wurden, so das Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Steuersysteme sind nicht nachhaltig

Die Akzeptanz beziehungsweise Unterstützung von Steuervermeidung ist das eine. Darüber hinaus lässt die Nachhaltigkeit der Steuersysteme generell in vielen Ländern zu wünschen übrig.

Nehmen wir Deutschland: Trotz derzeit guter Wirtschaftslage steht man vor einigen großen Herausforderungen wie demographischem Wandel, der stetig größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich, einer Verschuldung öffentlicher Haushalte bei gleichzeitig notwendigen Investition in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur.

Mit einem entsprechenden Steuersystem könnten diese gesellschaftspolitischen Herausforderungen auf doppelte Weise gelöst werden. Einerseits könnten bestimmte Bereiche gefördert oder belastet werden. Gleichzeitig kann der Staat mit (Mehr-)einnahmen in seiner Ausgabenpolitik entscheidende Investitionen in die verschiedenen Dimensionen von Nachhaltigkeit tätigen.

Derzeit werden Steuern in Deutschland allerdings nicht entsprechend eines Nachhaltigkeitsverständnisses erhoben. Vielmehr wird Arbeit überproportional besteuert (63,6 Prozent), während die Besteuerung von Umweltbelastung nur bei 4,6 Prozent und von Kapital bei 12,3 Prozent liegt. Dieses Verhältnis hat sich seit den 1950ern weiter verschärft. Insbesondere der Anteil der Umweltsteuer (Besteuerung von Energie, Verschmutzung, Ressourcen, Transport) Deutschlands ist im europäischen Vergleich besonders gering, der Anteil der Steuern auf Arbeit wiederum besonders hoch. Hinzu kommen umweltschädliche Subventionen im Bereich von 57 Milliarden Euro (2012), insbesondere in den Bereichen Energie, Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei. Umweltverbände (und im Ansatz sogar die EU-Kommission) fordern schon seit Langem eine ökologische Steuerreform, bei welcher umweltschädliche Subventionen abgebaut werden, bestehende Steuern und Abgaben ökologisiert und neue Umweltsteuern eingeführt werden.


Autorin Marie-Luise Abshagen ist Referentin für nachhaltige Entwicklung beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Literatur

(1) https://netzwerksteuergerechtigkeit.files.wordpress.com/2014/06/infosteuergerechtigkeit_stand-nach-beps3.pdf
Bei weitere Erwähnung immer Bezug auf diese Studie.

(2) http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/wir2014_en.pdf

(3) https://www.pwc.com/gx/en/sustainability/SDG/SDG%20Research_FINAL.pdf

(4) https://howmuch.net/articles/tax-havens#

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Quelle:
Rundbrief 1/2017, Seite 31 - 32
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2017

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