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INTERNATIONAL/133: Bergbau - Kanada wegen Menschenrechtsverbrechen in Lateinamerika am Pranger (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Oktober 2014

Bergbau: Kanada wegen Menschenrechtsverbrechen in Lateinamerika am Pranger - Anhörung vor internationaler Menschenrechtskommission

von Carey L. Biron



Washington, 31. Oktober (IPS) - Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IACHR) ist derzeit mit Vorwürfen gegen Kanada befasst, Übergriffe kanadischer Bergbaukonzerne in lateinamerikanischen Staaten zu ignorieren. Bei der Anhörung am 28. Oktober am IACHR-Sitz in Washington wurde zudem kritisiert, dass den Opfern der einflussreichen Bergbauindustrie in Übersee der Zugang zum kanadischen Rechtssystem versperrt sei.

Kanada berief sich auf ein Rahmenwerk, das transnational agierenden kanadischen Konzernen ein Mindestmaß an sozialer Verantwortung abverlangt. Doch da es unverbindlich ist, hilft es den Opfern der kanadischen Rohstoffindustrie wenig, erlittenes Unrecht zu ahnden.

"Wir wollen einen Zugang zu den kanadischen Gerichten", erläuterte Jens Moore, Koordinator des Lateinamerika-Programms von 'MiningWatch Canada', eine unabhängige Organisation, die das Verhalten von Konzernen beobachtet. "Auch wollen wir erreichen, dass der kanadische Staat Vorkehrungen trifft, damit solche Probleme künftig ausbleiben. Wir denken da an ein unabhängiges Büro, das über das Mandat verfügt, Vorwürfen gegen kanadische Bergbaufirmen nachzugehen", fügte Moore hinzu.

Bei der IACHR-Anhörung hatten Moore und andere einen Bericht von fast 30 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) vorgelegt, der die konkreten Anschuldigungen gegen die kanadischen Bergbauunternehmen zusammenfasst.

Kanada verfügt über eine der weltgrößten Bergbauindustrien, die in Lateinamerika rund 1.500 Projekte durchführt. Mehr als 40 Prozent der kanadischen Konzerne operieren in dieser Region. Dem Bericht zufolge werden Übersee-Aktivitäten der Transnationalen "in hohem Maße" von der kanadischen Regierung unterstützt.


Übergriffe ungesühnt

Wie Shin Imai, ein für das 'Justice and Corporate Accountability Project' tätiger Anwalt, erklärte, haben Bergbaukonflikte, in die kanadische Unternehmen in den letzten Jahren involviert waren, mindestens 50 Menschenleben gefordert. Weitere 300 Personen wurden verletzt. Auch kam es zu Umweltschäden, illegalen Vertreibungen und Verstößen gegen demokratische Werte. Die Gewalt wird dem Sicherheitspersonal der kanadischen Multis zur Last gelegt. Zur Verantwortung gezogen wurde bisher niemand.

Seit Jahren fordern zivilgesellschaftliche Gruppen von der Regierung in Ottawa Maßnahmen, um die verantwortlichen Unternehmen haftbar zu machen. Auch ein parlamentarischer Ausschuss hatte 2005 die Alarmglocken läuten lassen und Empfehlungen unterbreitet, die allerdings ignoriert wurden. "Die kanadische Regierung weigert sich jedoch, die Empfehlungen umzusetzen", kritisierte Moore. "Bisher begnügt sie sich lediglich damit, auf ein unverbindliches Rahmenwerk zu pochen, das nicht funktioniert."

Mit den Bergbauaktivitäten kanadischer Konzerne in Lateinamerika hat sich die IACHR, eines der ältesten multilateralen Menschenrechtsgremien und ein Rechtsinstrument der 35 Mitgliedsstaaten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), schon in der Vergangenheit befasst. Neu ist, dass sie sich erstmals in einer Anhörung mit der umstrittenen Frage befasste, ob transnational agierende Konzerne in den Ländern, in denen sie ihren Sitz haben, strafrechtlich verfolgt werden können.

"Viel zu häufig wenden Rohstoffunternehmen zu Hause und im Ausland unterschiedliche Maßstäbe an", meinte dazu Alex Blair vom Rohstoffprogramm der Hilfsorganisation 'Oxfam America'. "Sie können von den oftmals schwachen Rechtssystemen in den Zielländern profitieren."


'Homeland-Gerichtsbarkeit' umstritten

Zwar gibt es inzwischen den um sich greifenden Trend, dass lokale und indigene Gemeinschaften vor die ausländischen Gerichte ziehen, um Gerechtigkeit einzufordern. Doch diese Bemühungen sind extrem komplex und kostspielig. Außerdem gibt es etliche westliche Länder, die eine solche Möglichkeit von vornherein begrenzen.

Bei der Anhörung in Washington beharrte die kanadische Regierung darauf, über eines der weltstärksten Rechts- und Regulierungsrahmenwerke für die Rohstoffindustrie zu verfügen. 2009 hatte Kanada eine unverbindliche Strategie für den transnationalen Rohstoffsektor Kanadas entworfen. Darüber hinaus gibt es zwei ebenso unverbindliche Mechanismen, die sich mit Beschwerden aus Übersee gegen Projekte der kanadischen Rohstoffindustrie befassen. Doch in keinem dieser Fälle werden die Anschuldigungen der mutmaßlichen Opfer untersucht geschweige denn Strafmaßnahmen gegen die Verantwortlichen verhängt.

Kanada betonte in Washington ferner, dass potenzielle Übergriffe kanadischer Konzerne in den Ländern vor Gericht verhandelt werden sollten, in denen sie begangen würden. Kanada sei rechtlich nicht dazu verpflichtet, die Unternehmen für Aktivitäten in Übersee haftbar zu machen.

Die IACHR-Kommissare einschließlich der derzeitigen Vorsitzenden Rose-Marie Antoine sind der Meinung, dass Kanada mehr tun muss als bisher, um Übergriffen im Zuge kanadischer Bergbauaktivitäten vorzubeugen. "Trotz aller Zusicherungen Kanadas, eine gute Politik zu machen, beobachten wir eine Reihe schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen, die wir auf lückenhafte politische Bestimmungen zurückführen. Hier kommt Kanada eine größere Verantwortung zu", sagte Antoine nach der Stellungnahme der kanadischen Delegation.

Antoine zufolge arbeitet die IACHR derzeit an einem Bericht über die Auswirkungen der Rohstoffausbeutung auf indigene Gemeinschaften. Die IACHR-Vorsitzende kündigte an, dass man darin erstmals die "heikle Frage der Exterritorialität" behandeln werde. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/10/canada-accused-of-failing-to-prevent-overseas-mining-abuses/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2014