Schattenblick →INFOPOOL →RECHT → FAKTEN

FAMILIENRECHT/097: Unterhaltsrechtsreform zum Wohle des Kindes? (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV), Arbeitsgemeinschaft Familienrecht
Berlin, 27. November 2007

Unterhaltsrechtsreform - zum Wohle des Kindes?

350 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus dem Familienrecht tagten in Köln (22.-24. November 2007)


Berlin/Köln (DAV). "Allein durch Gesetze wird man die Situation von Kindern und Familien in unserer Gesellschaft nicht verbessern", sagte die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt auf der diesjährigen Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV, die vom 22. bis 24. November 2007 in Köln stattfand. "Das wichtigste ist ein Mentalitätswechsel in der unserer Gesellschaft. Es kann nicht angehen, dass Verkehrslärm ertragen wird, tobende Kinder aber gerichtlich belangt werden sollen." Nicht nur die Politik, vor allem die Wirtschaft sei gefragt, wenn es um bessere Bedingungen für arbeitende Eltern geht. "Nicht nur Betriebskindergärten können Familien mit Kindern helfen, sondern vor allem muss mehr Flexibilität in der Arbeitszeit angeboten werden", sagte die Bundestagsabgeordnete. So könnten auch immer mehr Väter die Betreuung der Kinder übernehmen, und die Frauen müssten sich nicht zwischen Kind und Karriere entscheiden.

"Alle sprechen über Kinder - wir auch" war das Motto der diesjährigen Herbsttagung. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand das neue Unterhaltsrecht, das am 1. Januar 2008 in Kraft treten wird. Dass die Kinder beim Unterhalt Vorrang haben und an erster Stelle stehen sollen, begrüßen die Familienrechtsanwälte. Die Gleichstellung der Ex-Ehepartner mit Ex-Lebensgefährten beim Betreuungsunterhalt könnte indes problematisch werden. Wenn das jüngste Kind drei Jahre alt ist, sollen die betreuenden Elternteile wieder arbeiten gehen, ob sie verheiratet waren oder nicht. Nur in Ausnahmefällen kann die Betreuungszeit verlängert werden. "Das birgt viel Stoff für Streit", meinte Rechtsanwalt Wolfgang Schwackenberg, der das neue Unterhaltsrecht mit all seinen Verästelungen und Interpretationsmöglichkeiten vorstellte. Er empfiehlt dringend, in Zukunft zu Beginn einer Ehe Verträge abzuschließen. "Früher ging es darum, Rechte auszuschließen, heute müssen Rechte begründet werden", sagte der Anwalt. "Man sollte sich auf eine Rollenverteilung festlegen, wer das Kind wie lange betreut. Ebenso sollte die Höhe der Zahlungen im Falle der Trennung geregelt werden." Auch Menschen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften empfahl Schwackenberg, einen Vertrag abzuschließen, in dem es nicht nur um Vermögen, sondern um Vertrauensschutz-Regeln geht. "Eigentum, Unterhalt, Wohnung, Hausrat und Rentenversicherung - all dies sollte regeln, wer keine bösen Überraschungen erleben will."

Zum Abschluss der Tagung sprach Renate Jaeger, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, über "Anwaltszwang und faires Verfahren aus europäischer Sicht". "Das Recht auf Zugang zur Justiz muss auch das Recht auf einen fachkundigen Rechtsbeistand umfassen" betonte die Richterin in ihrem Vortrag. "Ich kann mir den Rechtsstaat ohne Anwälte und allein basierend auf unabhängige Gerichte nicht vorstellen. Der EGMR hat das Recht auf einen anwaltlichen Beistand ganz besonders in familienrechtlichen Verfahren schon 1979 angemahnt." Sie sprach sich damit gegen Pläne des Bundesjustizministeriums aus, den Rechtsschutz für arme Parteien zu verkürzen. Ihnen soll in Zukunft kein Anwalt mehr auf Staatskosten in den so genannten FGG-Verfahren - in denen Eltern zum Beispiel um elterliche Sorge und Umgangsrecht streiten - beigeordnet werden, auch wenn der andere anwaltlich vertreten sei.

In der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV sind bundesweit mehr als 6.100 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte organisiert. Sie ist damit die größte Vereinigung von auf Familienrecht spezialisierten Anwältinnen und Anwälten.


*


Quelle:
Pressemitteilung Nr. FamR 07/07 vom 27. November 2007
Arbeitsgemeinschaft Familienrecht
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
Tel. 030/72 61 52-1 29, Fax 030/72 61 52-1 93
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2007