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UNTERNEHMEN/2279: Hintergründe. Die strategische Allianz General Motors - Peugeot-Citroën (G. Feldbauer)


Hintergründe

Die strategische Allianz General Motors - Peugeot-Citroën

Von Gerhard Feldbauer, 4. März 2012


Die Auto-Konzerne General Motors und Peugeot-Citroën haben am 29. Februar eine langfristige und breitgefächerte weltweite strategische Allianz geschlossen.(1) Im Rahmen der Kapitalerhöhung in Höhe von 1 Mrd. Euro erwirbt General Motor laut der Vereinbarung sieben Prozent Anteile bei PSA und wird damit zweitgrößter Eigner hinter der Peugeot-Familie, deren Anteil auf etwa 25 Prozent zurückgeht. Eine Ausweitung der Beteiligung schließen beide Seiten derzeit aus. Auch wenn die Umsetzung des Vertrages noch der notwendigen behördlichen Genehmigungen in den jeweiligen Ländern sowie der Information der zuständigen Arbeitnehmervertretungen bedarf, rechnen Branchenkenner mit keinen nennenswerten Einwänden. Beobachter in Europas sehen diese Allianz mit gemischten Gefühlen.

GM-Vorsitzender Dan Akson hielt es für angebracht, ausdrücklich hervorzuheben, dass das ganze keine Fusion, sondern eine Allianz ist. Das sollte wohl Bedenken zerstreuen, dass derartige Zusammenschlüsse manchmal die Vorstufe dazu darstellen. Eine solche Allianz hatten bekanntlich 2009 auch Volkswagen und Suzuki vereinbart. Es war ein ungleiches Bündnis, denn während der Wolfsburger 19,5 Prozent Anteile kaufte, erhielt der Japaner nur 1,5 Prozent. Im September 2011 kündigte Suzuki die Zusammenarbeit auf, da es sich in seiner Unabhängigkeit eingeschränkt fühlte. Auf der IAA in Frankfurt 2011 war hinter vorgehaltener Hand davon die Rede, das Familienunternehmen befürchtete, in der VW-Group als Tochter zu landen. Derzeit bleibt es bei einer Hängepartie. VW ist nicht bereit, seine Anteile an Suzuki, wie dieser fordert, zurückzugeben.

Nach der gemeinsamen Verlautbarung hat sich die Löwenmarke diesbezüglich wohl vertraglich gut abgesichert, wenn es heißt, jedes Unternehmen werde seine Fahrzeuge weiterhin als eigenständiger Wettbewerber vermarkten und verkaufen. Weitere Felder der Kooperation sollen ausgelotet werden. Die vorgesehene Kapitalerhöhung von einer Mrd. Euro soll unter Einbeziehung eines Bankenkonsortiums stattfinden. Die Allianz wird von einem weltweiten Lenkungsausschuss gesteuert, in dem hochrangige Führungskräfte beider Unternehmen vertreten sind.


Auto-Konzerne rechnen mit neuer Absatzkrise

Die Auto-Konzerne kalkulieren bereits eine neue Absatzkrise ein. Der Daimler-Konzern ging in seinem Geschäftsbericht 2011 von einem möglichen Absatzrückgang in den durch die Konjunkturschwäche zunehmend belasteten westeuropäischen Märkten aus. Ein "Risikobericht" stellte "insbesondere einen Rückgang der Nachfrage in unseren wichtigsten Absatzmärkten, eine Verschärfung der Staatsschuldenkrise in der Eurozone" in Rechnung.(2) Weitere Unternehmen schließen sich an.

Den Ausweg suchen die großen Konzerne in der Erhöhung ihrer Produktionskapazitäten durch Übernahmen schwächerer Partner, in Zusammenschlüssen und Fusionen und eben auch in gern "strategische Allianzen" genannten Kooperationsverträgen, wie dem gerade zwischen GM und Peugeot-Citroën vereinbarten.

2011 war auch für Peugeot-Citroën ein schlechtes Jahr. Die Absatzrückgänge auf dem europäischen Markt machten der Löwenmarke sichtlich zu schaffen. Der Gewinn ging von 1,134 Mrd. Euro des Vorjahres auf 588 Mio. zurück, der Verkauf auf 3,55 Mio. Fahrzeuge. Bereits während der Krise 2009 hatte das Unternehmen staatliche Kredite in Milliardenhöhe in Anspruch nehmen müssen. Es kooperiert unter anderem mit BMW, Mitsubishi und Ford.


Auch Ford in Europa angeschlagen

Aber auch Ford wird von der Schuldenkrise in Europa erfasst. Der Konzern kalkuliert laut DPA in Europa, wo er 2011 1,6 Mio. Autos verkaufte (ein Drittel seines Absatzes), einen Verlust von bis zu 450 Mio. Euro ein. Für 2012 rechnet der US-Autobauer laut "Handelsblatt" in Europa mit einem Schwinden des Absatzes um mehr als sieben Prozent. Im Februar sollen es bereits über 13 Prozent gewesen sein. Für sein Unternehmen rechnet Ford-Chef Stephen Odel 2012 bereits mit einem Verlust zwischen 500 und 600 Mio. USD. Auch Ford will "Kapazität und Kosten weiter der Nachfrage anzupassen". Als Ursache macht der US-Manager zutreffend die europäische Schuldenkrise aus, aber so, als wenn es in den USA keine gäbe.

Das traditionelle Familienunternehmen Peugeot, mit einer über 100jährigen Geschichte nach Carl Benz zweitältester Autohersteller der Welt, hatte weitere Kapitalverflechtungen bisher abgelehnt und sich stets die Aktienmehrheit gesichert. Zur Frage, warum es sich jetzt ausgerechnet General Motor zuwandte, ist bisher wenig bekannt. Dabei herrscht bei Insidern die Meinung vor, dass GM in Europa nicht gerade ein starker Partner ist, vor allem aber kein zuverlässiger. Während der Konzern in den USA Milliardengewinne einfuhr, geht es mit der Opel-Tochter weiter bergab. Nach einem Bericht der "Autozeitung" verlor General Motors mit seinem Europageschäft - das in erster Linie aus Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall besteht - operativ 747 Mio. USD (derzeit 573 Mio Euro). Allerdings verrate diese Zahl nur die halbe Wahrheit, denn General Motors klammere neuerdings bestimmte Belastungen im Zusammenhang mit seinem Europageschäft aus. Eine unbereinigte Zahl gebe es nicht, habe eine Konzernsprecherin auf Anfrage erklärt.


Schon Saab in die Insolvenz getrieben

Die Zentrale in Detroit scheint das wenig zu berühren. Der US-Amerikaner wird bekanntlich auch beschuldigt, seine schwedische Tochter Saab in die Insolvenz getrieben zu haben. Das Unternehmen arbeitete seit Jahren mit Verlusten. Als der Absatz 2010 von jährlich noch etwa 100.000 Autos auf 30.000 absank verkaufte GM das Unternehmen mit der legendären Kultmarke an den Besitzer des kleinen niederländischen Sportwagenhersteller Spyker Cars, Victor Muller, der das Unternehmen dann weiter herunterwirtschaftete, sodass es im Herbst 2011 in Konkurs ging. Opel lässt der Mutterkonzern weiter dahinschwächeln. Ob das deutsche Unternehmen, wie der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöfer von der Uni Duisburg-Essen meinte, durch die Allianz eine "große Chance" erhält, wird für fraglich gehalten.


Peugeot bringt gewichtige Stärken ein

Man dürfte nicht Fehlgehen in der Annahme, dass der in Europa selbst angeschlagene US-Amerikaner im harten Konkurrenzkampf mit VW und Toyota um die bisher von ihm mit nur knappem Vorsprung behauptete Weltspitze sich das Potenzial des Franzosen sichern möchte. Trotz Einbußen bleibt PSA nach VW der zweitgrößte europäische Autokonzern, dessen Modelle auf dem Kontinent zu den meistverkauften Pkw gehören. Maßstäbe hat das Unternehmen in der Entwicklung und Anwendung der Dieseltechnologie gesetzt, wofür unter anderem die neue Generation der HDi-Motoren mit ihren niedrigen Verbrauchs- und Emissionswerten steht. Peugeot gilt als ein Pionier der Entwicklung der E-Mobilität, der mit seiner Hybridtechnologie ein Kapitel zukunftsweisender Innovationen geschrieben hat und weiter schreibt. Unter diesen Aspekten bringt der Franzose in die Allianz mit dem US-Amerikaner gewichtige Stärken ein.


GM auf dem Beifahrersitz von Peugeot

Das "Wirtschaftsblatt" fasst das in die Schlagzeile "GM setzt sich bei Peugeot-Citroën auf den Beifahrersitz". Toyota-Deutschland-Präsident Toshiaki Yasuda befürchtet, wenn sich zwei Konzerne von der Größe wie GM und PSA Peugeot-Citroën bei der Strategie abstimmten, werde das "Auswirkungen auf den Wettbewerb" haben.

Wie verlautet wollen beide Partner durch gemeinsame rationelle Verwertung ihrer Kapazitäten kostengünstiger produzieren (unter anderem durch die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugplattformen), den Absatz koordinieren und so sichern und möglichst ausbauen. Peugeot will seine Position auf dem Mark der Volksrepublik China erweitern. GM erwägt wohl, seine Marke Chevrolet in Europa zu produzieren. Laut PSA-Chef Philippe Varin soll die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugarchitekturen nicht nur weltweite Applikationen ermöglichen, sondern es beiden Partnern auch erlauben, speziell in Europa Fahrzeugprogramme in den nötigen Stückzahlen kosteneffizient umzusetzen. Das erste gemeinsame Modell will die Allianz 2016 auf den Markt bringen. Unter anderem wird auch erwogen, Modelle der GM-Tochter Opel künftig in Peugeot-Werken herzustellen und umgekehrt. GM kann von der kommerziellen Zusammenarbeit mit Gefco, einem integrierten Logistik-Serviceanbieter, der ein Tochterunternehmen von Peugeot Citroën ist, profitieren, das ihm Logistikdienstleistungen in Europa, inklusive Russland, erbringen kann. Im Ergebnis der Kooperation sollen die Synergieeffekte beider Unternehmen zur Geltung kommen und das jährliche Einkaufsvolumen beider Konzerne auf rund 93 Mrd. Euro bringen.


Probleme der Auslastung

Offen bleibt, wie Probleme bei der Auslastung der jeweiligen Werke gelöst werden, die nach einem Bericht von LMC Automotive derzeit bei Peugeot-Citroën nur 62 Prozent beträgt. Auf der Seite von GM sollen es bei Opel-Vauxhall auch nur 74 Prozent sein. Wenn das Europäische Arbeitnehmerforum (EEF) anmahnte, durch die Allianz GM-Peugeot-Citroën dürften den Beschäftigten "keine Nachteile" entstehen, dann klingen da Befürchtungen über Betriebsschließungen und Arbeitskräfteeinsparungen mit. Die "Automobilwoche" berichtete, dass mehrere Tausend Jobs auf der Kippe stünden.


Fiat zeigt eine erfolgreiche Fusion

Nun war noch ein zweiter Partner für Peugeot-Citroën im Gespräch, die Fabrica Italiana Automobili di Turino (Fiat), deren CEO und Aufsichtsratsvorsitzender, Sergio Marchionne, während der Detroit Auto Show im Januar dieses Jahres die Fühler nach einer Zusammenarbeit mit Peugeot-Citroën ausgestreckt haben soll. Laut Medienberichten ging es dem Turiner darum, ein regelrechtes Gegengewicht zu Volkswagen in Gestalt eines "Zweiten VW" zu bilden, um dem Wolfsburger im Kampf um die Weltspitze Paroli zu bieten. Nach einem Treffen Marchionnes mit PSA-Chef Varin schrieb der Mailänder "Corriere della Sera", die Franzosen seien zu Verhandlungen bereit. Der Franzose dementierte zwar rasch, allerdings mit der Einschränkung, die Bedingungen seien "derzeit nicht erfüllt". Was nicht ist, könnte möglicherweise noch werden.


Turin will mitmischen im Rennen um die Weltspitze

Denn Fiat demonstriert mit seinen Tochterunternehmen Abarth, Alfa Romeo, Ferrari, Lancia und Maserati nicht nur wie man im eigenen Land eine gutgehende Group-Strategie betreibt, sondern führt auf der internationalen Autobühne gerade eine erfolgreiche Fusion vor. 2009 ging der Italiener eine Partnerschaft mit Chrysler ein und kaufte bis 2011 46 Prozent von dessen Anteilen, womit der drittgrößte US-Autohersteller seine Staatsschulden von 5,9 Mrd. USD zurückzahlen konnte. Noch 2012 will der Turiner 51 Prozent übernehmen. Marchionne führt Chrysler bereits jetzt in Personalunion. 2014 soll ein Produktionsausstoß von 5,6 Mio. Fahrzeugen erreicht werden. Es ist unschwer zu erkennen, dass Marchionne die Absicht hat, sich am weltweiten Rennen um den ersten Platz an der Spitze der Auto-Produktion zu beteiligen. Bisher wird der Kampf zwischen General Motor, Volkswagen und Toyota, die derzeit in dieser Reihenfolge die Plätze belegen, ausgetragen. Fiat dürfte durchaus Chancen haben, hier mitzuhalten.

Denn der Italiener scheint auch zu versuchen, Suzuki von VW weg auf seine Seite zu ziehen. Insider halten es für durchaus möglich, dass das Zerwürfnis zwischen VW und Suzuki in Turin mit der Lieferung von Dieselmotoren an den Japaner ausgelöst wurde. In Wolfsburg sah man das als Vertragsbruch an und legte Protest ein. Nach der Kündigung des Vertrages mit VW durch Tokio erinnerte die "Automobilwoche" daran, dass Suzuki seit langem ein enger Partner des Italieners sei und schrieb von Plänen einer Vertiefung dieser Zusammenarbeit zu "beiderseitigem Vorteil". In Turin äußerte man sich zustimmend.

Am Ende dieser kurzen Betrachtung kann nur geschlussfolgert werden, dass die Wege der internationalen Kooperation in der Autobranche wie auch überall verschlungen sind und man vor Überraschungen und jähen Wendungen nicht sicher ist. Zumal Branchenkenner wie das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse-Coopers damit rechnen, dass die Produktionsauslastung der europäischen Autowerke im laufenden Jahr deutlich unter der Gewinnschwelle von 80 Prozent liegen dürfte. Weitere Verflechtungen, ganz gleich in welchen Modellen, dürften der Branche ins Haus stehen.


Anmerkungen:

(1) Siehe Beitrag:
General Motors und Peugeot-Citroën haben strategische Allianz beschlossen,
Schattenblick, 2. März 2012.

(2) Siehe Beitrag:
Daimler legt Geschäftsbericht 2011 vor.
Konzern-EBIT um 24% auf den Rekordwert von 9 Mrd. EUR gestiegen.
Warnung vor neuen Krisenerscheinungen
Schattenblick, 11. Februar 2012.


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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2012