Schattenblick → INFOPOOL → RECHT → FAKTEN


MELDUNG/460: Urteil im Stuttgarter PKK Prozess (Rote Hilfe)


Bundesvorstand Rote Hilfe e.V. - Pressemitteilung vom 13.10.2016

Urteil im Stuttgarter PKK Prozess

Drei Jahre und sechs Monate für kurdischen Politiker Ali Özel


Am heutigen Donnerstag, 13.10.2016, endete der 129b-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Ali Özel wie zu erwarten mit einem mehrjährigen Urteil: das Oberlandesgericht Stuttgart verhängte eine Haftstrafe von 3 Jahren 6 Monaten - obwohl dem angeklagten Genossen keinerlei strafbare Handlungen zugerechnet werden können.

Ali Özel wird vorgeworfen, als PKK-Gebietsleiter in verschiedenen Regionen der BRD tätig gewesen zu sein, zuletzt in Stuttgart und am Bodensee. Zu seinen Aufgaben hätten Spendensammlungen, der Vertrieb und Verkauf von Informationsmaterialien und Zeitungen, die Organisierung von Veranstaltungen sowie Treffen mit anderen AktivistInnen gehört. Zu den im Urteil angeführten "Tatbeständen" zählen beispielsweise mehrere Durchsagen bei der gemeinschaftlichen Busanreise zu Demonstrationen, die Auflagen zu berücksichtigen und sich besonnen zu verhalten. Ebenfalls Erwähnung fanden Özels Bemühungen, für Jugendliche, die bei Kundgebungen festgenommen worden waren, umgehend einen Rechtsbeistand zu finden. Selbst sein Beistand für die Angehörigen der in Paris ermordeten Aktivistin Leyla Saylemez, denen er die Nachricht vom Tod überbrachte und die er zum Flughafen begleitete, um an der dortigen Trauerfeier teilzunehmen, wurde ihm zum Vorwurf gemacht.

Es war zu erwarten, dass es zu einer Verurteilung kommen würde. Während des gesamten Prozesses arbeitete das Gericht auf den Schuldspruch hin und lehnte ZeugInnen und Anträge der Verteidigung ab.

Rechtsanwalt Martin Heiming erklärte dazu: "In diesen Prozessen steht die Verurteilung schon im Vorfeld fest, nur das Strafmaß unterscheidet sich in Nuancen."

Obwohl sich die im Verfahren angeführten Aktivitäten von Ali Özel also ausschließlich auf alltägliche und völlig legale Vereinstätigkeiten wie die Organisierung von Kulturveranstaltungen und politischen Kundgebungen oder Spendensammlungen beschränken, reichen sie zu einer Verurteilung aus.

Möglich wird diese absurde Rechtssituation durch den "Antiterrorparagrafen" 129b, der hierzulande hauptsächlich dazu benutzt wird, unbequeme linke Bewegungen und Organisationen zu kriminalisieren. Ungeachtet aller Kriegsverbrechen und tausendfachen Menschenrechtsverletzungen, die der türkische Staat in seinem derzeitigen blutigen Rachefeldzug gegen jede Art der Opposition begeht, macht sich die bundesdeutsche Regierung mit der Verfolgung der türkischen und kurdischen Linken zur willfährigen Vollstreckerin der diktatorischen AKP-Regierung.

Derzeit sind Dutzende AktivistInnen aus der Türkei in deutschen Gefängnissen, die in der Regel der Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung im Ausland" nach ©129b beschuldigt werden. Welche Organisation als terroristisch zu gelten hat, legen dabei die Bundesregierung und ihre Verbündeten je nach den aktuellen politischen Konstellationen fest.

Besonders grotesk ist der aktuell in München laufende Prozess gegen 10 türkische ATIK-Mitglieder, die als vermeintliche TKP/ML-AnhängerInnen verfolgt werden - und das, obwohl die TKP/ML weder in der BRD noch international auf den so genannten Terrorlisten steht.

Ausschlaggebend für die Inhaftierung der zehn GenossInnen vor knapp eineinhalb Jahren war offensichtlich der Versuch der Bundesregierung, den türkischen Diktator durch weitere Zuarbeiten milde zu stimmen.

Gleichzeitig werden flächendeckend insbesondere kurdische Kundgebungen und Kulturvereine mit Repressalien überzogen, die von Versammlungsverboten und - auflagen über willkürliche Festnahmen bis hin zur Verschärfung des Aufenthaltsstatus reichen. Damit versuchen die deutschen Behörden, die migrantische Linke mundtot zu machen und ein Klima der Angst zu erzeugen.

Die Rote Hilfe e.V. protestiert gegen die anhaltende Kriminalisierung der kurdischen und türkischen Linken. Wir fordern die sofortige Aufhebung des PKK-Verbots sowie die umgehende Abschaffung der Paragrafen 129/a/b.

H. Lange für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 13.10.2016
Bundesvorstand Rote Hilfe e.V.
Bundesgeschäftsstelle, Postfach 32 55, 37022 Göttingen
Telefon: 0551/770 80 08; Fax: 0551/770 80 09
E-Mail: bundesvorstand@rote-hilfe.de
Internet: www.rote-hilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang