Schattenblick → INFOPOOL → RECHT → FAKTEN


MIETRECHT/283: Eigenbedarf zählt nicht, wenn der Mieter zu krank zur Räumung ist (DAV)


Mietrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) - Berlin, 8. April 2015

Ressort: Miete und Immobilien/Service/Recht

Eigenbedarf zählt nicht, wenn der Mieter zu krank zur Räumung ist


Lübeck/Berlin (DAV). Ein Vermieter kann grundsätzlich einen Mietvertrag wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Wohnung selbst nutzen möchte. Dieses berechtige Interesse des Vermieters hat seine Grenzen aber dann, wenn der Mieter wegen körperlicher oder geistiger Erkrankungen die Wohnung nicht räumen kann. Dies folgt aus einer Entscheidung des Landgerichts Lübeck vom 21. November 2014 (AZ: 1 S 43/14), wie die Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV) mitteilt.

In dem Fall hatte der Kläger seine vermietete Wohnung gekündigt, da er diese selbst bewohnen wollte. Die Mieter haben die Kündigung nicht akzeptiert und die Wohnung nicht geräumt. Sie gaben an, dass der mehrfach geistig schwerstbehinderte Sohn, der zudem noch blind war, sich in einer neuen Umgebung nicht zurechtfinden könne. Ein Umzug sei mit der Gefahr verbunden, dass sich der Gesundheitszustand des Sohnes erheblich verschlechtert, letztlich sogar mit einer Lebensgefahr.

Die Richter hatten für ihre Entscheidung die Interessen des Mieters an der Erhaltung der jetzigen Situation und das Interesse des Vermieters, die Wohnung in Besitz zu nehmen, abzuwägen. Hierbei wurde zunächst grundsätzlich berücksichtigt, dass keine zu hohen Anforderungen an Vermieter gestellt werden können, wenn er Eigenbedarf geltend macht. Es reicht hier, dass ein vernünftiges und sinnvolles Argument vorgebracht wird. Dies kann bereits allein in der Nutzung des Eigentums liegen. Es ist nicht erforderlich, dass durch den Umzug in die eigene Wohnung eine Verbesserung der Wohnsituation eintritt. Auch wenn die Wohnungen bezüglich der Größe und der Ausstattung identisch sind, ist die Nutzung des Eigentums ein wirtschaftlich sinnvolles und damit erhebliches Argument.

Dennoch kam es in dem Fall zu einer anderen Entscheidung: Der Vermieter hatte keinen Erfolg, die Mieter durften in der Wohnung bleiben. Maßgeblich war hierbei die erhebliche und schwere Erkrankung des Sohnes der Mieter. Denn wenn die Räumung mit einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit oder sogar mit einer Lebensgefahr verbunden ist, müssen die Interessen des Vermieters zurückstehen. Die Interessen des Mieters an der Erhaltung seiner Gesundheit haben im Allgemeinen Vorrang vor Finanzinteressen des Vermieters, so die Richter. In diesem Fall ist eine Kündigung des Mietvertrages nicht wirksam.

Auch wenn hier eine menschliche und nachvollziehbare Entscheidung getroffen wurde, ist der betroffenen Vermieter rein tatsächlich an der Eigennutzung seines Eigentums dauerhaft gehindert. Denn immer dann, wenn leider auch eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Mieter oder der im Haushalt lebenden Personen nicht zu erwarten ist, wird der Vermieter einen Eigenbedarf auch in Zukunft nicht mehr geltend machen können.

Informationen: www.mietrecht.net

*

Quelle:
Pressemitteilung Nr. 11/15 vom 8. April 2015
"Mietrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV)".
Deutscher Anwaltverein (DAV)
Pressesprecher Swen Walentowski
PR-Referat
Littenstraße 11, 10179 Berlin
Tel.: 0 30/72 61 52 - 129
Sekretariat:
Manja Jungnickel, Tel.: 0 30/72 61 52 - 139
Katrin Schläfke, Tel.: 0 30/72 61 52 - 149
Fax: 0 30/72 61 52 - 193
E-mail: walentowski@anwaltverein.de
Internet: www.anwaltverein.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang