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TOURISTIK/357: Ägypten - Touristen bleiben weg, Investoren gehen, auf die Revolution folgt die Krise (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2011

Ägypten: Touristen bleiben weg, Investoren gehen - Auf die Revolution folgt die Krise

von Grit Porsch


Berlin, 12. Dezember (IPS) - Der Ägypter Ashraf Ibrahim ist auf seine revolutionären Landsleute schlecht zu sprechen. Wie viele andere Kleinverdiener in Kairo treffen den Händler, der in Rufweite des Tahrir-Platzes Kava-Bohnen verkauft, die Folgen der wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen besonders hart.

Früher drängte sich die Kundschaft vor seinem Stand in der Falaky-Straße, doch inzwischen kommt kaum noch ein Käufer vorbei. "Leuten wie mir hat die Revolution nur Verluste und Armut gebracht. Ich wünschte, es hätte sie nie gegeben", klagte Ibrahim gegenüber dem UN-Nachrichtendienst IRIN.

Vor Ausbruch der Revolution hatte der Verdienst des 36-Jährigen gereicht, um die Wohnungsmiete zu bezahlen. Seine sechs Kinder hatten genug zu essen und konnten zur Schule gehen. "All das wird von Tag zu Tag schwieriger, und es könnte noch schlimmer werden", stellte der Bohnenhändler fest.

Tatsächlich stehen kaum zehn Monate nach der allgemeinen Euphorie über das Ende des 30-jährigen diktatorischen Regimes von Präsident Hosni Mubarak viele Ägypter vor dem wirtschaftlichen Ruin. Ihre revolutionären Träume haben sich in einen Alpdruck verwandelt. Sie geben der Revolution die Schuld für den Verlust des Arbeitsplatzes, für gestiegene Rohstoffpreise und politische Turbulenzen.

Auch um Ägyptens Staatsfinanzen ist es schlecht bestellt. Der noch amtierende Militärrat kündigte kürzlich an, die Devisenreserven könnten bis Ende Januar um ein Drittel auf 15 Milliarden US-Dollar zusammenschmelzen. Wirtschaftsexperten rechnen mit einer Währungskrise. Zudem hat die Übergangsregierung verlauten lassen, dass das wachsende Haushaltsdefizit eine Kürzung der staatlichen Subventionen zur Folge haben könnte.

Nach Angaben von James Rawley, UN-Koordinator für Ägypten, sind 20 Prozent der Ägypter arm und ebenso viele leben knapp oberhalb der Armutsgrenze. Von insgesamt 85 Millionen Ägyptern erhalten 64 Millionen Lebensmittelkarten für verbilligten Reis, Linsen, Speiseöl, Zucker und Tee.


"Indikatoren einer Wirtschaftskrise"

Der Wirtschaftsprofessor Rashad Abdou, der an der Universität von Kairo lehrt, erklärte: "Die Touristen kommen nicht mehr, die Hotels sind nur noch zu acht Prozent ausgelastet, Fabriken schließen, und Hunderttausende haben bereits ihren Job verloren. Das sind Indikatoren einer Wirtschaftskrise, in die dieses Land nach der Revolution allmählich gerät."

Die Zentralbank hatte in der ersten Hälfte des Haushaltsjahres einen Investitionsrückgang von 20 Prozent registriert, vor allem im Tourismus, der Millionen Ägypter mit Arbeitsplätzen versorgt.

"Die Krise hinterlässt in ganz Ägypten ihre Spuren, doch den Menschen im Süden geht es besonders schlecht", erklärte Ahmed Khorshid, der als Berater für das Agrarministerium arbeitet, gegenüber IRIN. "Die Regierung hat sich seit Jahrzehnten nicht um die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region gekümmert. Dort ist der Anteil unterernährter Menschen unglaublich hoch, denn den Menschen fehlt es am Notwendigsten", berichtete er. Anfang November hatten verzweifelte Menschen in Al Badresheen im südlichen Giza einen mit zwei Tonnen Weizen beladenen Güterzug gestoppt und geplündert. (Ende/IPS/mp/2011)

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http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=94414

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2011