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VERKEHR/1443: Elefantenrennen kommen unter dem Zwang der Lenkzeiten zustande (TU Dresden)


Dresdner Universitätsjournal Nr. 12 vom 5. Juli 2016

Brummi-Fahrer stehen unter enormem Zeitdruck
Elefantenrennen kommen unter dem Zwang der Lenkzeiten zustande

Von Heiko Weckbrodt


Die "Elefantenrennen" auf den Autobahnen kommen vor allem unter Zeitdruck zustande. Das erklärte Berufskraftfahrer Roland Scheip, der seit 43 Jahren als Lkw-Fahrer auf deutschen und europäischen Straßen unterwegs ist. "Die meisten machen das nur, um ihre Lenkzeiten einzuhalten." Dazu muss man wissen: Durch EU-Richtlinien und nationales Recht ist festgelegt, dass Lkw-Fahrer täglich höchstens neun Stunden, an zwei Tagen pro Woche bis zu zehn Stunden fahren dürfen. Die Wochenlenkzeit darf 56 Stunden nicht überschreiten. Verstöße können mit empfindlichen Bußgeldern und anderen Strafen geahndet werden.

Zwar mute es für Außenstehende nutzlos an, wenn Laster einander mit einem Tempounterschied von wenigen Kilometern je Stunde überholen und ein paar Minuten dadurch "gewinnen", räumt der Praktiker Scheip ein. "Aber über die Woche gerechnet, summiert sich das auf Stunden." Und diese vielen kleinen Zeitgewinne können darüber entscheiden, ob die ganze Routenplanung noch aufgeht oder nicht: Ob der Brummifahrer zum Beispiel nahe einer Großstadt in die Berufsverkehrszeit hineingerate und noch mehr Zeit verliere. Oder ob er wenige Kilometer vor dem Ziellager stundenlang ausruhen müsse, um innerhalb der Lenkzeit-Obergrenzen zu bleiben. "Verantwortlich für die Elefantenrennen ist letztlich der enorme Zeitdruck, unter dem die Fahrer heutzutage stehen", sagt Roland Scheip. Ein weiteres Problem sieht er in den zahlreichen Lkw-Überholverboten auf deutschen Autobahnen. "Auf der Strecke zwischen Heilbronn und Nürnberg zum Beispiel gibt es für uns 160 Kilometer Überholverbot." Dort müsse er als Lasterfahrer jede Chance nutzen, um an "Bummlern" vorbeizuziehen, selbst wenn der Tempounterschied gering sei.

Als langjähriger Praktiker sieht Roland Scheip vor allem zwei Ansatzpunkte, um Elefantenrennen zu vermeiden: einerseits einen Turbo-Schalter, der die Tempodrossel in Lastern für Überholmanöver zeitweise löse, und zweitens weniger Überholverbote für Laster: "In England gibt es diese Elefantenrennen gar nicht, obwohl der Verkehr dort sogar oft noch dichter ist", sagt er. "Dort haben die aber so ein Lkw-Verbotsschild wie in Deutschland auch nicht."

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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 27. Jg., Nr. 12 vom 05.07.2016, S. 4
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82, Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.dresdner-universitaetsjournal.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2016

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