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VERKEHR/1244: Indonesien - Land ohne Straßen, Infrastruktur hält mit Wachstum nicht Schritt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2012

Indonesien: Land ohne Straßen - Infrastruktur hält mit rasantem Wachstum nicht Schritt

von Alexandra Di Stefano Pironti


Verkehrsstaus sind in der Hauptstadt Jakarta alltäglich - Bild: © Alexandra Di Stefano Pironti/IPS

Verkehrsstaus sind in der Hauptstadt Jakarta alltäglich
Bild: © Alexandra Di Stefano Pironti/IPS

Jakarta, 21. September (IPS) - Die gravierenden Infrastrukturdefizite in Indonesien führen zu paradoxen Zuständen: Eine Mandarine aus Argentinien, die Tausende Kilometer zurücklegen muss, bis sie den südostasiatischen Inselstaat erreicht, ist unwesentlich teurer als eine vor Ort gepflückte Frucht.

"Etwa 30 Prozent der gesamten Produktionskosten von Firmen in Indonesien entfallen auf den Transport", erklärt Latif Adam vom Indonesischen Wissenschaftsinstitut. "Mehrere Studien zeigen, dass Quantität und Qualität unserer Infrastruktur für die Beförderung von Waren von einer Stadt zur anderen völlig unzureichend sind. Ausländische Erzeugnisse sind daher oftmals preiswerter als lokale Erzeugnisse." Dies treffe besonders auf Zitrusfrüchte und Gemüse zu.

Der Mangel an Straßen, Flughäfen, Häfen und Kraftwerken macht Indonesiens Infrastruktur zu einer der schlechtesten in der Region. Zahlen belegen zugleich, dass das Land mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von mehr als sechs Prozent innerhalb Südostasiens weit vorn liegt.

Indonesien ist einer der größten Märkte für Infrastrukturprojekte. "Das Land braucht alles", meint der dänische Geschäftsmann Jacob Friis Sorensen, der Vorsitzender der privaten Organisation 'Eurocham' zur Förderung europäischer Unternehmen in Indonesien ist. Indonesien sei eines der wichtigsten Mitglieder des regionalen Staatenbundes ASEAN. Mit mehr als 40 Prozent der Einwohner der Region und 50 Prozent der Wirtschaftskraft stehe das Land für die Hälfte des ASEAN-Markts.

Doch unzureichende Ausgaben in Infrastrukturen, ein mageres Investitionsbudget, Korruption, Ineffizienz und ein Mangel an Gesetzen zum Schutz von Investoren werden oft als größte Hürden für die Entwicklung der Infrastruktur zitiert. Hinzu kommt, dass das Land aus 17.000 Inseln besteht.


Staatlicher Fonds für Infrastruktur angemahnt

Bislang stellt die Regierung weniger als fünf Prozent ihres Haushalts für den Infrastruktursektor bereit. Viele Experten sind der Ansicht, dass die Energiesubventionen gestrichen und die dadurch freiwerdenden Mittel für den Straßenbau verwendet werden sollten.

Das Parlament hat allerdings im Februar einen Vorstoß der Regierung zur Kürzung von Subventionen auf Treibstoff und Strom blockiert. Die Hälfte der fast 240 Millionen Indonesier muss mit umgerechnet zwei US-Dollar am Tag auskommen. Staatliche Zuschüsse gelten daher als wesentliche Unterstützung für die Armen.

Latif Adam kritisiert den Zuschnitt des staatlichen Infrastrukturbudgets. "Ein erheblicher Teil wird für Beratungsdienste, Planungen und Kontrollen veranschlagt", sagt er. Auch die Korruption wirke sich hier aus. Untersuchungen hätten zudem ergeben, dass nur 16 Prozent der gesamten Ausgaben direkt für Infrastrukturprojekte verwendet würden. Die verbleibenden 84 Prozent würden für den Erhalt bestehender Strukturen eingesetzt.

Die Anti-Korruptionskommission hat überdies herausgefunden, dass die Mitglieder des Ausschusses, der die Finanzmittel für Infrastruktur festlegt, dicke Bankkonten haben. "Menschen in Indonesien machen Geschäfte damit, anderen ineffizient zu helfen ", kritisiert Sorensen. Er räumt allerdings ein, dass die Regierung jetzt zum Handeln entschlossen und der Hafenausbau in Tanjung Priok in der Hauptstadt dafür ein gutes Beispiel sei.

Die Regierung in Jakarta hat ein lange erwartetes Gesetz genehmigt, dass den Erwerb von Land für wirtschaftliche Unternehmungen regelt. Streit um Landbesitz hatte in den vergangenen Jahren häufig dazu geführt, dass Projekte jahrelang verschoben werden mussten, bis alle Unstimmigkeiten beseitigt waren.

Nachdem das neue Gesetz verkündet worden war, zeigten die USA Interesse an einer Zusammenarbeit mit Indonesien in den Bereichen Landwirtschaft und Infrastruktur. Ein europäischer Delegierter bei einer kürzlich in Jakarta abgehaltenen Fachkonferenz erklärte allerdings, dass der Markt für Infrastrukturvorhaben in Indonesien von japanischen und chinesischen Firmen dominiert werde. "Europäer und Amerikaner haben kaum Chancen", meinte er. "Wir zahlen keine Schmiergelder."

Der indonesische Staatschef Susilo Bambang Yudhoyono erklärte kürzlich, dass seit Einführung des Indonesischen Masterplans zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung (MP3EI) im Mai etwa 135 Projekte angelaufen seien. Das Programm sei notwendig, um das Entwicklungsgefälle zwischen den Regionen des Landes auszugleichen, die Arbeitslosigkeit zu verringern und das Wachstum voranzutreiben.


Öffentlich-private Partnerschaften kommen nicht voran

Ein Programm zur Förderung von öffentlich-privaten Partnerschaften soll dazu beitragen, dass der Privatsektor stärker in die Entwicklung der Infrastruktur investiert. Laut Adam kommen diese Pläne jedoch nur langsam voran, da die Regelungen kompliziert sind und Garantien für private Investoren fehlen. Neue Straßen könnte nicht zuletzt auch die Hauptstadt Jakarta mit rund zehn Millionen Einwohnern brauchen - denn dort staut sich der Verkehr jeden Tag kilometerlang. Viele ausländische Unternehmen haben ihren regionalen Hauptsitz daher in den besser organisierten Stadtstaat Singapur verlegt. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.eurocham.or.id/
http://www.aseansec.org/
http://www.ipsnews.net/2012/09/poor-infrastructure-makes-imports-cheaper-in-indonesia/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2012