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VERKEHR/1370: Kuba - Mit Kutschen durch die Krise, alternative Transportmittel gefragt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. November 2014

Kuba: Mit Kutschen durch die Krise - Alternative Transportmittel gefragt

von Ivet González


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Pferdekutschen in der Stadt Bayamo im Osten Kubas
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 3. November (IPS) - In Kuba hat die Wirtschaftskrise dem Personentransport in Pferdedroschken Vorschub geleistet. Sowohl in den Städten als auch in den Dörfern kommen die altertümlichen Gefährte mit ihren schwarzen Lederdächern und riesigen Rädern zum Einsatz. In entlegenen Teilen des Landes sind sie oftmals sogar die einzigen Fortbewegungsmittel.

Wie jeden Morgen seit nunmehr elf Jahren wartet Bienvenido García an einer Haltestelle in dem Ferienort Varadero, 121 Kilometer östlich von Havanna, auf Kundschaft. Auf einer festgelegten Route kutschiert er Touristen die Hauptstraße entlang.

Abhängig von der Ausstattung der altertümlichen Fuhrwerke und von der Fahrtstrecke liegen die Ticketpreise zwischen zwei und zehn Pesos (zehn bis 50 US-Cent). Für größere Ausflüge in einer traditionellen Droschke müssen ausländische Urlauber allerdings erheblich mehr bezahlen.

"Früher war ich Busfahrer", erzählt García, der auf eigene Rechnung fährt. Doch seitdem krisenbedingt Ersatzteile und Sprit zu Mangelwaren wurden, sitzt er auf dem Bock einer Droschke, um finanziell über die Runden zu kommen.

Wie andere Wirtschaftsbereiche kam auch der Verkehrssektor nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 zum Erliegen. Kuba verlor seinen wichtigsten Handelspartner und Geber. Beobachter berichten, dass die Maßnahmen zur Wiederbelebung des Verkehrs schleppend verliefen und ineffizient waren.


Spritmangel macht erfinderisch

Die Kubaner sahen sich gezwungen, Fortbewegungsmittel zu finden, die ohne Benzin und Diesel auskamen. Pferde, Droschken, Fahrräder und Fahrradrikschas, sogenannte 'bicitaxis', erschienen als geeignete Alternativen.

Von der politischen Entscheidung, private Kleinbetriebe und Kleinunternehmer zuzulassen, hatten auch die Kutscher, Fahrrad- und Motorradtaxifahrer profitiert. 2010 erklärte die Regierung, dass bei der Beseitigung der chronischen Engpässe im öffentlichen Verkehr gerade den privatwirtschaftlichen Initiativen eine Schlüsselrolle zukomme.

Kubas 473.000 Selbständige arbeiten zumeist in der Gastronomie, in der Zimmervermietung oder dem Verkehrsbereich. Wie viele Kubaner als Kutscher arbeiten, ist nicht bekannt. In Städten wie Bayamo und Guantánamo im Osten, Cárdenas und Varadero im Westen und Santa Clara, Ciego de Avila und Santi Spíritus im Zentrum des Landes sind die Droschken ein vertrauter Anblick.


Nur halb so viele Busse wie in den 1980er Jahren

Unbekannt ist auch die Zahl der Kraftfahrzeuge, die in dem 11,2 Millionen Einwohner zählenden Land unterwegs sind. Im Juli 2013 berichteten lokale Medien, dass landesweit lediglich 7.840 Busse im Einsatz seien. In den 1980er Jahren waren es doppelt so viele gewesen. Und da auch keine neuen PKW ins Land kommen, sind auf den Straßen Kubas nach wie vor viele US-Limousinen aus den 1950er Jahren und sowjetische Ladas zu sehen.

"Als Kutscher kommt man aufgrund der hohen Steuern gerade so zurecht", sagt García, der in seinem Gefährt bis zu acht Personen befördern kann. Das sei das maximale Gewicht, das einem Pferd zugemutet werden dürfe. Die Exkremente seines Zugtiers sammelt der Kutscher in einem Beutel ein.

Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Der Kutscher Bienvenido García in dem Touristenort Varadero
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Doch nicht überall geht es so sauber zu wie in Varadero. "Wir mussten uns erst bei den Behörden beschweren, bevor etwas gegen den Dreck unternommen wurde", berichtet Aliuska Labrada aus der Stadt Cayo Ramona, 200 Kilometer südöstlich von Havanna. "Überall lagen Pferdeäpfel herum."

Die städtischen Kutscher sind zudem dazu verpflichtet, ihre Haltestände sauber zu halten. Einige Stadtteile sind für sie tabu. Um eine Betriebslizenz zu erhalten, müssen sie ihre Pferde von einem Tierarzt untersuchen lassen.

Der Droschkentransport stößt aber nicht nur aus hygienischen Gründen auf Kritik. Die Pferde beschädigten die gepflasterten Straßen. Auch sei die Unfallgefahr groß, schrieb unlängst eine Internetnutzerin namens Marina in einem IPS-Forum. Auch würden einige Kutscher ihre Pferde bis zur Erschöpfung für sich arbeiten lassen.


Tierschützer gehen auf die Barrikaden

Tierschützern auf der Insel ist die Behandlung der Pferde schon lange ein Dorn im Auge. Seit 1998 fordern der Wissenschaftliche Veterinärrat und die Kubanische Vereinigung für den Schutz von Tieren und Pflanzen die Verabschiedung eines von ihnen eingebrachten Gesetzentwurfs.

Wissenschaftler wiederum dringen auf die Entwicklung eines umweltfreundlichen und nachhaltigen Verkehrssystems in Kuba. "Wir müssen den Zustand der Straßen verbessern und mit Hilfe der erneuerbaren Energien die Schadstoffemissionen von Fahrzeugen verringern", meint Lizet Rodríguez, Ingenieurin an der Zentralen Martha-Abreu-Universität in der Stadt Santa Clara, 268 Kilometer östlich von Havanna. Nur 22,4 Prozent der im Land erzeugten Energie stammen bisher aus erneuerbaren Quellen, wie aus einem kürzlich veröffentlichten Bericht der nationalen Statistikbehörde ONEI hervorgeht. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/10/crisis-fuelled-resurgence-of-horse-drawn-carriages-in-cuba/
http://www.ipsnoticias.net/2014/10/crisis-hace-prosperar-el-transporte-de-caballos-en-cuba/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. November 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2014