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MELDUNG/399: Expertenworkshop zur Flüchtlingssituation - Optimierung der rechtlichen Rahmenbedingungen geboten (DAV)


Deutscher Anwaltverein (DAV) - Berlin, 23. September 2015

DAV-Expertenworkshop zur Flüchtlingssituation:

Optimierung der rechtlichen Rahmenbedingungen geboten


Berlin (DAV). Die Erstunterbringung und Erstversorgung der Flüchtlinge stellt Deutschland vor große Herausforderungen. Nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) ist es daher geboten, die rechtlichen Rahmenbedingungen teilweise, kurzfristig und gelegentlich auch befristet zu verändern, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Deshalb hat ein DAV-Expertenworkshop stattgefunden, bei dem Experten auch über die Anwaltschaft hinaus den Handlungsbedarf der Politik festgestellt haben. Dabei geht es um die Veränderung oder die bessere Nutzung der rechtlichen Rahmenbedingungen, um schnell tragbare Lösungen zu finden. Wichtig war es dem DAV, die Praktiker aus der Anwaltschaft ebenso an einen Tisch zu bringen wie Vertreter der Verwaltung, der Landkreise, der Kirchen usw. Da zu erwarten ist, dass viele Asylanträge anerkannt werden, müssen auch Fragen der dauerhaften Versorgung, Unterstützung und Integration gestellt werden.

"Es gibt Situationen, in denen sich das Recht eher als Hürde denn als Lösung von Problemen erweist", erläutert Rechtsanwalt Ulrich Schellenberg, DAV-Präsident, die Aufgabenstellung. Es gehe aber um eine gesellschaftspolitische Aufgabe, deren Bewältigung auch eine Perspektive aufzeigen müsse. "Flüchtlinge sind Menschen, die auf der Suche nach Schutz und Recht sind", so Schellenberg weiter. Daher sei es wichtig, dass der Handlungsbedarf schnell ermittelt und Politik und Verwaltungen bei ihrer Aufgabe unterstützt werden. "Es geht darum, die Situation der Flüchtlinge zu verbessern und die Gesellschaft und Verwaltung bei dieser Aufgabe zu unterstützen", so Schellenberg weiter.

Die Ergebnisse verschiedener Workshops zeigen Handlungsbedarf im Ausländer- und Asylrecht, dem Medizinrecht und dem Sozialrecht auf. Ebenso beim Haushaltsverfassungsrecht sowie im Vergaberecht und dem Verwaltungsrecht. Letzteres gilt insbesondere für das Öffentliche Baurecht.

Im DAV-Expertenworkshop sind aber auch die aktuellen Pläne des Gesetzgebers mit eingeflossen.

Die wesentlichen Ergebnisse der einzelnen Workshops:

1. Beschleunigung des Asylverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens

- Die Asylverfahren können beschleunigt werden, aber nicht auf Kosten des Rechtsstaates.

Es darf nicht zu einer Beschleunigung um jeden Preis kommen, nämlich dem der Rechte eines Antragstellers auf ein faires Verfahren. Es bedarf daher der Aufstockung des Personals.

- Begründete Anträge und Anträge von unbegleiteten Minderjährigen sind vorzuziehen. Schriftliche Verfahren bei voraussichtlich begründeten Anträgen sollen ermöglicht werden.

- Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens

Schon jetzt muss aber auch über die Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren nachgedacht werden. Auch hier bedarf es der Aufstockung des Personals durch besonders Qualifizierte.

- Legale Fluchtwege schaffen

Beschleunigung und Erleichterung der Familienzuführung bei Krisenstaaten (Syrien, Eritrea, Irak etc.). Einleitung des Verfahrens schon bei schriftlicher Antragstellung in entsprechenden Dokumenten. Die Familienzusammenführung bei Krisenstaatlern muss beschleunigt und erleichtert werden.

- Dublin

Das Dublin-System sollte abgeschafft werden und eine ausschließlich finanzielle Entlastung des Aufnahmestaates durch Mittel der EU erwogen werden.

Bis zur Etablierung dieses sogenannten Optionsmodells ist es notwendig, eine Einführung von Höchstfristen hinsichtlich der Rückführung der Asylbewerber in das Antragsland einzuführen. Nach Ablauf der Höchstfrist (18 Monate ab Antragstellung) soll die Rückführung abgebrochen werden.

- Keine weitere Einschränkung der Leistungen

Auch die aktuelle Notlage darf nicht dazu verführen, den Bereich der Leistung zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums weiter einzuschränken. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Barbetrag, Verweis auf Sachleistungen und Leistungskürzung.

- Der geplante Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung für sechs Monate steht dem Ziel einer schnellen Integration entgegen und schafft Folgeprobleme.

- Es muss eine erleichterte Unterbringung im privaten Wohnraum geben. Insbesondere bei der Aufnahme bei Verwandten und angemessener Wohnungsgröße.

2. Arbeitsmigration

- Nach Ansicht der Experten müssen die Flüchtlinge einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang bereits nach drei Monaten erhalten. Trotz Verkürzung des Arbeitsverbotes auf drei Monate im November 2014 gilt für Flüchtlinge weiterhin grundsätzlich ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang. Erst nach 48-monatiger Verfahrensdauer stehen Asylbewerber dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Bis dahin ist für jeden Einzelfall eine Beschäftigungserlaubnis zu beantragen. Nach drei Monaten führt die erforderliche Vorrangprüfung zu einem mindestens 15-monatigen faktischen Ausschluss einer Mehrzahl der Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt. Daher ist es notwendig, die Arbeitsmarktprüfung (Vorrangprüfung und Prüfung der Beschäftigungsbedingungen) abzuschaffen.

Der schnelle uneingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt sorgt für eine bessere Integration der Betroffenen und entlastet die öffentlichen Haushalte.

- Asylverfahren vermeiden durch direkte Aufnahme von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt.

- Auch muss eine direkte unmittelbare Aufnahme von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt durch einen sogenannten Spurwechsel möglich sein. Flüchtlinge müssen dann einen echten Aufenthaltstitel bekommen, wenn sie in Deutschland ausgebildet werden oder studieren. Einen unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt sollten Flüchtlinge dann erhalten, wenn ihnen ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt. Dadurch könnte auch gewährleistet werden, dass diese Personen dann aus dem Asylverfahren herausgenommen werden, was zu einer wesentlichen Entlastung des Asylverfahrens führt.

- Ergänzende Maßnahmen zur schnellen Integration von Flüchtlingen müssen gewährleistet werden durch eine schnelle Sprachförderung und die systematische Erfassung der Qualifikationen der Flüchtlinge. Schon in den ersten drei Monaten soll geprüft werden, ob die ausländischen Abschlüsse der Flüchtlinge anerkannt werden können. Diesen müsste eine intensive Unterstützung im unbürokratischen Verfahren zuteilwerden. Für Flüchtlinge ist das Anerkennungsverfahren bisher eher undurchschaubar. Neben der ausführlichen Information der potenziellen Arbeitgeber wollen Flüchtlinge auch leichter die Möglichkeit haben, sich überregional zu bewerben, um dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.

- Aus sozialrechtlicher Sicht ist es wünschenswert, Flüchtlingen eine Arbeitsgelegenheit anzubieten. Zu prüfen wäre, ob man den "Ein-Euro-Job" neu gestaltet, z. B. im Sinne einer einige Monate befristeten Patenschaft. Patenschaft zwischen einem Erwerbstätigen (z. B. Bauarbeiten, Pflegekraft, Verwaltungsangestellter, gewerblicher Mitarbeiter, Arzt, Sanitäter, Putzhilfe etc.) und einem Leistungsträger, durch den Sie sich in ihrer Arbeit nicht nur begleiten, sondern auch unterstützten lassen. Je nach Kenntnis, Leistungsvermögen usw.

3. Sozialrecht

- Der Schutz der ehrenamtlich Tätigen in der gesetzlichen Unfallversicherung ist sicherzustellen.

Ehrenamtliches Engagement kann gefährlich sein. Die Ehrenamtler nehmen am Straßenverkehr teil, um zu den Einrichtungen usw. zu gelangen. Die gesetzliche Unfallversicherung gewährt Leistung auch für Verunfallte, die etwa bei einem Wegeunfall zu Schaden kommen. Aber auch andere gefährliche Situationen sind denkbar.

Das Land Niedersachsen zahlt für solche Ehrenamtler freiwillige Beiträge in die gesetzliche Unfallversicherung. In Schleswig-Holstein werden Privatpersonen als Ehrenamtler seitens der Gemeinde gelistet, sodass man insoweit einen Unfallversicherungsschutz annehmen kann.

Es muss eine Regelung geschaffen werden, die sicherstellt, dass alle Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe Tätigen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sind.

- Würdigung in der Rentenversicherung

Ehrenamtlich Tätige sollen, ähnlich wie Pflegepersonen, die Angehörige pflegen, in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein, wenn sie im zeitlichen Umfang von wenigstens 14 Stunden ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig sind, aber regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind.

Das lässt sich leicht durch eine Ergänzung des § 3 SGB VI lösen, indem der Kreis der "sogenannten versicherungspflichtigen Personen" erweitert wird. Dies wäre - auch wenn es sich nur um geringe Ansprüche handeln wird - ein wichtiges Signal zur Unterstützung der ehrenamtlich Engagierten.

4. Maßnahmen im Medizinrecht

- Kenntnisprüfung bei ärztlicher Versorgung notwendig -
eidesstattliche Versicherung reicht nicht

Die aktuellen Pläne sehen vor, dass die Abgabe einer Versicherung an Eides statt zum Nachweis einer ärztlichen Ausbildung ausreicht. Die DAV-Experten empfehlen, dass diese Pläne um eine Kenntnisprüfung erweitert werden.

Es kann unterstellt werden, dass insbesondere in großen Aufnahmeeinrichtungen nicht genügend Ärzte zur Versorgung der Asylbewerber zur Verfügung stehen. Hier auch Asylbewerbern selbst die Möglichkeit zu gewähren. Auf dem Gebiet der Heilkunde tätig zu sein, erscheint grundsätzlich sinnvoll. Allerdings verlangen die bisherigen Regelungen insbesondere den Nachweis den Nachweis einer ärztlichen Ausbildung. Dies wird für viele möglicherweise zur Versorgung geeigneter Asylbegehren kaum zu führen sein. Die geplante erleichterte Erteilung unter Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung kann hier ein Weg sein. Es birgt aber erhebliche Haftungsrisiken, insbesondere für die Antragsteller selbst und für diese ggf. beaufsichtigenden Ärzte. Daher ist eine Kenntnisstandprüfung notwendig und sollte eingeführt werden.

- Psychotherapeutische Behandlung für Asylbewerber muss auch in den ersten 15 Monaten rechtssicher gewähreistet werden.

Momentan haben Asylbewerber lediglich in den ersten 15 Monaten Anspruch auf Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen. In der Entscheidungspraxis stellt dies ein erhebliches Hindernis für die Gewährung von psychotherapeutischen Behandlungen dar. Lt. Veröffentlichen bekommen lediglich etwa 4% der Flüchtlinge die erforderliche psychotherapeutische Versorgung. Dies verwundert, da zahlreiche Flüchtlinge aufgrund der Erlebnisse in ihrer Heimat und auf der Flucht traumatisiert sind.

- Dolmetscherkosten sind zu tragen

Sowohl bei der psychotherapeutischen als auch bei der medizinischen Versorgung bedarf es eines ausdrücklichen Anspruchs auf muttersprachliche Behandlung, jedenfalls aber auf die zur Verfügung Stellung und/oder Finanzierung qualifizierter Dolmetscher. Sprachbarrieren gefährden eine sachgerechte Behandlung schon bei der Aufnahme des Befundes. Bei psychotherapeutischen Maßnahmen machen sie diese völlig unmöglich. Für die Behandler bergen sie zudem unzumutbar hohe Haftungsrisiken. Ohne sprachliches Verständnis ist auch eine Einwilligung der Behandelnden nicht möglich.

- Um die Ansprüche auch durchzusetzen, muss eine hinreichende Anzahl qualifizierter Behandler zur Verfügung stehen. Deshalb darf die Versorgung nicht auf die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte/Psychotherapeuten beschränkt sein.

- Keine Sozialversicherungspflicht von "Honorarärzten"

Die Tätigkeit von "Honorarärzten" bei der Versorgung von Flüchtlingen und in den Aufnahmeeinrichtungen darf nicht dazu führen, dass die Träger, die diese Einrichtungen unterhalten, zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werden. Bei der Tätigkeit der "Honorarärzte" handelt es sich regelmäßig um eine freie Tätigkeit. Dies müsste klargestellt werden.

5. Vergaberecht

- Vergaberechtliches Instrumentarium ausschöpfen

Beschaffungen für den Bedarf von Flüchtlingen müssen im Wettbewerb unter Berücksichtigung des Transparenzgrundsatzes und des Diskriminierungsverbotes erfolgen. Auf diese darf nicht vollständig verzichtet werden. Es müssen aber alle Spielräume genutzt werden, die das geltende Vergaberecht bietet.

- Sinnvolle Gestaltung der Ausschreibungsverfahren und Flexibilität

Wenn der Beschaffungsbedarf grundsätzlich bekannt ist, kann darüber schon informiert werden, auch wenn der Zeitpunkt der Beschaffung noch unsicher ist. Dies erleichtert den Unternehmen die Teilhabe an dem beschleunigten Verfahren. Auch können Rahmenvereinbarungen getroffen werden, in denen die Bedingungen für Einzelaufträge festgelegt werden. Dabei muss der mengenmäßige Bedarf noch nicht konkret feststehen.

Bei der öffentlichen Vergabe könnte sich auch darauf beschränkt werden, eine funktionelle Leistungsbeschreibung, statt eine konkrete Beschaffung auszuschreiben. Funktionale Leistungsbeschreibungen beschreiben lediglich das Ziel der Beschaffung (Unterbringung mit einer Raumtemperatur von 20 Grad), nicht aber die konkrete Ausführung (Zelt, Container, Holzhaus etc.). Dadurch entsteht mehr Wettbewerb und die Anbieter haben mehr Möglichkeiten, Alternativen vorzuschlagen.

- Schaffung größtmöglicher Rechtssicherheit für die Vergabestelle

Eine zeitnahe und flexible Versorgung von Flüchtlingen durch eine zulässige Beschleunigung der Vergabeverfahren bei der Beschaffung muss sichergestellt werden.

Die öffentliche Hand muss bei der Beschaffung von Waren- oder von Bau- bzw. Dienstleistungen die öffentlichen Aufträge ausschreiben. In aller Regel durch förmliche Verfahren mit Mindestfristen zum Schutz der teilnehmenden Unternehmen. Bei offenen Verfahren sind dies 52 Tage, bei nicht offenen Verfahren 77 Tage.

Eine deutliche Vereinfachung der Beschaffungsvorgänge lässt sich durch die Wahl des Verfahrens, wie durch eine zulässige Verkürzung von Verfahrensfristen erreichen. Die erforderliche Dringlichkeit der Vergabe ist meist gegeben und kann unterstellt werden. Bei einer zwingenden Dringlichkeit ist auch eine Direktvergabe möglich, wenn mindestens drei potenzielle Bieter angesprochen werden und die Angebote verglichen werden.

Wegen des besonderen Eilbedürfnisses gilt dies in der Regel nur für die Erstunterbringung. Eine Direktvergabe begegnet nämlich dann keinen vergaberechtlichen Bedenken, wenn ihre Laufzeit begrenzt wird und nicht den Zeitraum überschreitet, der zur Vorbereitung und Durchführung eines beschleunigten Verfahrens erforderlich ist (d.h. ca. 6 bis 12 Monate).

6. Baurecht/Verwaltungsrecht

Grundsätzlich darf das Asylpaket Baurecht nicht sprengen. Allerdings müssen die Genehmigungsvoraussetzungen für Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden kurzfristig erleichtert werden.

- Objektiv besteht ein dringendes Bedürfnis für die Bereitstellung von Unterbringungsmöglichkeiten. Daher müssen Baugenehmigungen zur Flüchtlingsunterbringung erleichtert werden. Dies solle sich möglichst auf befristete Ausnahmeregelungen beschränken. Es darf nicht zu einer dauerhaften Sonderbehandlung von Flüchtlingsunterbringungen kommen, weil dies zu einer baurechtlichen Zweiklassengesellschaft führen könnte.

- Mehr preisgünstiger Wohnraum

Die Schaffung und Erhaltung neuen, insbesondere preisgünstigen Wohnraums allgemein darf nicht vernachlässigt werden und ist dringend zu erleichtern. Hierfür ist es notwendig, ein eigenes Reformpaket zu erarbeiten, was dann die dauerhafte Unterbringung nach dem Anerkennungsverfahren betrifft.

- Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte sollten befristet werden.

Damit nicht dauerhaft die allgemeinen und berechtigten Standards des Baurechts untergehen, muss es neben der Befristung der Baugenehmigung auch eine Befristung der jeweiligen Vorschriften geben.

- Nutzungsänderungen im Außenbereich

Nutzungsänderungen im Außenbereich zugunsten von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften müssen zugelassen werden. Tatsächlich werden bereits Flüchtlingsunterkünfte ohne die erforderliche Baugenehmigung im Außenbereich errichtet. Das ist rechtswidrig, aber nachvollziehbar, zumal die Erarbeitung von Bebauungsplänen mindestens ein Jahr dauert.

7. Haushaltsverfassungsrecht

- Das bürgerschaftliche Engagement für eine humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien ist dadurch zu stärken, dass die bislang mit einem lebenslangen Risiko verbundenen privaten Bürgschaften für den Lebensunterhalt auf maximal vier Jahre begrenzt werden.

Zugunsten von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen lassen die Bundesländer einen erweiterten Familiennachzug zu, sofern die hier lebenden Verwandten oder Dritte den Lebensunterhalt nach Maßgabe einer Verpflichtungserklärung privat tragen. Diese humanitären Aufnahmeprogramme sind der unkontrollierten Flucht über das Mittelmeer und die "Balkanroute" grundsätzlich vorzuziehen. Sie ermöglichen eine sichere Rettung der Hilfebedürftigen und eine weitgehend haushaltsneutrale Integration in den hiesigen Wohnungs- und Arbeitsmarkt. Der Bund macht die Erteilung seines erforderlichen Einvernehmens (§ 3 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz) davon abhängig, dass entweder zeitlich unbefristete Verpflichtungserklärungen vorliegen oder die Länder sich zur Übernahme sämtlicher Kosten - und damit auch derjenigen von Aufgaben des Bundes - verpflichten. Das Verlangen nach unbefristeten Verpflichtungserklärungen hält viele Menschen von deren Abgabe ab.

Da die finanziellen Mittel der Länder begrenzt sind, kann von diesen nicht verlangt werden, haushalterische Vorsorge für die von ihnen auferlegten Aufnahmeprogramme zugunsten syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge zu treffen. Das Finanzverfassungsrecht bietet hierfür keine Grundlage. Daher ist es auch erforderlich, um keine unnötig hohe Barriere aufzubauen, die Verpflichtungserklärung gesetzlich auf maximal vier Jahre zu befristen.

- Die Bereitschaft der Gemeinden muss gefördert werden, Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen in einem Umfang zu schaffen, der das anteilig von ihnen zu erbringende Maß überschreitet. Dafür muss der Bund finanzielle Zuwendungen vorsehen.

Die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen - insbesondere zu überobligatorischen Leistungen - sind durch deren desaströse Haushaltssituation stark eingeschränkt. Hier könnten finanzielle Anreize seitens des Bundes geschaffen werden, besondere und insbesondere überobligatorische Anstrengungen im Bereich der Flüchtlingshilfe zu unternehmen.

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 39/15 vom 23. September 2015
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
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E-mail: walentowski@anwaltverein.de
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2015

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